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Headrush Pedalboard im Test

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Headrush

Seien wir mal ehrlich: Die Vielfalt von Modelern wollen viele, doch die veralteten Taschenrechner-Displays und Menüs, die sich über 10 Seiten erstrecken, müssen doch heute nicht mehr sein, oder?

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Dies schien auch die Maxime bei der Kreation des neuen Headrush Pedalboards zu sein. Das Kernstück bildet eindeutig das große 7″ Farbdisplay mit Touch-Bedienung. Sieht schick aus, hilft ungemein bei der Bedienung und zeigt einem auch live ganz deutlich, was man gerade vor sich hat.

Software-seitig baut das Gerät auf dem Eleven Rack von Avid auf und nutzt die dort verwendeten Simulationen in einer „HD Expanded“-Version. Durch einen Quad-Prozessor soll auch endlich echtes Gapless-Switching möglich sein. Und das alles zu einem vertretbaren Preis.

HARDWARE UND VERARBEITUNG

Dass der erste Eindruck zählt, wissen natürlich auch die Headrush-Macher. Und so haben sie sich wohl dazu entschieden, diesen sehr positiv zu besetzen: Das Gerät ist groß und schwer, und wirkt so äußerst robust. Durch das ausladende Stahl-Chassis bringt es ca. 7,5 kg auf die Waage. Wirklich jeder Switch und Schalter an diesem Gerät wirkt passend und stellt auch haptisch ein Highlight dar. Nichts wackelt, alles ist angenehm schwergängig und die Regelwege sind sinnvoll und praxisnah gewählt. Neben dem großen Display bietet das Headrush über jedem der zwölf Fußschalter ein eigenes OLED Panel, in dem Namen von Presets oder Effekten angezeigt werden können, so wie einen LED-Strip, welcher per Farbkodierung schnelle Orientierung im Live-Chaos geben kann. Ein weiteres OLED-Display finden wir über dem Expression Pedal.

Mit Anschlussmöglichkeiten ist das Headrush gut ausgestattet und bietet unter anderem einen Eingang für ein weiteres Expression Pedal, einen Aux-In zum Zuspielen von Sounds, XLR und Klinke Outputs, wobei Letztere in ihrem Gain auf Line oder Amp angepasst werden können – und einen Kopfhörer Anschluss. Zum Einschleifen weiterer Effekte stehen Stereo Send- und Return-Buchsen zur Verfügung, welche zwischen Rack- und Stomp-Modus umgeschaltet werden können. Schließlich gibt es natürlich noch MIDI In und Out, so wie einen USB-Anschluss, der es ermöglicht, Presets oder neue Firmware auf das Gerät zu spielen oder es direkt als Audio-Interface zu nutzen.

ENDLICH EINE WÜRDIGE BEDIENUNG

Wir Gitarristen sind ja eher traditionell eingestellt und lieben unsere Instrumente aus den 60ern. Doch warum dieser Trend auch bei modernster Modeling-Hardware anhält, erschließt sich mir nur zum Teil. Vermutlich eine Mischung aus der Anforderung des Marktes und der Schwierigkeit, passende Komponenten für einen langen und harten Tour-Betrieb zu finden.

Jedenfalls haben wir nun endlich mal ein Gerät mit einem großen, farbigen Display vor uns, welches per Touch bedient werden kann. War das Line 6 Helix schon ein Schritt in die richtige Richtung, so macht es das Headrush nun richtig konsequent. Mit einer angenehmen Mischung aus Potis mit Druckfunktion und der Touch-Bedienung fühlt man sich sofort zu Hause. Effekt einschalten? Einfach auf den Hardware-Switch oder den Effektswitch auf dem Display drücken. Dein Reverb soll lieber hinter den Amp? Kein Problem. Wie vom Smartphone gewohnt, geht das in Sekunden per Drag & Drop. Du willst die Parameter eines Effekts ändern? Einfach ein Doppeltipp auf die Simulation und schon ändert sich das Kontextmenü für Soundänderungen oder den Austausch gegen ein anderes Modell. Und kannst du dir vorstellen, wie praktisch es nun ist, endlich mal eine vollwertige virtuelle Tastatur zur Benennung von Presets zu haben?

Aber auch die Hardware-Potis haben eine sinnvolle Funktion. So bietet jeder Block seitlich am Display drei Parameter, welche direkt mit den Potis daneben beeinflusst werden können. Ein Tipp auf das Display und schon erscheinen die nächsten drei Parameter für den Effekt. Und wenn dir mitten im Gig auffällt, dass du den Delay-Mix falsch eingestellt hast, dann wechselst du einfach in den Hands-Free-Mode. Nach Gedrückthalten des Tasters für einen Effekt kannst du all seine Parameter per Expression-Pedal in Echtzeit regeln, ohne dich bücken zu müssen.

Das Alles geht wirklich so schnell und intuitiv, dass man eigentlich gar keine Bedienungsanleitung benötigt. Doch diese ist tatsächlich gut geschrieben und erklärt beispielsweise die verschiedenen Schaltmodi. So kann man das Headrush im Stomp-Modus als Pedalboard-Ersatz nutzen und hat mit jedem Schalter Direktzugriff auf einen Effekt, beziehungsweise den Amp und die Box (falls du die schon immer mal per Fußschalter abschalten wolltest … ). Im Rig-View kannst du traditionell zwischen Presets schalten, und beim Hybrid-View liegen Rigs auf den oberen und Effekte auf den unteren Schaltern. Die beiden Schalter ganz rechts sind hierbei jeweils immer für den Looper und Tap/Tuner reserviert.

Zuletzt bleibt noch der Setlist-Modus. Hier kannst du dir bestimmte Rigs für einzelne Gigs zusammenstellen und musst dann nicht lange nach ihnen suchen. Die Farben, die die einzelnen LED-Strips für Rigs oder Effekte anzeigen, sind frei wählbar, ebenso wie natürlich die Namen der Rigs. Effekte lassen sich leider nicht umbenennen, aber daran wird man sich schnell gewöhnen. Sind die Effekte ausgeschaltet, so leuchtet die LED dennoch schwach in der gewählten Farbe. Sehr hilfreich, um auf der Bühne nicht den Namen lesen zu müssen. Eigentlich würde ich sagen, dass das Headrush die optimale Bedienung gefunden hat. Allerdings kenne ich ja auch das Line 6 Helix und dessen kapazitative Fußschalter, die eine direkte Anwahl des Effekt(- Menüs) schon bei Berührung ermöglichen, sind schon ein cooles Feature.

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AMPS, EFFEKTE, SOUNDS

OK, dass die Bedienung das aktuelle Highlight des Marktes darstellt, haben wir nun geklärt. Doch wie sieht es unter der Haube aus? Dort verrichten vier Prozessorkerne ihren Dienst und das hat auch seinen Grund. Abgesehen davon, dass ich vermute, dass die HD-Versionen der Eleven Simulationen mehr Rechenleistung benötigen, haben wir hier tatsächlich mal wieder ein Gerät, welches Gapless Switching beherrscht. Sprich: Wenn ich das Preset/Rig wechsle, während mein Reverb und Delay aktiviert sind, so hat das keine Auswirkung auf den Effekt und er klingt in Ruhe aus. Bei anderen Geräten ist das schlicht nicht möglich, weil entsprechende Berechnungen erfordern würden, dass der Prozessor diese weiter bearbeitet.

Beim Headrush lassen sich Presets ohne hörbare Pause und mit Ausklingen der alten Effekte umschalten. Lediglich dem grafischen User Interface sieht man an, dass hier doch einiges geleistet werden muss, und so wird das neue Preset erst nach kurzer Verzögerung komplett dargestellt – was uns, die wir ja mehr am Sound interessiert sind, zum Glück völlig egal sein kann.

Mit 34 Verstärkern, 15 vorinstallierten Boxen, 10 Mikros und 46 Effekten ist der Modeler gut ausgestattet, liegt allerdings deutlich unterhalb dessen, was ein Line 6 Helix, oder erst Recht ein Fractal Audio AX8 bietet. Dennoch werden die wichtigsten Bereiche abgedeckt, es finden sich diverse Fenders, Marshalls, sowie Amps von Vox, Mesa oder Soldano. Mit dem 69 Blue Line Scoop und dem Blue Line Bass befinden sich auch Bass-Amps in der Auswahl, die ihren Spielpartner in der 8×10 Blue Line Box finden. Eigentlich würde ich heutzutage sagen, dass 15 Boxensimulationen deutlich zu wenig sind, aber dank zuladbarer Impulsantworten ist man hier ja auch nicht mehr auf den Hersteller angewiesen und kann sich frei aussuchen, worauf man seinen Schwerpunkt legen möchte. Die mitgelieferten Modelle reichen von 1×8 bis 8×10 und decken klanglich überzeugend die wichtigsten Bereiche ab.

Warum man sich dafür entschieden hat, nur sechs Distortions, aber gleich acht Rotarys zu integrieren, erschließt sich mir wiederum nicht, aber manche User wird es sicher freuen. Bei den EQs zeigt sich dann eine der ganz wenigen Schwächen des User Interfaces: Bei einem parametrischen EQ ist es dann doch recht suboptimal, nur drei Parameter auf einmal sehen zu können, zumal es schön gewesen wäre, wenn der Frequenzverlauf optisch dargestellt werden würde. Gleiches gilt natürlich für einen optischen EQ, bei dem es sich ja nahezu aufdrängt, ihn auch per Touch bedienen zu können. Eine sehr gute Idee wiederum zeigt sich nach der Auswahl eines neuen Effekts: Man wird gefragt, ob man ihn gerne in Standard-Settings, oder mit Voreinstellungen laden will. So kann ein Tube Screamer beispielsweise auch direkt als Smooth, Warm oder Full eingestellt geladen werden. Sicherlich praktisch, wenn man mal eben schnell was ausprobieren möchte.

Soundmäßig weiß das Headrush immer zu überzeugen. Sowohl über Monitorboxen (Adam A7X), als auch vor einer Endstufe über eine echte Box mit Celestion V30 und ebenso als reines Effektgerät vor meinem Earforce macht das Gerät eine hervorragende Figur. Die Ampmodels unterscheiden sich deutlich voneinander und man erkennt in jeder Situation das Vorbild. Auch die Dynamik und der Umgang mit komplexeren Akkorden sind gut ausgeprägt, wenn auch meinen Ohren nach etwas unterhalb dessen, was Fractal Audio zu bieten hat. Ähnlich verhält es sich mit den Delays und Reverbs. Diese klingen in anderen Geräten einfach noch ein kleines bisschen besser. Nichts, was man noch hören würde, wenn man erst mal mit der ganzen Band einsteigt, geschweige denn live spielt, aber dennoch vorhanden. Leider habe ich das Line 6 nicht mehr zu Hause, um die Geräte direkt zu vergleichen, meinem Axe Fx II XL muss sich das Headrush aber leider in der Sound-Disziplin geschlagen geben – was wohl zu verkraften ist, wenn man den Preisunterschied bedenkt.

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FAZIT & KONKURRENZ

Wow, endlich hat man das Gefühl, dass sich mal so richtig was tut auf dem Markt der Multieffekte. Klar, es gab schon mal das Digitech iPB-10 Programmable Pedalboard, bei dem man ein iPad einstecken konnte und so auch einen Touchscreen hatte, aber sonst … Auch die echte Spillover Funktion gibt es nur sehr selten. Dies, kombiniert mit den sehr guten Sounds, erlaubt es dem Headrush Pedalboard, sich in die Riege von AX8 und Helix einzureihen. Dabei würde ich es ganz persönlich so sehen: Das Headrush bietet die schnellste und intuitivste Bedienung, liegt allerdings – was die Auswahl an Amps etc. angeht und vom Sound her – etwas hinter der Konkurrenz.

Das Helix (ca. € 1450) stellt den gesunden Mittelweg dar: Er lässt sich auch super bedienen und verfügt ebenso über ein angemessen großes Farbdisplay, allerdings ohne Touch-Funktion. Das AX8 (€ 1499, ohne Expression Pedal, bzw. natürlich das Axe-Fx II) ist weit vorne, was die Modellauswahl und die Updates angeht, und kann sich auch vom Sound her noch seine Krone bewahren. Nach etwas Einarbeitung kommt man auch fast genau so schnell zu seinen Presets wie bei den Konkurrenten, aber das alte Taschenrechner-Display schmerzt mich jedes Mal mehr, wenn ich tolle Geräte wie das Headrush testen darf.

Wenn man aus Budget-Gründen Richtung Headrush schielt, so sei noch der Helix LT erwähnt. Mit rund € 825 legt er die Hürde noch ein wenig niedriger, ihm fehlen aber auch die tollen Scribble-Strips, bzw. OLED-Panels. Das Headrush ist dementsprechend intelligent und passend im Markt platziert. Ich bin sicher, dass es seine Anhänger finden wird und hoffe auf ein paar Firmware Updates, die die Modellauswahl noch etwas erweitern.

PLUS

  • User Interface
  • Touchscreen
  • intuitive Bedienung
  • Sounds

Headrush


(erschienen in Gitarre & Bass 01/2018)

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