Hmm, eine Ibanez JEM in Sea Foam Green! Das riecht förmlich nach Sommer, Sonne, Strand und Surfen und soll zumindest uns Gitarristen für das entschädigen, was wir 2012 hierzulande mal wieder schmerzlich vermisst haben, nämlich entsprechendes Wetter. Irgendwann müssen die sechs Monate April ja auch mal zu Ende gehen …
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Ibanez spendiert der Steve-Vai-Reihe ein Modell im gewohnten JEM-Design mit Monkey Grip, welches im Premium-Werk Jawa Timur in Indonesien gefertigt wird. Nur knapp € 100 teurer als die günstigste JEM555 punktet die JEM70V zunächst mit amerikanischem Linde-Body, Titan-verstärktem, fünfteiligem Ahorn/Walnuss-Hals, korpusfarbenen Tree-of-Life-Inlays sowie Matching Headstock und versteckt in ihrem rechteckigen Softcase auch noch eine Menge Zubehör.
Konstruktion der Ibanez Premium JEM70V-SFG
Mit ihrem scharfkantigen Korpus, tief geschnittenen Cutaways, schlanken Hörnern, Armschräge und rückseitiger Konturfräsung ist die Gitarre eindeutig der Spezies „RG“ zuzuordnen. Der markanteste Unterschied liegt jedoch in Steve Vais Monkey Grip, der bereits vor 25 Jahren auf der ersten JEM für Aufsehen sorgte. Bis auf die schräg in die Zarge eingelassene Rohrklinkenbuchse hängt die gesamte Elektrik an der Perloid-Schlagplatte – in Fachkreisen scherzhaft auch „Mother-of-Toilet-Seat“ (Klobrillenmutter) genannt. Hinten decken schwarze Kunststoffplatten die Kammern der Vibratofedern und der Klinkenbuchse präzise Oberkante bündig ab. Den aus drei Ahornleisten und zwei Walnussfurnieren gesperrten ultraschlanken Wizard-Hals verstärken Titan-Einlagen, die gleichzeitig die Schwingungsübertragung verbessern sollen. Von vier Schrauben gehalten, ruht der Halsfuß bombenfest in seiner extrem passgenau gefrästen Aufnahme. Das Binding-freie Palisandergriffbrett trägt 24 perfekt verrundete und polierte Bünde, eines der untrüglichen Zeichen für den enorm hohen Verarbeitungsstandard der Premium-Modelle. Wer Ibanez’ traditionelle Tree-of-Life-Ranke aus hölzernem Zweig und farblich abgestimmten Kunststoffblättern nicht zur Navigation verwenden möchte, kann sich immer noch an den weißen Sidedots orientieren. Obwohl Ibanez inzwischen einen Klemmsattel ohne Saitenniederhalter anbietet, kommen bei der JEM70V noch der bewährte (vorzüglich abgerichtete!) Edge-Sattel und der String Bar zum Einsatz, der die Saiten in die Sattelkerben drückt. Ein Perloidplättchen verschließt den Zugang zum Halsjustierstab, präzise arbeitende Ibanez-Tuner komplettieren die Kopfplatte. Da der Sattel mittels durchgehender Schrauben von hinten montiert wurde und auch der Trussrod einiges an Material opfert, verstärkt ein Kragen den sensiblen Übergang zur Kopfplatte.
An je zwei arretierbaren Schraubbolzen und Messerkanten aufgehängt schwebt das Edge-Vibrato in seiner Deckenfräsung. Zwei weiße Kunststoffringe bieten dem einrastenden Steckhebel spielfreien Sitz. Die vertwisteten Saitenenden werden abgeschnitten und mittels Klemmblöcken und Schrauben fixiert. Leistungsstarke DiMarzio-Evolution-Pickups – zwei Humbucker und ein Singlecoil – wandeln die Saitenschwingungen. Verwaltet werden sie per Master-Volume, Master-Tone und Fünfwegschalter. Letzterer aktiviert die Pickups einzeln und kombiniert in den Positionen 2 und 4 den Singlecoil mit den jeweils benachbarten Humbucker-Spulen.
Die Ibanez Premium JEM70V-SFG in der Praxis
Sicherlich haben die meisten Interessierten schon mal eine Ibanez JEM oder RG in der Hand gehabt und konnten sich dabei von den ergonomischen Vorzügen dieses Gitarren-Designs überzeugen. Der ultraschlanke und -flache Hals besitzt eine niedrige Saitenlage, beides kommt flinken Solierern entgegen. Zudem erleichtern die komfortabel bearbeiteten Bunddrähte schnelle Lagenwechsel, und der untere Cutaway bietet zusammen mit dem verrundeten Halsübergang reichlich Platz in den obersten Gefilden. Im Gegensatz zu den teureren JEM-Modellen hat Ibanez auf das Aushöhlen (Scalloping) der letzten vier Bünde verzichtet, da die Bunddrähte ohnehin hoch genug sind. Korrekt eingestellt arbeitet das Edge-Vibrato absolut stimmstabil und nimmt selbst extremste Up- und Down- Bendings gelassen hin. Dreht man jedoch den Vibratohebel im Uhrzeigersinn, erzeugt dessen Arretierfeder Geräusche, die von den Pickups übertragen werden. Ein wenig Maschinenfett schafft hier Abhilfe.
Obgleich das akustische Klangbild mit Ausgewogenheit, Brillanz und strahlender Offenheit daherkommt, wirkt es trotz lebendig und intensiv schwingender Konstruktion ein wenig kraftlos. Dafür wird der variabel und ausdrucksstark agierende Spieler mit direkter, spontaner Ansprache, rekordverdächtiger, spritziger Tonentfaltung und standfestem Sustain belohnt.
Der Singlecoil liefert deutlich weniger Output als die beiden Humbucker, was sich natürlich auch auf die Lautstärke der Spulenkombinationen auswirkt. Wechselt man also von diesen zu den Humbuckern, steigt der Pegel sprunghaft an. Mühelos sind die DiMarzio-Pickups in der Lage, dem bescheidenen Fundament des akustischen Klangbildes auf die Sprünge zu helfen. Am zerrfreien Amp glänzen sie mit klaren, frischen und transparenten Sounds. Der Steg-Humbucker dringt knackig und klar ans Ohr, zeigt neben ausgeprägten Mitten auch ausreichend Präsenz und ein breites Obertonspektrum, kann je nach Saitenanschlag auch aggressiv beißen und gibt sich im Zerrbetrieb trotz zunehmender Kompression dynamisch und durchsetzungsfreudig. Zudem punktet er mit lang anhaltendem Sustain, bei dem einzelne Noten spontan in ihre Obertöne wechseln. Sein Gegenüber kommt derweil bluesig, glockig und rund, artikuliert präzise und verliert selbst bei High-Gain-Sounds kaum von seiner Transparenz und Vitalität. Einzeln aktiviert, steuert der Evolution-Einspuler den bekannten glockig perlenden Klang bei, den wir von der Strat kennen. Als eher eigenständig lassen sich indes die Kombinationen der Humbucker-Spulen mit dem Singlecoil beschreiben, die zwar glockige Frische mit ausreichend Höhen liefern und auch das typische Näseln erkennen lassen, unterm Strich jedoch Charakter vermissen lassen.
Mit steigender Zerrintensität und der damit verbundenen zunehmenden Kompression verringern sich die Leistungsunterschiede der Pickups. Neben den Humbuckern geben sich auch der Singlecoil und die beiden Spulenpaarungen erfreulich nebengeräuscharm. Beide Potis besitzen gleichmäßige Regelcharakteristik, sodass sich Klang, Lautstärke und Verzerrungsgrad präzise und feinfühlig steuern lassen. Ein Kondensator am Volume-Poti verhindert Höhenverluste beim Zurücknehmen.
Resümee
Ibanez’ Premium-Konzept scheint offenbar voll aufzugehen, denn die „kleine“ JEM muss sich keinesfalls hinter ihren deutlich teureren Schwestern verstecken. Sie ist Beweis dafür, dass auch in Indonesien aus sehr guten Hölzern und hochwertiger Hardware erstklassige, vorbildlich verarbeitete, vor allem aber bezahlbare Gitarren entstehen. Nicht zuletzt garantiert die penible Endkontrolle des Vertriebs, dass die Instrumente auch im Topzustand in die Läden kommen. In ihrem poppigen meerschaumgrünen Gewand ist die JEM70V optisch ein echter Leckerbissen und empfiehlt sich dank leistungsstarker DiMarzio-Humbucker primär den Starkstromsolisten.
Ein Tipp für Interessenten: Im Zuge der Aktion „Ibanez Premium Deal of the Summer“, die am 30.9.2012 endet, spendieren Meinl Distribution und teilnehmende Händler dem Käufer eines Premium-Instrumentes ein Zehner-Pack D’Addario EXL110/EXL120 E-Gitarren- bzw. EXL160/EXL165 Basssaiten. Mehr dazu auf der Meinl-Website.