Als Italia-Gitarren vor einigen Jahren auf den Markt kamen, galten sie als billig und kurios, und irgendwie kultig. Das Attribut „billig“ konnte jedoch schnell ad acta gelegt werden, denn im Gegensatz zu den Vorbildern dieser Gitarren, amerikanischen Cheapo-Gitarren der Fünziger- und Sechzigerjahre, sind die Italias vollwertig professionell einsetzbar. Und preisgünstig sind sie trotzdem geblieben.
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Jede Reise braucht einen Reiseleiter, wenn man sich nicht verirren will. Und so hat auch Italia bei der Reise in die Vergangenheit der E-Gitarre einen Reiseleiter gebucht: Trevor Wilkinson, eine der schillernden Figuren des Gitarren-Business, entwickelte die Italia-Designs und stattet sie größtenteils mit seiner Hardware aus.
Konstruktion der Italia Maranello ’61
Das internationale Italia-Programm beinhaltet insgesamt sieben Linien, der deutsche Vertrieb bietet aber nur die beiden wohl erfolgsversprechenden an, die Maranello- und Rimini-Serien. Unsere Maranello ’61 will laut Hersteller einen typischen Semiakustik-Ton in einem sehr kompakten Format anbieten. Dazu hat man den kleinen Mahagoni-Korpus mit seinen typisch-flachen Cutaways und einer Zargentiefe von immerhin 55 mm bis auf einen etwa 100 mm breiten Block, auf dem die beiden Pickups und das Bigsby B5-System sitzen, ausgefräst und mit einer 5 mm starken Fichtendecke verschlossen, in die ein klassisches F-Loch geschnitten wurde. Der Ahornhals ist eingeleimt, der rückwärtige Hals-/Korpus-Übergang ist schön geschmeidig geformt – da eckt man nicht an, nicht mal beim Bespielen des obersten der 22 Bünde! In das Palisandergriffbrett sind Gretschähnliche „Thumbnail“-Einlagen an den üblichen Positionen eingelassen. Decke, Boden und Griffbrett sind mit Vintage-weißem Kunststoff eingefasst, die Medium-Jumbo-Bünde sitzen auf der Einfassung, die an den Bundenden demnach nicht hochgezogen ist. Das spart Zeit und dagegen ist auch nichts einzuwenden, wenn die Abrichtung der Bundenden wie auch der -kronen so gut gemacht ist wie bei unserem Testmodell. Überhaupt ist die gesamte Verarbeitung ohne Fehl und Tadel bis ins Detail. Zwei Wilkinson WHV Humbucker, die mit ihren offenen Kappen wie Kopien der Duesenberg-Pickups Grand Vintage, Crunchbucker etc. aussehen, treten für die Tonwandlung an, die mit einem Fünffach-Megaswitch sowie Master-Volume und -Tone-Potis, die auf einem bananenförmigen Pickguard sitzen, geregelt werden. Das Bigsby-B-5-System in einer preisgünstigen Lizenz-Version will in Verbindung mit der Wilkinson-Roller-Brücke T’O’M das richtige Schimmern am rechten Ort bereitstellen, möglichst ohne viel Verstimmen. Seinen Teil dazu trägt der Kunststoffsattel bei, der aus einem selbstschmierenden Material ist. Auf Locking Tuner hat Italia dagegen verzichtet.
Die Maranello ’61 kommt insgesamt als schmuckes Retro-Paket gut rüber, ihre Verarbeitung ist tadellos und die Spielbarkeit vorbildlich.
Die Italia Maranello ’61 in der Praxis
Gimme some twang! Schon toll, was so ein bisschen Wimmern und Wobbeln so alles ausmacht – ein Bigsby-Vibratosystem macht einfach manchmal den Unterschied! Schön wäre jedoch, wenn man nicht so sehr daran zerren müsste wie hier. Von „smooth“ keine Spur. Und vielleicht ist es ja jetzt an der Zeit, endlich einmal den Herstellern, die solch ein Horseshoe-Bigsby verwenden, zuzurufen, sie sollen dieses doch bitte ca. 1,5 cm weiter Richtung Korpusrand setzen. Denn dann verringert sich der Winkel, in dem die Saiten zur Brücke hin ansteigen, was die Wirkung des Bigsby-Systems deutlich positiv beeinflusst. Es kann dann weicher, direkter und effektiver arbeiten, und nicht so spröde und uneffektiv wie z. B. bei dieser Gitarre hier. Schade, dass es jetzt ausgerechnet die Maranello ’61 erwischt, denn dieses Phänomen lässt sich bei unzähligen anderen Gitarren ebenfalls beobachten, die mit solch einem System ausgestattet sind. Genauso unbefriedigend ist das Handling der Maranello, was die Balance angeht. Dank des kurzen Korpushorns, wo denn auch prompt der Gurthalteknopf befestigt ist, ist die Gitarre sehr kopflastig. So richtig Halt hat sie eigentlich nur, wenn man sie fest unter den rechten Arm klemmt – aber wer trägt denn solch eine Gitarre schon so hoch, so „sackfrei“, wie Bela B sagen würde? Ein rutschhemmender, breiter Ledergurt hilft hier natürlich, aber trotzdem zieht das Gewicht nach links unten. Auch hier eine Empfehlung an den Hersteller: Den Gurtpin hinten in den Halsfuß schrauben! Dann bekommt die Gitarre zwar die leichte Tendenz nach vorne zu kippen, aber man hat ca. 6 cm nach links gewonnen, die die Balance zumindest etwas verbessern würden.
So, wenden wir uns erfreulicheren Dingen zu – dem Sound der Maranello ’61 zum Beispiel. Akustisch kommt dieser eher spröde rüber. Zwar transparent und laut, aber mit relativ wenig Sustain, was zum Teil durch den steilen Anstiegswinkel der Saiten hinter der Brücke in Verbindung mit den Rollen-Saitenreitern bewirkt wird. Am Amp sieht das Ganze jedoch Gott sei Dank anders aus: Laut, hell und klar ist der Klang, der mir als erstes entgegenschallt. Und ein typischer Semiakustik-Ton mit deutlich definiertem Anschlag und einem luftigen, transparenten Sound mit fast schon crispen Höhen. Dazu eine Schaltung, die neben den üblichen Humbucker-Positionen auch zwei Singlecoil-Settings als Kombinations-Sounds bereitstellt. Und diese Sounds, die durch die 25″ lange Mensur (à la Gretsch oder PRS) profitieren, sind alle im besten Sinne retroorientiert. Sie erinnern in ihrer Offenheit an Gretsch, Rickenbacker, aber auch an Singlecoil-Thinline-Klassiker wie ES-330 und Epiphone Casino, wobei hier durch den Sustainblock im Inneren des Korpus die einzigartige Luftigkeit solcher Hohlkonzepte ein wenig geopfert wird – zugunsten einer deutlich stressfreieren Bedienung auch bei höheren Bühnenlautstärken. Denn die Maranello ’61 gehört auf die Bühne, sie ist optisch eine regelrechte Rampensau. Mit einem satten Schlag (Schalter-Stellung 5) landet der Hals-Humbucker im Blues- und Rhythm-Land, voll, klar, ohne Mumpf und doppelten Boden geht es hier zur Sache und es klingt, spielt man entsprechend, sehr nach Stones. Mag man es lieber etwas schlanker, wechselt man zur Schalter-Stellung 4, in der der Hals-Humbucker zum Singlecoil abgehalftert wird. Ein schöner Sound kommt hier zu Gehör, etwas leiser als als Humbucker, aber sehr klar und wendig. Mehr Strat-Blues als Strat-Funk wird hier geboten, mit einer schönen Stimme, die dann noch einmal aufblüht, wenn der Verstärker erste Verzerrungen mit ins Spiel bringt. Mit Jingle-Jangle würde man den Klang der Schalter-Stellung 3, die beide Humbucker kombiniert, nur unzureichend beschreiben. Für mich ist das DER Funk-Sound schlechthin – transparent, klar, brillant, aber ohne zu ätzen, und stets garniert mit dem schmatzenden, fetten Anschlag einer typischen Semiakustik. Das alles bietet auch Schalterstellung 2, nur leiser und heller, und das Brummen ist der Beweis, dass hier die Humbucker wieder als Einzelspuler unterwegs sind – diesmal in Kombination je einer Spule pro Humbucker. Ganz alleine kommt der Humbucker (Schalterstellung 1) vor allem in an- und gezerrten Gefilden voran. Auch hier macht sich der fette Anschlag und der grundsätzlich höhenreiche, transparente Grundcharakter der Maranello sehr positiv bemerkbar, denn der bleibt selbst bei heftigen Verzerrungen stets hör- und spürbar. Satte, cremige Leadlines klingen klasse, und Rock-Riffs mächtig und füllig, aber stets wendig genug, um nicht alles niederzumeißeln. Alle fünf Sounds haben ihre Berechtigung und liefern eine vielseitige Klang-Datenbank, mit der man sich im Spannungsbereich zwischen Beat und Rock souverän bewegen kann.
Resümee
In Maranello/Italien wird viel für die Geschwindigkeit getan, denn hier ist Ferrari beheimatet. Auch die Maranello-Gitarren von Italia scheinen tiefergelegt, denn sie sehen nicht nur windschnittig aus, sondern sie klingen auch irgendwie schnell. Die Maranello ’61 wirkt in ihrer Serie schon ein wenig erwachsen, trotz ihrer Silver Flake Lackierung, denn ein Semiakustik-Konzept bringt immer eine gewisse Seriosität mit sich. Die Sounds der Maranello sind auf jeden Fall erwachsen, deutlich geprägt von dem vielen Hohlraum im Korpus der Gitarre und mit einer Vielseitigkeit gesegnet, die sie für viele interessant erscheinen lassen wird. Allerdings muss man auch bereit sein, die beschriebenen Gegebenheiten, was das Handling angeht, in Kauf zu nehmen. Wer schön sein will, muss leiden – aber gilt dieser Satz auch heute noch?