Ein Kaoss Pad direkt in der Gitarre?! Sowas konnte man bisher nur bei Matthew Bellamy auf diversen Muse-DVDs/Gigs bewundern. Zeiten ändern sich jedoch bekanntlich und so präsentiert Ibanez in diesem Jahr mit der RGKP6 und dem SRKP4 gleich zwei hauseigene Klassiker mit dem neu integrierten Kaoss Pad Mini 2, beide voll mit spacigen Sounds und dabei überaus erschwinglich.
Die Idee von mehreren Effekten direkt in der Gitarre ist eigentlich nicht wirklich neu. Schon in den frühen 60ern hatte die Vox Phantom VI Special neben diversen Boosts, Fuzz und Tremolo auch primitive Percussion-Elemente mit an Bord – für die damalige Zeit sicher revolutionär, aus heutiger Sicht jedoch eher zu belächeln. Gut zehn Jahre später kam parallel zu einigen weniger erfolgreichen Experimenten kleinerer Firmen wie Kay, Fresher und Tempest die vergleichsweise deutlich ausgereifteren Electra-Instrumente mit MPC-Technologie (Modular Powered Circuits) auf den Markt. Das E-Fach dieser Gitarren und Bässe bot Platz für zwei von insgesamt zwölf austauschbaren Effekt-Modulen; mit Peter Frampton und Chris Squire konnte der japanische Hersteller sogar ein paar bekannte Gesichter um sich scharen. Schaut man in die jüngere Vergangenheit, war vermutlich Gibsons Firebird X der letzte ambitionierte Versuch einer Seriengitarre den direkten Zugang zu intuitiv bedienbaren Effekten zu verschaffen, ein Kassenschlager ist jedoch auch diese Axt nicht geworden. Ob der Ibanez Kaoss-Serie das gleiche Schicksal bevorsteht?
Konstruktion
Vermutlich nicht, denn hier wurden gänzlich andere Grundüberlegungen angestellt, als bei den geschichtlichen Vorreitern. Zunächst sind Instrument und Kaoss Pad völlig unabhängig voneinander nutzbar, da das Pad in einer auf dem Instrument montierten Kunststoff-Schale sitzt, aus der es jederzeit mit einem Handgriff entfernt werden kann. Dank eines Mini-Schalters, mit dem sich das Pad bei Bedarf zuschalten lässt, sind beide Instrumente auch ohne Effekteinheit voll funktionstüchtig – man schaltet einfach in die Off-Position. Grundlegend neu ist auch, dass man während des Spielens intuitiv Effekte durch Gesten auf der XY-Fläche steuern kann, ohne mit irgendwelchen Schiebern oder Reglern hantieren zu müssen, dazu aber später mehr.
Als erfahrenes Unternehmen weiß Ibanez, dass das beste Interface wertlos ist, wenn die Instrumenten-Basis nicht stimmt. Zwar ist sowohl die RG als auch der SR aufgrund des niedrigen Verkaufspreises einfach gehalten, mit Mahagoni für den Body und Ahorn für den Hals kommen dennoch bewährte Zutaten zum Einsatz. Anders als man es vielleicht erwarten würde, ist vor allem das Korpus-Holz erstaunlich leicht, sodass man im unverstärkten Betrieb auf einen resonanten, gutmütigen Ton hoffen darf – auch die liegenden Jahresringe der einteiligen Hälse weisen in diese Richtung. Wo sich bei der Gitarre 24 Jumbo-Bünde auf dem dunklen Palisandergriffbrett tummeln, sind es auf dem SR 22 medium Bünde; typisch für die Preisklasse sind die günstigen aber dennoch funktionalen Kunststoffsättel. Auf den passend zum matt schwarzen, hauchdünnen Korpus-Finish lackierten Kopfplatten treffen wir auf sechs bzw. vier geschlossene No-Name-Mechaniken die grundsätzlich problemlos ihre Arbeit tun, lediglich die E-Mechanik des Basses läuft etwas ungleichmäßig. Auch in Sachen Steg setzt Ibanez auf eine nüchtern funktionale Ausstattung: Die beiden zweidimensional justierbaren Blechwinkel bieten neben einer einfachen Handhabung auch eine angenehme Auflagefläche für den Handballen, während sie tonal das traditionellere Klangbild der Holzkonstruktion unterstützen.
Wo der SR mit seinem mittig platzierten Ibanez-Soapbar den nächsten logischen Schritt in Richtung „simpel und vielseitig“ macht, hat die RG mit ihrem einzelnen Klingen-Humbucker im Singlecoil-Format durchaus das Zeug dazu, die Gemüter zu spalten. Spannend wird es bei der Elektronik, denn neben einem Master-Volume-Regler und dem bereits erwähnten Schalter für das Kaoss Pad, haben beide Instrumente noch ein integriertes Overdrive mit eigenen Gain- und Tone-Reglern an Bord. Sinnigerweise lässt sich das Zerr-Aggregat ebenfalls per Mini-Switch zuschalten; versorgt wird die Elektronik durch einen im separaten Batteriefach untergebrachten 9V-Block. Abgerundet wird die üppige technische Ausstattung durch einen Mini-Klinke-Ausgang, welcher gleich neben der normalen Klinke-Buchse montiert ist und das Üben über Kopfhörer ermöglicht. Unterm Strich sind beide Instrumente baulich mit ihren Vettern aus der Gio-Serie vergleichbar, nur dass eben (und das ist ja der Clou!) ein Kaoss Pad integriert wurde.
Kaoss Pad
Der eigentliche Star in diesem Test ist natürlich das Kaoss Pad Mini 2 von Korg. Beworben wird es als flexibler Effektprozessor für die Bühne, DJs und Studioanwendungen. Hierfür verfügt es über Stereo-Miniklinken-Anschlüsse für Line-In und Kopfhörer, mag einen entsprechenden Eingangspegel und kann somit nicht ohne Weiteres in ein Gitarren-/Bass-Rig integriert werden (Ich hatte früher mal ein Kaoss Pad 2 – das Große – auf dem Effektboard, und es war ein ganz schöner Krampf das ordentlich zum Laufen zu kriegen).
Zum Glück hat Ibanez das schon für uns geregelt und wir müssen uns keine großen Gedanken über Vorverstärkungen, Verkabelung oder Ähnliches zu machen: Man steckt einfach die roten und schwarzen Kabel, die aus der Gitarre kommen in das Pad und los geht’s. Gehalten wird der Effektprozessor von einer auf dem Instrument montierten Rückschale; für den Fall, dass man das Gerät auch alleine benutzen möchte, ist eine zweite Schale im Lieferumfang enthalten.
An Features bringt das Pad 100 Effekte mit, drei davon können zum Schnellzugriff auf Presets abgelegt werden. Das Highlight ist natürlich das XY-Pad, mit dem durch ein Wischen mit dem Finger die Effektparameter geändert werden können. Gefällt einem die gefundene Position, so kann diese per „Hold“ eingefroren werden und man hat wieder beide Hände frei zum Spielen. Zudem ist ein MP3-Player integriert, welcher Songs von microSD Karten abspielen kann. Und falls wirklich mal kein Amp zur Hand ist um das Signal zu verstärken, bietet das Pad neben einem Mikro auch einen Lautsprecher.
Und damit ist auch schnell klar, dass die primäre Anwendung nicht in der Verarbeitung von Gitarren-Sounds besteht. Viele der Effekte richten sich eher an DJs, die einen fertigen Mix bearbeiten wollen, doch man muss ja auch nicht alle Effekte nutzen, nur weil man ein Multieffektgerät kauft.
Text: Stefan Braunschmidt, Florian von der Ohe | Fotos: Dieter Stork | Video: Florian von der Ohe