Des Großmeisters großer Bruder

Hughes & Kettner Grandmeister Deluxe 40 im Test

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Hatte uns Hughes & Kettner doch mit dem Grandmeister 36 schon gezeigt, was alles aus der guten alten Röhrentechnologie herauszuholen ist, so setzen sie jetzt noch einen drauf.

(Bild: Dieter Stork)

Ich kann mich noch gut an die Präsentation des Hughes & Kettner Coreblades auf der Musik-Produktiv-Hausmesse erinnern. Ein gut gelaunter Jeff Waters präsentierte damals wort- und riffreich, wie man einen Vollröhrenamp spielen und gleichzeitig 128 Presets und digitale Effekte zur Verfügung haben kann. Ziemlich coole Idee und seitdem konstant weiterentwickelt.

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Das empfand auch Kollege Roesberg im Dezember-Test des Jahres 2013 so und verlieh dem später entwickelten Grandmeister 36 satte 10 Pluspunkte in der Endabrechnung. Nun steht mit dem Grandmeister Deluxe 40 die nächste Inkarnation zum Test bereit und wartet nicht nur mit einer größeren Modellnummer auf. Doch von vorne:

Edles, praktisches Gehäuse

Man kann es lieben oder hassen, aber man muss H&K zugestehen, dass ihre Amps immer schon ein eigenes, selbstständiges Design auf die Bühnen der Welt brachten. Und unstrittig gut ist die Anmutung und Verarbeitung beim Grandmeister Deluxe 40 ausgefallen. Das fängt schon bei der smarten Hülle an, welche mitgeliefert wird. Diese lässt sich an der Seite öffnen und nicht – wie etwa bei den kleinen Orange Amps – oben. Der Amp verfügt passend dazu über sehr angenehme und wiederum schicke Griffe an den Seiten. Dabei ist er doch gar nicht so schwer – aber so wird das Handling wirklich zum Kinderspiel.

Betrachtet man den Grandmeister Deluxe 40 von vorne, so ist er kaum von seinem kleinen Bruder zu unterscheiden. Es finden sich ein Dreiband-EQ, Volume, Gain und Boost, sowie ein Master-Poti, Presence und Resonance für die Endstufe. Der Reverb hat sein eigenes Poti bekommen, die anderen Digitaleffekte (Delay, Chorus, Flanger, Phaser, Trem) lassen sich nach einem Knopfdruck über die Regler des Kanals einstellen. Auf der Front können noch das Noise-Gate und der FXLoop geschaltet werden. Zudem befindet sich ein präsentes Poti auf der rechten Seite, mit dem man die Kanäle/Presets wechselt.

Auf der Rückseite finden wir die bekannten MIDI-Anschlüsse, den Effekt-Loop, den Line-Out (für eine weitere Endstufe), den Einsteller für das Noisegate, die Anzeige der Tube Safety Control (TSC), den eingebauten Powersoak und natürlich den Speaker-Anschluss. Auch das kennen wir alles vom Grandmeister 36. Doch hier finden wir noch ein entscheidendes Detail mehr: eine überarbeitete Version der Red Box, also eine Möglichkeit, das Signal – direkt mit Boxensimulation versehen – an ein Mischpult oder zum Recording zu schicken. Womit wir dezent zu den Unterschieden zwischen Grandmeister 36 und 40 überleiten.

40 ist einfach 4 besser!

Die überarbeitete Red Box ist wohl die augenscheinlichste Änderung. Kann man bei der letzten Version des Amps nur zwischen Classic- & Modern-Modi wählen, so hat man hier deutlich mehr Möglichkeiten. Einer der Regler schaltet (nach wie vor) zwischen vintage und modern, ein weiterer zwischen der Simulation einer kleinen und einer großen Box. Während die Vintage-Simulation eher warm und leicht bedeckt klingen soll, fügt das Modern-Setting eher „honk“ und Durchsetzungsfähigkeit hinzu. Die Small- & Large-Parameter sollen die eher komprimierenden Eigenschaften einer kleinen Box den offenen und bassstärkeren Sounds einer großen Box entgegenstellen. Sehr durchdacht ist hier, dass man nun auch zwischen Line- und Mic-Level umschalten kann. Nicht zuletzt freut mich, dass es auch die Möglichkeit gibt, die Simulation auszuschalten. So kann man dennoch einfach per XLR-Kabel aufnehmen und im Anschluss eigene Boxensimulationen im Rechner drüberlegen.

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(Bild: Dieter Stork)

Die zweite Änderung ist eine überarbeitete App. Diese wurde in erster Linie in der Bedienbarkeit optimiert und erlaubt es zudem Besitzern eines Grandmeister 36, ihre bestehenden Presets zu importieren. Durch den globalen Power Amp EQ ist es nun auch möglich, die Einstellungen für Presence und Resonance global festzulegen. Smartes Setting! Last but definitely not least wurden auch die Sounds des Amps grundlegend überarbeitet. Sie lehnen sich nun an das aktuelle Hughes & Kettner Flagschiff, den Triamp MK III (Testbericht in Ausgabe 04/2015) an. Genug Theorie also und jetzt endlich Box und Gitarre dran.

Technische Raffinesse mit authentischen Sounds

Ohne auch nur ein Wort der Bedienungsanleitung zu lesen, schließe ich den Amp an und schalte ihn ein. Und wen wundert es: Der Grandmeister verhält sich sowohl im Sound als auch im ersten Handling genau wie man es von einem guten Röhrenamp erwartet. Man stellt genüsslich seine Sounds ein, spielt ein wenig und wechselt dann mittels des großen Potis den Kanal. Das kennt man von anderen Herstellern (und natürlich auch aus eigenem Hause). Zunächst war ich dem Irrglauben aufgesessen, dass die Kanäle schlecht aufeinander abgestimmt wären. Dann wurde mir klar: Nein! Der Amp hat keine gemeinsame Klangsteuerung für die Kanäle, die speichert er einfach pro Kanal ab. Das hat natürlich zur Folge, dass die aktuelle Stellung der Potis nicht das tatsächliche Preset abbilden. Hat man das verstanden, so lässt sich der Amp bedienen wie jeder andere Röhrenamp auch. Sound einstellen – glücklich sein. Nur eben, dass man hier Sounds speichern kann. Und nicht nur vier, nein.

Schließt man das passende MIDI-Board an, so erhält man neben den praktischen Umschaltmöglichkeiten, die ein solches Board mit sich bringt, auch gleich noch die Möglichkeit 128 Presets zu speichern. Somit kann man ganz easy 128 verschiedene Sounds, mit anderen Kanälen, EQ Einstellungen, Effekten und Weiterem abrufen. Die Zielgruppe dürfte somit klar sein: Röhrensound geht dir über alles, aber du schielst schon manchmal zu deinem Kollegen mit seinem Axe-Fx oder Kemper, weil er einfach ein Preset pro Song speichern kann? Du suchst authentische Vintage- und Modern-Sounds und strebst gleichzeitig nach der unglaublichen Leichtigkeit des Seins in der die Effekte inklusive sind, du Presets per Internet versenden kannst und mit einem Amp und MIDI-Board eigentlich alles für den Gig dabeihast? Willkommen beim Grandmeister Deluxe 40!

Die Sounds überzeugen auf ganzer Linie. So hielt mich schon der Cleankanal eine lange Zeit gefangen. Angereichert mit einer Prise des hauseigenen Reverbs, ergeben sich hier wunderbar tragende Sounds, die man mittels EQ aber auch einfach in eine harsche, sehr direkte Richtung verbiegen kann. Schon hier wird deutlich, welch weiten Regelweg die Potis aufweisen. Und was heutzutage schon fast besondere Erwähnung verdient: Hier liefert der Clean Kanal wirklich bis in hohe Lautstärken ein rein cleanes Signal, ohne schmutzige Anteile. Dafür hat man ja aber auch noch drei Kanäle übrig.

Der Crunch Kanal schließt elegant dort an, wo der Clean aufhört. In niedrigen Gain-Einstellungen kann er ohne Weiteres noch Clean-Sounds liefern. Dreht man den Regler weiter hoch, so ergeben sich angeraute Sounds, welche sofort an alte, härter angefahrene Röhren-Combos denken lassen.

Schaltet man in diesem Kanal den eingebauten Boost hinzu, so kommt man in ein Gefilde, welches mich persönlich schnell in die Zeit der schwedischen Alternative- Invasion zurückversetzt. Hart übersteuerte alte Fenders senden ihre Grüße von den Bühnen dieser Welt. Ab dem Lead Kanal wird es wirklich schmatzig. Doch Obacht: dieser Channel ist ohne Boost nichts für jeden. Während viele moderne Amps den Ausdruck des Spielers unter ihrer Kompression begraben, scheint es sich Hughes & Kettner hier zur Aufgabe gemacht zu haben, einen kompromisslos dynamischen Sound zu liefern. Damit geht einher, dass man gut mit seiner Gitarre umgehen können muss – hört man nun doch die kleinsten Schwankungen in der Tonformung. Aktiviert man hier den Boost, so trägt der Ton deutlich mehr und man kann satte, volle Leads abfeuern. Es würde mich nicht wundern, wenn viele Freunde des Classic- Rock und Konsorten diesen Kanal sowohl als Rhythm, als auch als Lead (dann geboostet) nutzen würden.hughes-kettner-grandmeister-deluxe-40-screenshot

Der Ultra Kanal schließlich legt noch eine Schüppe drauf. Hier befinden wir uns in modernen Gain-Regionen. Man findet noch immer haufenweise Amps, welche mehr Gain liefern, keine Frage. Aber hier beschlich mich das Gefühl, dass die Ingenieure bei H&K eher Band- und Sound-dienlich gedacht haben. Selbst in Maximalstellung des Gain-Potis dürfte man sich im Mix noch hören. Alle Kanäle unterscheiden sich deutlich voneinander und haben eine ganz klare Daseinsberechtigung. Würde man nur einen der Kanäle in einen Combo stecken, so könnte man diesen ohne Probleme ebenso verkaufen. Das Schöne ist ja: Hier wird fast jeder Soundwunsch effektiv abgedeckt und kann durch die Steuerung problemlos innerhalb eines Sets genutzt werden.

Hierzu bietet H&K das FSM 432 MK III MIDI-Board an. Dieses lässt sich wie ein gewohntes MIDI-Board nutzen, schaltet also Kanäle, Bänke und Tap-Tempo. Allerdings kann es auch in einen Stompbox- Modus versetzt werden. Jetzt hast du vier schaltbare Sounds, bei denen du jeweils Mod, Delay und Boost einzeln zu- und abschalten kannst. Eine coole Idee und wirklich nicht weit von einem realen Board entfernt. Da das Board auch direkt vom Amp mit Strom versorgt wird, spart man sich die Suche nach der Steckdose vorne auf der Bühne. Zum Test wurde uns auch das WMI-1 Interface zur Verfügung gestellt. Hängt man dieses zwischen das MIDI-Board und den Amp, so kann man alle Funktionen auch kabellos per iPad steuern. Die passende App gibt es kostenlos. Die Soundfindung am Amp selbst ist ja schon spielend einfach. Die App bietet den Vorteil, alle Parameter des Presets zu sehen und die Gesamtheit der Presets einfach verwalten zu können.

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(Bild: Dieter Stork)

War es das nun an klugen Ideen? Natürlich noch nicht. Durch die Leistungsreduzierung kann man den Amp leiser spielen und die Röhren dennoch hart fordern. So ergibt sich der charakteristische Sound von Endstufenzerre schon bei (erhöhten) wohnungskompatiblen Lautstärken. Besonders cool: Spielen, ohne dass der Amp ein Signal ausgibt. Warum man dies tun sollte? Damit man auch nachts um drei mit Baby im Nachbarzimmer noch echten Röhrensound aufnehmen kann. Einfach ein XLR-Kabel in die eingebaute Red Box und ab in den Computer bei null Außenlautstärke. Die Red Box von H&K gibt es immerhin seit dem Jahr 1989 und so kann man fast schon behaupten, sie sei mittlerweile der Industrie-Standard schlechthin.

Ein Freund von mir hatte vor etlichen Jahren mal eine der ersten Versionen, und was da rauskam war gelinde gesagt „ganz ok für unsere Demos“. Doch wie man nicht zuletzt an Produkten wie dem Grandmeister sieht, ist H&K eine Firma, die wirklich um Innovationen bemüht ist, und so hat sich auch die Red Box stetig weiterentwickelt. Im Test-Amp steckt dementsprechend eine Boxensimulation, welche es so auch nicht einzeln zu kaufen gibt. Diese bietet nicht nur mehr Möglichkeiten als zuvor, sie klingt auch verdammt gut. Mit diesem Zusatz wird der Amp tatsächlich zur Allzweckwaffe. Und selbst wenn man den Red-Box-Sound nicht mögen sollte, kann man immer noch bei null Lautstärke per XLR das Signal des Amps abgreifen und eigene Boxensimulationen drauflegen.

Resümee

H&K strebt offensichtlich nicht nur danach, vieles richtig, sondern auch konstant alles besser zu machen. So war der Grandmeister 36 schon ein tolles Gerät, wird aber vom Grandmeister Deluxe 40 nochmal getoppt. Egal ob auf der Bühne, im Probenraum oder zu Hause beim Recording – in diesem Amp kann man seinen stetigen Begleiter finden. Die Röhrensounds sind vielfältig und decken ein großes Spektrum ab. Dabei bleiben sie jedoch immer der leicht Vintage-angehauchten Linie treu und klingen eben genau so, wie man sich das von einer Schaltung ohne Transistoren und digitale Prozessoren wünscht. Aber die sind natürlich auch drin und verhelfen dem Amp zu vielfältigen Schaltungs- und Speichermöglichkeiten, sowie sehr brauchbaren Digitaleffekten. Mischt man diese dezent hinzu, ergänzen sie den Sound auf einfache Weise ungemein. Eine klare Antestempfehlung für alle, die ihre Finger nicht vom Vollröhrensound lassen können, aber dennoch nicht auf die Flexibilität von Digitallösungen verzichten wollen.

Plus

  • Sounds
  • Bedienung
  • Vielseitigkeit
  • MIDI-Board
  • App
  • Red Box (Speakersim)

Powersoak


 

Übersicht

Fabrikat: Hughes & Kettner

Modell: Grandmeister Deluxe 40

Typ: 4-kanaliger E-Gitarrenverstärker in Vollröhrentechnik mit Digitaleffekten, Powersoak und Speakersimulation

Röhrenbestückung: 3x 12AX7 (Vorstufe), 4x EL84 (Endstufe)

Leistung: 40 Watt

Anschlüsse: Input, FX-Loop, Line-Out, RedBox (Speakersimulation), Speaker (8-16 Ohm)

Regler: Master, Presence, Resonance, Reverb, Treble, Mid, Bass, Volume, Gain, Noise-Gate (Hard/Soft)

Schalter: Power, Standby, Store, FX-Access, Noise-Gate, FX-Loop, Boost, 4- Kanal-Switch, RedBox: [Vintage/Modern, Small/Large, Line/Mic, Off/On], Power- Soak: [20W, 5W, 1W, Aus], AES

Effekte: Reverb, Delay, Chorus, Flanger, Phaser, Tremolo

Einschleifweg: ja, 6,3 mm Mono-Klinke

Gewicht: 7,7 kg

Größe: 445 x 170 x 150 mm

Zubehör: Tragetasche, Stromkabel; optional: FSM 432 MKIII (ca. 196), WMI 1 (ca. 201)

Internet: www.hughes-and-kettner.com

Preis (UVP): ca. 1426

 

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(erschienen in Gitarre & Bass 10/2016)

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