1958 Reissue

Gibson Les Paul Standard im Test

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Eigentlich ist Eric Clapton an allem schuld. Als er Mitte der 60er Jahre nämlich seiner Gibson Les Paul Standard – verstärkt über einen Marshall-Combo – bis dahin ungehörte Töne entlockte, war dieses Modell schon längst nicht mehr Teil des Gibson-Programms!

Les Paul Standard 1958_01

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Was blieb den nach dem Clapton-Sound suchenden Musikern anderes übrig, als nach gebrauchten Instrumenten zu stöbern?! Zwar kam schon bald die erste Wiederauflage einer Les Paul auf den Markt, das aber war eine Goldtop – zuerst mit den Singlecoils P-90, später dann mit den kleineren und anders klingenden Epiphone-Humbuckern. Zu dieser Zeit entstand die Legende der Les Paul Standard, die in der populärsten Form von Mitte 1958 bis 1960 ca. 2000 mal gebaut wurde. Zwar ließ irgendwann mal die Nachfrage nach Gitarren dieses Typs nach, und mancher Musiker ärgert sich heute noch, dass er damals sein Trauminstrument nicht gekauft bzw. nicht behalten hat. Ende der 70er Jahre konnte man z. B. eine Les Paul Standard noch für ca. € 2000 bis 2500 ergattern, heute muss man mindestens das zehn- bis zwanzigfache hinblättern, und Gitarren in sogenannter „mint-condition“ sind einfach unbezahlbar geworden.

Dieser Trend war Gibson natürlich nicht verborgen geblieben, und so hatte es seit vielen Jahren immer wieder Reissues dieses legendären Modells gegeben. Doch erst seit 1994 werden in der Gibson Historic Collection originalgetreue Repliken der wichtigsten Modelle angeboten, natürlich auch von der Les Paul Standard. Die beliebtesten und natürlich auch teuersten sind die ‘59 und ‘60 Les Paul Flametop (mit dünnerem Hals wie beim Original), beide mit wunderschön geriegelten Ahorn-Decken, wobei sich die Neupreise dieser Modelle in den letzten acht Jahren mehr als verdoppelt haben. Seit einem guten Jahr wird nun auch ein 1958er Modell angeboten, das mit den beiden Top-Modellen so gut wie baugleich ist, aber etwas günstiger zu bekommen ist (wenn man bei diesen Größenordnungen noch von günstig sprechen kann).

Grund für die Preisdifferenz: Die Decke ist aus Riegelahorn, „figured maple“, mit AA-Qualität gefertigt – im Gegensatz zu den „Flamedmaple“-Decken des absoluten Sammlerstücks, der ’59 Reissue. Der Hals ist wie beim Original einen Hauch dicker als beim 59er Modell. Dieses Modell ist in Butterscotch lackiert, einem verblichenen Sunburst, bei dem die Rottöne so gut wie verschwunden sind, so wie bei alten, viel gespielten Gitarren, deren Lackierung vom Licht ausgebleicht worden war. Alle anderen Details sind absolut identisch, Bauweise, Holzauswahl, Pickup-Bestückung und Nitro-Lackierung; auch wird hier der leichte Stop-Tailpiece-Saitenhalter aus Aluminium verwendet. Auf eine Beschreibung der weiteren Details der Bauweise möchte ich verzichten, alle wichtigen Daten sind der Übersicht zu entnehmen. Ab Werk sind diese Les Pauls mit Gibson Brite Wires .010 – .046 bestückt. Dieses Modell ist auch in einer Custom Authentic Version (leicht gealtert, aber ohne Gebrauchsspuren, Aufpreis € 900) erhältlich, nicht allerdings als Murphy-Aged-Version.

Les Paul Standard 1958_02

Praxis

Das erste was auffällt, wenn man ein solches Historic-Collection-Instrument in die Hand nimmt: Es ist nicht so schwer wie eine reguläre Les Paul Standard, und das, obwohl hier keine Gewichtsreduzierung im Mahagoni-Korpus vorgenommen wurde. Für den Korpus wird also ein leichtes Mahagoni verwendet, das mit einer trotz der AA-Qualität wunderschönen und gleichmäßig geriegelten Ahorn-Decke versehen ist. Dieses leichte Mahagoni sorgt für einen weicheren, wärmeren und volleren Ton, der durch die harte und gleichmäßig gemaserte Ahorn-Decke den richtigen Schuss Höhen, Brillanz und Durchsetzungskraft erhält. Spielt man die Gitarre akustisch an, merkt man schon den kleinen, aber feinen Unterschied: Die Gitarre singt und klingt enorm satt.

Das Testmodell (Seriennummer 811376) ist mit ’57 Classic Pickups bestückt, die neuesten Modelle werden mittlerweile mit Burstbuckern 2 und 3 ausgeliefert (siehe dazu auch die Story über Gibson-Pickups.) Burstbucker und 57 Classic sind ja fast identisch, und so wundert es nicht, dass diese hier den Sound der Gitarre erstaunlich gut übertragen. Ab Werk sind die Pickups recht nahe an die Saiten eingestellt und geben dadurch sehr viel Power ab, ich drehe sie etwas herunter, und sie erzeugen nun – etwas weiter von den Saiten entfernt – ein ausgewogeneres Klangbild und sind so auch clean sehr gut zu benutzen.

Der Grundton der Gitarre ist nahezu perfekt und wird durch die Pickups und deren Einstellung nur noch verfeinert: Im Vergleich zu Les-Paul-Modellen aus dem normalen Werk (verschiedenste Baujahre) ist der Ton einfach weicher, wärmer und sehr rund, und hat doch viele Höhen und einen guten Schuss Perkussivität. Perfekt ist bei dieser Gitarre die Ausgewogenheit von Steg- und Hals-Pickup.

Les Paul Standard 1958_03Wir hatten die Gelegenheit, bei den Gibson-Roadshows diverse weitere 58er Modelle zu checken und waren erstaunt, dass trotz einer enormen gleichmäßigen Qualität doch immer wieder Sound-Unterschiede zu finden waren; manche Modelle hatten einen einfach unglaublich warm klingenden Hals-Pickup, anderen überzeugten durch außergewöhnliche Klangfülle auf dem Steg-Pickup, andere waren ein Super-Mittelweg zwischen diesen beiden Extremen.

Diese Qualität und die Unterschiede des Klangs liegen sicher nicht an den Pickups, sondern tatsächlich an den Gitarren selbst. So ist trotz einer enorm hohen Fertigungs-Qualität jedes Instrument letztendlich doch ein Einzelstück. Und so wie die Sammler die unterschiedlichsten Ausführungen der Decken der 59er Modelle lieben, werden die Musiker dieses etwas günstigere Modell nach den individuellen Sound-Vorstellungen aussuchen können.

Resümee

Die 1958 Les Paul Standard ist eine unglaublich gut gelungene Replik des alten Originals: in der Konstruktion so detailgetreu wie eben möglich, klanglich genauso überragend. Während die 59er Reissues weitgehend in den Schränken und Vitrinen von Sammlern verschwinden, werden diese Modelle vielleicht doch öfters in die Hände von spielenden Gitarristen gelangen. Hoffen wir es, denn auch einer E-Gitarre tut es gut, wenn sie viel gespielt wird. Und die ’58er Standard gibt dem Gitarristen das zurück, was er in sie hinein gibt – mit all der Magie und Ausstrahlung, die eine sehr, sehr gute Les Paul zu geben in der Lage ist.

 

Plus

  • Sounds
  • Resonanzeigenschaften & Sustain
  • Ansprache & Dynamik
  • Tonentfaltung
  • Qualität der Hölzer
  • Verarbeitung
  • Authentizität

 

Les Paul Standard 1958_+bersicht

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ein weicher, warmer runder Klang? Ich dachte immer mein Kissen ist weich, das Rad ist rund und die Temperatur ist warm. Meine Gitarre klingt einfach cool und immer so wie ich sie einstelle, klar, verzerrt, höhenlastig, basslastig, mittenlastig je nach Frequenzgang des Pickup Systems oder mit lange anhaltenden Schwingungen, Sustain je nachdem wie ich sie spiele, laut oder leise.

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    1. Tja, Herr Dr. – evt. wird es doch Zeit für eine zweite Gitarre…? Dann könnten Sie sich hier auch qualifizierter äußern… ;o)

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    2. Liebhaberei und Coolness sind eben doch keine Zwillinge ? ich seh keinen Grund den vorhergehenden Bericht lächerlich darzustellen , ist doch herzerwärmend wie sich ein Spieler an seinem Instrument erfreut , oder nicht ? …

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  2. Ich spreche zu Dr. Walter Stadler

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  1. Gibson Les Paul: Modelle, Gebrauchtkauf & Seriennummern › GITARRE & BASS

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