Alte Bekannte?

Kelly‘s Telly: Michael Kelly Triple 50 Gloss Black im Test

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(Bild: Dieter Stork)

„Michael Kelly“ ist nicht etwa der Boss der 1999 gegründeten gleichnamigen Firma, sondern lediglich ihr Markenname. Der US-Amerikaner Tracy Hoeft hat dafür die Namen seiner beiden damals sechs- und dreijährigen Kinder Michael und Kelly verwendet. Ziel war und ist es immer noch, erstklassige Instrumente zu günstigen Preisen anzubieten.

Um Letztere beibehalten zu können, hat Mr. Hoeft bereits einige Male die Produktionsstandorte gewechselt. Nach China ist er inzwischen in Indonesien gelandet. Da der Release der letzten neuen Michael-Kelly-Gitarrenmodelle in den Wirren der Pandemie etwas untergegangen ist, möchten wir hier die Triple 50 vorstellen.

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ALTE BEKANNTE?

Während Michael Kelly die Korpussilhouette im Tele-Style mit Verzicht auf die klassische Zargenabflachung für die Klinkenbuchse 1:1 vom Vorbild übernommen hat, optimieren vorder- und rückseitige Fräsungen à la Strat die Ergonomie des dreiteiligen Erle-Bodys. Am Deckenrand lockert sogenanntes Fake-Binding, welches das Holz durchscheinen lässt, den tadellos schwarz lackierten und spiegelglatt polierten Korpus optisch auf.

Schönes Fake Binding (Bild: Dieter Stork)

Ein Zargenblech trägt die Klinkenbuchse, zwei große Pins geben dem Gurt sicheren Halt. Elektrisch leitender Lack soll die Pickup-Fräsungen und das E-Fach abschirmen, was mangels Massekontakt jedoch kaum Wirkung zeigt.

Der über ein Konterblech vierfach verschraubte Ahornhals sitzt stramm in seiner präzise gefrästen Halstasche, was ihm optimalen Kontakt und beste Schwingungsübertragung beschert. 22 inklusive der Kanten vorbildlich abgerichtete und polierte Jumbo-Bünde bevölkern das aufgeleimte Ahorngriffbrett, dessen Compound-Radius von 10,5″ bis 16″ zu nimmt. Schwarze Punkteinlagen und Side-Dots erleichtern die Orientierung.

Vorbildlich bearbeitete Bünde (Bild: Dieter Stork)

Den Sattel aus synthetischem Knochen hat man perfekt aus- und abgerichtet. Unmittelbar dahinter ist per Inbusschlüssel der Double-Action-Stahlstab zugänglich, der die Halskrümmung aktiv in zwei Richtungen justiert. Auf der mit Vogelaugenahorn furnierten Kopfplatte erhöhen zwei Butterfly-Saitenniederhalter den Saitendruck auf den Sattel, und gekapselte, geschmeidig arbeitende Mechaniken erlauben präzises Stimmen.

Der klassische Tele-Steg mit dem Bridge-Pickup und drei Gussreitern führt die Saiten durch den Korpus, wo die Ball-Ends von sorgfältig eingelassenen Hülsen gehalten werden. Ein dreilagiges, rotes Tortoise-Pickguard aus Kunststoff trägt die höhenjustierbaren Singlecoils in der Mittelposition und am Hals. Mit Ausnahme des Minischalters, der den Mittel-Pickup aktiviert, ist die Schaltung traditionell gehalten: Dreiwegschalter für die Hals- und Stegeinspuler, Master-Volume und -Tone für alle drei Abnehmer. Während die Potis in den USA hergestellt wurden, ist die Herkunft des soliden Blade-Switch nicht auszumachen. Mit Hilfe beider Schalter sind insgesamt sechs Pickup-Kombinationen anwählbar. Leider lässt sich der mittlere Singlecoil nicht einzeln betreiben.

Ergonomische Body Shapings (Bild: Dieter Stork)

ERGO-BODY

Trotz seiner dezent verrundeten Kanten bietet der Triple-50-Body hohen Tragekomfort. Das für eine Tele recht flache C-Halsprofil liegt dank seiner verrundeten Griffbrett- und Bundkanten angenehm in der Hand, und die seidig glatten Oberflächen bieten selbst stark schwitzenden Händen angenehmen Grip. Warum der Minischalter für den Mittel-Pickup so nahe am Tone-Reglerknopf angebracht wurde, erschließt sich mir nicht.

(Bild: Dieter Stork)

Ich würde ihn um 90° drehen, damit der Hebel in Querrichtung bewegt werden kann und sich dadurch einfacher handhaben lässt.

Soundcheck und Resümee auf Seite 2

Die Michael-Kelly-Gitarre gibt sich sehr schwingfreudig, was auf ausgesuchte Hölzer und eine präzise Verbindung von Hals und Korpus schließen lässt. Sie spricht sehr direkt an, bringt jeden Ton blitzschnell zur Entfaltung und punktet mit stabilem, gleichförmig abklingendem Sustain. Trocken angespielt liefert sie ein ausgewogenes Klangbild, kraftvolle, drahtige Bässe, perkussive Mitten, klare, gläserne Höhen und ein reiches Obertonspektrum.

Für einen Klangvergleich am Amp habe ich meine japanische 1986er Fender MIJ Custom Tele 62 Reissue herangezogen und muss feststellen, dass die Rockfield-Singlecoils der Triple 50 deutlich leiser sind, obwohl sie laut Messung gute 3 kOhm mehr auf der Brust haben. Okay, mir ist bekannt, dass dieser Parameter nicht als einziger zur Beurteilung der Pickup-Ausgangsleistung herangezogen werden kann.

Zwar lassen die Rockfields den typischen Tele-Sound erkennen, liefern jedoch deutlich weniger Klangfülle und Charakter, besitzen aber immerhin sehr schöne Transparenz. Trotz bluesig-warmem Hals-, twangy-bissigem Steg- und glockig-klarem, runden Sound der kombinierten Pickups, klingen sie irgendwie schlapp und ausdruckslos. Aktiviert man den mittleren Einspuler zum Hals-Pickup, setzt sich der bekannte näselnde Klang einer Strat nur marginal in Szene, da beide Abnehmer zu nahe nebeneinander platziert wurden.

Dagegen kommt der „In-between“-Effekt von Mittel- und Steg-Pickup wunderbar zur Geltung und zeigt auch mehr Ausdruck. Durch Zuschalten des Mittel-Pickups zum glockenklar und luftig tönenden Steg-Hals-Pärchen büßt das Klangbild nicht nur Höhen sondern auch Transparenz ein. Im Zerrbetrieb fühlen sich die Rockfields direkt wohler und liefern hier doch wesentlich brauchbarere Ergebnisse.

ALTERNATIVEN

Die Zahl vergleichbarer Gitarren hält sich auf dem Markt stark in Grenzen. Die Fender Player Plus Nashville Tele wird in Mexico gefertigt und liegt mit ca. € 969 preislich über der Michael Kelly Triple 50, besitzt jedoch einen günstiger positionierten Mittel-Pickup und eine eleganter gelöste Schaltung, die sämtliche Konstellationen dreier Pickups ermöglicht. Dies trifft auch auf die Fender USA James Burton Telecaster zu, die allerdings mit ca. € 2300 in einer anderen Preisliga spielt.

RESÜMEE

Bis zu dem Zeitpunkt als ich die Michael Kelly Triple 50 mit meinen Amps bekannt machte, war ich von ihr überaus begeistert. Allein die Rockfield-Pickups konnten nicht ganz überzeugen. Deren gebremste Ausgangsleistung ist das kleinere Übel, vielmehr lassen mich ihre eher blassen und charakterarmen Klänge zu diesem Urteil kommen.

Ansonsten beeindruckte mich die Triple 50 mit lebendiger Schwingfreude, sehr guter Dynamik und standfestem Sustain. Auch ihr ausgewogenes, drahtiges Klangbild und ihr Obertonreichtum können überzeugen. Hinzu kommen Trage- und Spielkomfort sowie die vorbildliche Verarbeitung. Und unter uns … Pickups tauschen ist kein Hexenwerk! 😉

PLUS

  • Ansprache, Dynamik & Sustain
  • Qualität der Hölzer und Hardware
  • Bespielbarkeit
  • Verarbeitung

MINUS

  • Rockfield-Pickups
  • Abschirmung des E-Fachs


(erschienen in Gitarre & Bass 10/2022)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Guten Tag Herr Dommers,
    dass der Winzschalter so nah vorm Tonregler liegt, mag an der geschätzten Erfahrung liegen, dass man beim Regeln meist hinter die Drehregler greift.
    Wenn ein so positionierter Schalter indessen nicht (annähernd) senkrecht verschraubt ist, ist das etwa kein Verarbeitungsfehler?

    mit freundlichen Grüßen
    Oliver Remme

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