The King of Bedroom Amps?

Kein bisschen leise: Tube WorkShop Single Six im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Der Guitar Summit 2022 in Mannheim bewies einmal mehr, wie viele talentierte Amp-Hersteller es hierzulande gibt. Eine der (noch) weniger bekannten ist die Firma Tube WorkShop des studierten Elektro-Ingenieurs und aktiven Gitarristen Mario Gebhardt aus Leingarten bei Heilbronn. Boutique-Amps sind dessen Spezialität, komplett nach Kundenwünschen gefertigt oder in Kleinserien mit zahlreichen Ausstattungsoptionen. In jedem Fall aber von A-Z handgefertigt in Deutschland.

Mit 20 Jahren Berufserfahrung als Entwicklungsleiter und Klang-Experte einer der führenden deutschen Audiohersteller verfügt Mario Gebhardt über fundiertes Knowhow in Verstärkerbau und Sound-Design, auch Gitarren-Amps betreffend. Aus seinem noch überschaubaren Portfolio haben wir uns für diesen Test den kleinsten Combo mit dem schlichten Namen Single Six herausgepickt: Soll heißen, Single-Ended Class-A-Endstufe, 6 Watt. Pragmatismus pur.

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Als Mario Gebhardt während der Corona-Pause begann, alte europäische Röhrenverstärker aufzukaufen – und da ging es beileibe nicht explizit um Gitarren-Amps – traf er u. a. auf einen legendären Verstärker des Franzosen Paul Bouyer aus den 50er-Jahren, der damals für Durchsagen auf Bahnhöfen eingesetzt wurde. Genau dieser inspirierte Mario Gebhardt zu seinem Single Six.

BOUTIQUE NIVEAU

Schon der äußere Eindruck des Combos lässt erkennen, in welcher Liga der Tube WorkShop Single Six spielt. Penibel gefertigtes, robustes Birkensperrholzgehäuse, sorgfältig mit genarbtem Tolex bezogen, straffe Frontbespannung, verschraubte Stahlblechkappen an den unteren vier Ecken, große Gummifüße und ein komfortabler Griff. Zwei rückseitige Querbretter stabilisieren zusätzlich den Rahmen. Das Ampchassis aus 2 mm Alublech, vorne und hinten mit beschrifteten Kunststoffplatten versehen, hängt an vier M6-Gewindeschrauben und Rack-Käfigmuttern unter der Gehäusedecke.

Handverdrahtung auf Turret Board (Bild: Dieter Stork)

Ruckzuck ist es ausgebaut und der Blick auf das überschaubare Innenleben mit üppigem Platzangebot wird frei: Punkt-zu-Punkt und mit kürzesten Signalwegen vorbildlich verlötete Komponenten in Premium-Qualität (Alpha-Potis, military-grade Schalter usw.) und ein kleines, sauber bestücktes und stabil montiertes Turret Board. Auf Steckverbindungen wurde komplett verzichtet.

Unter dem Chassis hängen je drei Röhrensockel mit Sicherungsklammern und hochwertige Trafos. Mario Gebhardt legt Wert darauf, dass die Installation sämtlicher mechanischer Bauteile vollständig von den elektrischen Verbindungen entkoppelt ist. Daher können weder Buchsen, Potis noch Röhren Kräfte auf die elektrischen Verbindungen ausüben, was gebrochene Lötstellen, Wackelkontakte und Übergangswiderstände dauerhaft verhindert.

(Bild: Dieter Stork)

Ebenso überschaubar wie das Innenleben ist auch die Zahl der frontseitigen Bedienelemente: Netzschalter mit großer Betriebsanzeige, Standby-Schalter und die Regler Mood, Tone und Volume.

(Bild: Dieter Stork)

Hinten zählen zwei Speaker-Ausgänge – einer davon durch den Bordlautsprecher belegt –, Impedanzschalter (4/8/16 Ohm), HT-Sicherungshalter, Spannungswahl (120/240 Volt) und die Netzkabelbuchse mit Sicherungsfach zur Ausstattung. Den Celestion G12M Greenback 12-Zöller hat man von hinten montiert und das dicke flexible Anschlusskabel Speaker-seitig verlötet.

Soundcheck & Resümee auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

BEDROOM AMP?

Vom Hersteller als „King of Bedroom Amps“ bezeichnet, bin ich geneigt, die Tone- und Mood-Regler zunächst mal in die Mittelposition (zwischen 5 und 6) und Volume unbedarft auf 4 zu bringen. Zu meinem Glück ist es früher Nachmittag. Viel später wären sicherlich nicht nur meine unmittelbaren Nachbarn aus ihren Betten katapultiert worden. Gute Güte ist der Kleine laut!

Zur Erinnerung: Single-Ended Class A, 6 Watt … Ich drehe auf 1 zurück, wo der Amp erste Töne von sich gibt, und sich pegelmäßig als Bedroom-kompatibel erweist. Zu meiner Überraschung klingt er dabei keineswegs ausdrucklos oder matt, sondern warm, süßlich, glasklar, vor allem aber charaktervoll und bringt die Klangeigenschaften der angeschlossenen Gitarren und deren Pickups, hier Les Paul und Strat jeweils mit vintage-style Tonabnehmern, unverfälscht ans Ohr. Das Tone-Poti agiert ähnlich einem Scoop-Klangregler und betont bei Rechtsdrehung die Höhen bei gleichzeitiger Bassabsenkung, nach links gedreht verstärkt es die Bässe, während es die Höhen absenkt. Das Ganze spielt sich über den gesamten Regelbereich präzise, feinfühlig, gleichmäßig und sinnvoll nutzbar, bei niedrigen Lautstärken jedoch eher nuanciert ab.

Aber: Mit steigendem Volume-Setting intensiviert sich die Wirkung der Tone-Reglung. Sehr schön und schon fast musikalisch. Das Mood-Poti, eine Spezialität von Tube WorkShop, variiert das Ansprechverhalten des Single Six auf das Gitarrenspiel stufenlos von „mild“ bis „wild“, also von leiser und gutmütiger bis lauter und aggressiver. In Kombination mit Tone lassen sich Sound und Ansprechverhalten des Combos auf den persönlichen Spielstil feinfühlig abstimmen.

Die klanglichen Stärken des Kraftpakets liegen im Clean- bis leicht anzerrenden Crunch-Betrieb, beides verbunden mit bandtauglichen Ausgangspegeln. Bringt man Volume und Mood in die Vollaussteuerung, ertönt ein kraftvoller, aggressiver, komprimierender Mid-Gain-Sound mit eingeschränkten Lead-Ambitionen aber auch enormer Dynamik und extremem Durchsetzungsvermögen bei erfreulich geringen Nebengeräuschen. Der Single Six zeigt überragendes Clean- und Low/Mid-Gain-Potenzial, während High Gain und Metal quasi draußen bleiben müssen. Dies wiederum befähigt ihn als Pedal-Plattform, die in der Lage ist, selbst High-Gain-Verzerrungen adäquat zu übertragen und dem Combo fette Leadsounds zu entlocken, die der Celestion Greenback differenziert und durchsetzungsstark überträgt.

RESÜMEE

Offenbar schlagen im Tube WorkShop Single Six zwei Herzen. Zum einen präsentiert er sich als puristischer Single-Ended Class-A Combo für den Klanggourmet mit exzellenten Clean- bis gezügelten Crunchsounds und ebensolcher Dynamik. Selbst bei niedrigen Volume-Settings kann er daher seine Klangeigenschaften voll ausspielen, die sich mit den Tone- und Mood-Reglern wunderbar bearbeiten lassen. Zum anderen machen ihn gerade diese klanglichen und dynamischen Eigenschaften zur idealen Pedal-Plattform, die vorbildlich mit Stompboxes aller Art kooperiert. Die Verarbeitung zeugt von jeder Menge Erfahrung, Knowhow und handwerklichem Geschick, weshalb der Single Six problemlos in der Boutique-Liga mitspielen kann. Ein Amp fürs Leben, komplett handmade in Deutschland, weshalb der Preis völlig in Ordnung geht. Durch das Zurücksetzen des Ampchassis um einige Millimeter wird Mario Gebhardt bei künftigen Amps die vorstehenden Schalterhebel gegen Beschädigungen schützen.

PLUS

  • Clean- und Crunch-Sounds
  • Ansprechverhalten & Dynamik
  • Tone- & Mood-Regelung
  • Klang bei Bedroom-Pegeln
  • Nebengeräuscharm
  • Bedienung
  • Handverarbeitung (+++)

MINUS

  • Frontschalter stehen zu weit vor, daher Bruchgefahr (wird zukünftig aber geändert)
On/Off und Standby stehen leicht über den Gehäuserand (Bild: Dieter Stork)


(erschienen in Gitarre & Bass 01/2023)

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