Die Perlen des Gebrauchtmarkts

Kleinanzeigen Heroes: Collins OTD-100 Distortion

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Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.

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Collins OTD-100 Distortion

(Bild: Musik Produktiv)

Dass es das noch gibt: Gänsehaut, sich aufstellende Nackenhaare, ungläubiges Staunen. Und nur die Birke schaut zu.

Neulich kam mir ein Pedal der Marke Collins in die Quere. Collins ist die Hausmarke von Musik Produktiv und ich habe das günstig angebotene OTD-100-Pedal vorsichtshalber mal eingesteckt – zum einen aus sentimentalen Gründen, zum anderen mit dem Gedanken: „Vielleicht kann es ja was …“

ES WAR EINMAL …

Die Marke Collins wurde von Musik Produktiv Mitte der 1990erJahre etabliert. Die ersten, in Korea gebauten Collins-Gitarren kamen um das Jahr 2000 herum, das OTD-100 in 2008 erstmals auf den Markt. Gebaut wurde es in China beim Elektronik-Riesen Biyang, der für Gott und die Welt alles baut, was man in ordentlichen Mengen bei ihm bestellt. Laut Musik Produktiv orientierte sich das OTD-100 am Ibanez Tube King, und es basierte auf einer 6AX7-Röhre als Keimzelle seines Sounds.

ROHKOST

Heute Morgen: das Bad ist besetzt. Dann gehe ich doch erstmal ins Spielzimmer, wo die sechssaitigen Gefährtinnen warten. Als erstes fällt mir dort jedoch dieses abgewetzte Collins-Pedal von neulich ins Auge, also warum das jetzt nicht mal anspielen, so mit ganz frischen Ohren? Gedacht, getan – und dann passiert es. Es gibt Pedale, die sagen einem gar nichts. Dann gibt es Pedale, die klingen immer „irgendwie gut“. Sie zeichnen alles schön, lassen aber oft einen eigenen Charakter vermissen. Dann gibt es wiederum Pedale, die nachhaltig gut sind. Sie liefern immer, und das in hoher Qualität. Sie sind wie gute Kumpels, die man schon ewig kennt. Mein Board ist voll von diesen Typen.

Und dann gibt es noch diese Pedale, die komplett anders sind. Sie sind sperrig, sie kratzen, sie beißen, sie fordern, sie sind omnipräsent, sie gehen auf den Sack. Bei solchen Pedalen stellen sich, wenn alles gut läuft, die Nackenhaare auf und es bildet sich eine fette Gänsehaut auf den Unterarmen. Solch ein Pedal vergisst du nie, und es vergisst dich auch nicht.

Willkommen beim Collins OTD100! Lässt man sich auf den Kampf mit ihm ein, muss man sein Ego zurückfahren und sich dafür unweigerlich in seine Sounds und Interaktionen eingraben. Und ja, der sprichwörtliche klangliche Schlag auf die Fresse dient hier als Ansporn, sich noch weiter in das Wesen dieses Pedals zu vertiefen, noch mehr von sich und der eigenen Musik preiszugeben, sein Herz nun endlich komplett zu öffnen, damit das Pedal endlich auch einmal zurückgibt. Na klar, der Verstand ist dann schon längst an der Eingangstür abgegeben worden. Auf einmal merkt man ganz unwillkürlich, dass die eigene Musik irgendwie flüssiger und schlüssiger wird. Es federt plötzlich in prächtiger Harmonie, und ja, der Kampf ist endlich vorbei!

Natürlich endet solch ein Kampf ohne einen Sieger – aber auch ohne einen Verlierer! Erschöpft sinken beide Kontrahenten in ihre Ringecken und übergeben sich ihrem Hier und Jetzt. Mit dem Wissen, dass man sich bald wiedersehen wird und das ganze Theater von vorne beginnen lässt.

(Bild: Musik Produktiv)

PREISE

Mein Collins OTD-100 habe ich für ca. 30 Euro erstanden. Der äußere Zustand war bescheiden, aber für viel mehr Geld werden auch neuwertiger aussehende OTDs nicht gehandelt. Zum Vergleich: Die alten Ibanez Tube Kings werden ab 150 Euro, die neueren ab ca. 80 Euro angeboten. Beim Kauf unbedingt darauf achten, dass das originale Netzteil mit dabei ist. Das OTD-100 braucht immerhin 1200 mA an 6V Spannung – das sind Werte, die nicht gerade jedes Multinetzteil zur Verfügung stellt. Baugleiche Röhren-Distortion-Pedale erschienen übrigens nicht nur unter dem Hersteller-Label Biyang, sondern u. a. auch als Eagletone OD-100, GFS Fat Tube Classic oder Excalibur Plexi Drive. Dies nur als Info, falls euch solch ein Bolide mal über den Weg laufen sollte. Denn dann heißt es natürlich: Zu greifen!

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2022)

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