Der Größste unter den Zwergen

Großgnom: Warwick Gnome i Pro 600 im Test

Anzeige
(Bild: Dieter Stork)

Der Neustart bei den Basstopteilen fiel bei Warwick klein und handlich aus, dafür mit umso größerem Erfolg: Die Gnomes erfreuen sich anhaltender, großer Beliebtheit. Kein Wunder, kombinieren sie doch sinnvolle Ausstattung, sauberen Ton und gute Leistung mit einem Gigbag-freundlichen Format.

Ganz so zwergenhaft wie seine beliebten kleinen Brüder ist der neue Gnome i Pro 600 nicht mehr, in Sachen Preis-Leistung sowie Leistungsgewicht aber dennoch sehr vielversprechend.

Anzeige

AUFBAU

Die Familienähnlichkeit ist beim größten Zwerg gegeben, was schon beim Äußeren anfängt. Auch hier bekommt das eigentlich schwarze Metallgehäuse eine Ober- und Unterschale aus Metall in gebürsteter Aluoptik verpasst. Ein größeres Gehäuse bietet mehr Platz, auf der Front zum Beispiel für einen zusätzlichen Regler. Los geht es wie gehabt mit der Buchse für den sehr hochohmigen und damit detailfreudigen Eingang, gekoppelt an einen Gainregler samt Sig(nal)-LED. Auf den Bassregler folgen dann aber gleich zwei Mittenregler für einen tieferen und einen höheren Bereich. Treble und Master kennen wir wieder, genauso wie die Aux-Buchse im Miniklinkenformat, die auch der i Pro V2 hat, und die Kopfhörerbuchse als 6,35mm-Klinke, die alle Modelle zu bieten haben.

(Bild: Dieter Stork)

Auch der Platz auf der Rückseite wurde genutzt: Statt einer Klinkenbuchse gibt es gleich zwei Speaker-Twist/Klinken-Kombibuchsen für sicheren Signaltransport. Neu ist auch ein Effektweg mit Send und Return. Eine extern zugängliche Netzsicherung ist eine willkommene Addition zum Stromanschluss per Kaltgerätestecker. Darüber sitzt der Netzschalter. Mittels (abgedecktem) Schalter kann der Amp auch an 100-120V betrieben werden, es muss nur auch die Sicherung getauscht werden.

Der DI-Ausgang ist wie üblich als XLR-Buchse ausgeführt, mit einem Schalter für den Ground-Lift zur Unterbrechung von Brummschleifen. Das Signal wird dabei immer Post-EQ abgegriffen, aber vor dem Master. Für ein komplett unbeeinflusstes Signal muss auf eine externe DI-Box zurückgegriffen werden. Für die Nutzung als Interface gibt es zu guter Letzt eine USB-B-Buchse. Ein qualitativ hochwertiges USB-Kabel und ein langes Netzkabel liegen bei.

Während die kleinen Zwerge bequem in eine Fronttasche am Gigbag passen, ist der i Pro 600 dafür etwas groß geraten. Zum Zeitpunkt dieses Tests empfiehlt Warwick auf der Produktseite eine hauseigene Rockbag-Tasche – vertut sich aber leicht in der Größe. Klassischer Copy/Paste-Fehler, den einige Online-Shops übernommen haben. Die kleinen Gnome passen in die No. 1, der 600er braucht eher No. 4. Gleich eine Tasche mit einzuplanen ist ansonsten eine gute Idee, Rackwinkel für die Montage in einem Rack sind nicht vorgesehen.

Soundcheck und Resümee auf Seite 2

WIEDERGABE

Zum Betrieb meldet sich der Gnome einerseits mit einem leichten Schaltgeräusch und einem dezent laufenden Lüfter, andererseits dadurch, dass die Front zwischen den Metallschalen auf ganzer Breite in einem angenehmen Blau erstrahlt. Da sieht man nicht nur auf der dunkelsten Bühne jede Buchse und jeden Regler, es gibt dem Verstärker auch noch ein unverwechselbares Gesicht. Gefällt mir sehr gut! Bei den kleinen Gnomes ist der Eingang nicht zu übersteuern. Wird die LED rot, zeigt das an, dass der Kompressor aktiv ist, der gemeinsam mit dem Limiter in der Endstufe für maximale cleane Leistungsausbeute der kleinen Racker sorgt. Das ist hier anders, die rote LED signalisiert tatsächlich Clipping. Also etwas zurückgedreht, und schon ist mit leicht aufgedrehtem Master ein sauberer Ton zu hören, der den angeschlossenen Bass klar wiedergibt. Leistungsbegrenzung ist angesichts dessen, was die Endstufe abzugeben im Stande ist, auch nicht nötig. Mit entsprechenden Boxen kann man auch in lauten Band-Settings bestehen, bis in hohe Lautstärken liefert der Amp dynamisch ab.

Ebenfalls eine gute Figur macht die Klangregelung. Die Regler haben hier eine Mittenraste für die neutrale Einstellung. Mit jeweils +/- 15dB können Bässe bei 80 Hz und Höhen bei 5 kHz mit Kuhschwanzcharakteristik geregelt werden, was trockenen Punch beschert und einen offenen Höhenbereich, der heruntergeregelt schön abgerundet wird. Der Treble-Regler nimmt auch die höheren Frequenzen da sehr gut mit. Den gleichen Bereich für Anhebungen und Absenkungen bieten auch die beiden Mittenregler, die bei 600 Hz und 2,5 kHz mit breitbandiger Glocke arbeiten. Etwas kurios, dass beide Regler nun höher ansetzen, während das einzelne Mittenband bei den kleineren Gnomes bei 400 Hz eingriff. Was auch immer in der Anleitung steht, der tiefe Mittenregler bringt ordentlichen Knurr ins Spiel, der hohe ist gut dafür, sich mit mehr Attack in der Band durchzusetzen, oder ebendiesen zu entschärfen. Alle Regler fassen sich ausnahmslos gut an, alle Potis sind mit der Front verschraubt und machen einen soliden Eindruck.

Für die Aufnahme steht der USB-Ausgang zur Verfügung, der Computer erkennt das Top automatisch und ohne weitere Installation von Treibern oder Ähnlichem. Mit 16 Bit / 48 kHz ist die Qualität ausreichend für Demoaufnahmen oder um mal eben am Laptop zu daddeln. Gute Ergebnisse liefern auch der Aux-In und der Kopfhörerausgang, da gibt’s nix zu meckern. Der DI-Ausgang macht am Interface oder Mischpult eine sehr gute Figur, wie auch der serielle Einschleifweg, der sauber arbeitet. Witzigerweise aber nicht zusammen: Der DI-Out liegt vor der FX-Schleife. Möchte man hier Effekte einschleifen, deren Wirkung nur auf der Bühne zu hören sein soll, wie ein Kompressor oder zusätzlicher Equalizer, passt das bestens. Will man z. B. einen eingeschliffenen Chorus oder ein Delay auch auf der PA-Anlage haben, geht man leer aus.

Sehr gut funktioniert der Anschluss eines externen Preamps über den Effekt-Return an die interne Endstufe, der dann logischerweise ebenfalls ohne den eingebauten EQ auskommen muss. Dass auch hier dann der DI-Ausgang kein Signal führt, sollte kein Problem darstellen, den wird der Preamp wahrscheinlich eh haben. Diese Variante stellt aber lediglich eine gute Möglichkeit dar, um alternative, zum Beispiel eher röhrige und zerrende Sounds über die leistungsfreudige Endstufe zu schicken – der Preamp des Gnome kann im Clean-Bereich absolut überzeugen.

RESÜMEE

Da hat Warwick aber gut nachgelegt! Die höhere Leistung macht sich in noch lockererem Umgang mit der Dynamik bemerkbar, die erreichbaren Lautstärken sind mit den richtigen Boxen beeindruckend. Das vergrößerte, solide Gehäuse bietet zusätzliche Features, die nützliche Funktionen über die bisherigen Gnomes hinaus bietet, und dazu eine bestechende Optik, vor allem auf dunkleren Bühnen oder im schwummerigen Proberaum. Ein Amp mit Gesicht, zum Antesten empfohlen!

PLUS

  • sauberer Sound
  • Optik, beleuchtete Front
  • Klangregelung
  • Anschlüsse
  • Lüfter
  • Leistung
  • solide Bauweise


(erschienen in Gitarre & Bass 09/2023)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.