Getauft im Mittelmeer: Formentera Guitars Schorsch im Test
von Heinz Rebellius, Artikel aus dem Archiv
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(Bild: Dieter Stork)
Wenn du deine Gitarre „Schorsch” nennst, soll das wohl eine bestimmte Botschaft transportieren. Die Interpretationen dieser Message sind durchaus breit gefächert, mit reichlich Raum für verschiedenste Bedeutungen. Doch im Kontext dieser gebräunten T-Type-Gitarre stellt eine eindeutige Assoziation gleichermaßen auch ihre Daseinsberechtigung dar: George Harrison!
“Gebräunt” ist ein gutes Stichwort – denn diese Gitarre wurde auf der malerischen Mittelmeerinsel Formentera gebaut, von niemand Geringerem als Ekki Hoffmann, dem Leiter der dortigen Gitarrenbau-Schule Formentera Guitars. Diese legendäre Institution ist 1988 von Dieter Goelsdorf, dem Gründer von Göldo Music und Duesenberg Guitars, und Thomas Stratmann (heute: Stratmann Gitarren, Hannover) ins Leben gerufen worden. Runde 10 Jahre später hat Ekki Hoffmann das Ruder übernommen und steht der Schule bis heute vor.
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Unzählige Gitarren wurden über die Jahre in dreiwöchigen Kursen gebaut, und wer sich einen Einblick über diese ganz spezielle Art verschaffen will, sich seine Traumgitarre zu verwirklichen, dem sei ein Surfritt durch die Website der Schule sehr empfohlen. Die Adresse findest Du in der Übersicht.
REMEMBERING SCHORSCH
Wenn Ekki Hoffmann mal einen Gitarrenbau-Kurs mit wenig Teilnehmern hat – was selten genug vorkommt –, baut er parallel zu seinen Schülern selbst eine Gitarre mit. So kann er auch einmal eigene Ideen verwirklichen und Prototypen von Gitarren bauen, die von der Gitarrenbau-Schule erworben werden können. Oder die als Inspirationsquelle für Schülerinnen und Schüler dienen, die sich noch unschlüssig sind, was sie selbst bauen sollen. Im Winter 2022 entstand so die Formentera-Variante der Telecaster, die George Harrison in den letzten Zügen der Beatles benutzte. Die Fender Rosewood Telecaster wurde von Harrison z. B. auf dem Konzert auf dem Dach des Apple-Hochhauses gespielt, was durch die Doku ‚Get Back’ noch einmal nachdrücklich in unser aller Bewusstsein gerufen worden war.
Warum die Formentera-Variante der Rosewood-Tele deshalb Schorsch heißt, ist klar, oder? Für Nicht-Eingeweihte: Schorsch ist vor allem in der südlichen Hälfte Deutschlands die Slang-Version von Georg…
Obwohl Schorsch wie eine 1:1-Replik der Fender Rosewood Telecaster von George Harrison aussieht, beweisen die Features, dass Ekki Hoffmann tatsächlich viele eigene Ideen umgesetzt hat. So ist z. B. der Korpus nicht wie beim Original aus Palisander, sondern aus dem recht schweren Purple Heart (bzw. Amaranth), das gebeizt wurde, um den Palisander-Farbton zu erhalten. Der Body ist horizontal in zwei gleich starke Planken aufgeschnitten, die großzügig ausgefräst wurden, um Gewicht einzusparen. Mit einer Zwischenlage aus 3 mm starkem Ahorn wurde die beiden Hälften dann zusammengeleimt. Schönes Detail am Rande: Das Ahorn schließt bündig mit dem Halsfuß am Übergang vom Hals zum Korpus ab.
(Bild: Dieter Stork)
Der Hals, der absolut passgenau in der Halstasche sitzt, besteht hingegen komplett aus Palisander. Zur Installation des Halsstabes wurde das (spätere) Griffbrett vom Halskantel abgetrennt und nach Einsetzen des Halsstabes mit einer dünnen Zwischenlage Ahorn – eine schöne Analogie zur Body-Konstruktion – in seiner ursprünglichen Position aufgeleimt und in einem sogenannten compound radius gerundet. Ein perfekt gearbeiteter Knochensattel und 22 Medium-Bünde bevölkern den Hals, dessen Profil ein schlankes C darstellt. Typisch für Formentera Guitars ist der im 20. Bund angebrachte Zugang zum Halsstab – hier braucht nur die kleine Kunststoff-Abdeckung, die das Spielen auf diesem Bund ein keinem Fall behindert, abgenommen werden. Eine richtig gute Idee, denn durch diese Position des Zugangs wird einerseits die Stabilität des Übergangs zwischen Hals und Kopfplatte gewährleistet, andererseits die umständliche Vintage-Praxis des Einstellens an der Vorderseite des Halsfußes vermieden.
Body und Hals sind – ebenfalls Formentera-like – natürlich nicht lackiert, sondern mit Öl und Wachs versiegelt, was für eine sehr angenehme Haptik sorgt. Zwar können sich Fettfinger gerne mal auf solch einer Oberfläche verewigen, ihre Spuren sind aber auch schnell wieder wegpoliert.
Die „staggered” Mechaniken sorgen für einen passenden Winkel der Saiten in den Sattelkerben (Bild: Dieter Stork)
“Staggered” Mechaniken im Kluson-No-Line-Stil weisen paarweise, nach hinten tiefer werdende, Mechanikschäfte auf, sodass auf einen zweiten Saiten-Niederhalter verzichtet werden kann und nur einer für die beiden hohen Saiten installiert wurde.
Formentera Guitars tragen natürlich Formentera Guitars Pickups, die direkt vor Ort in der Werkstatt der Gitarrenbau-Schule gewickelt werden. Schorsch präsentiert am Steg einen im Vergleich zu einem Vintage-Pickup leicht overwound T-style-Typen mit flachen Polstücken, während am Hals ein P90 Spezial in einer vernickelten Kappe sitzt. „Spezial” bedeutet in dem Fall, dass er nicht wie das Gibson-Original über zwei unten liegende Barrenmagnete und Stahl-Polstücke verfügt, sondern à la Stratocaster über sechs Einzelmagnete. Oder wie beim Gibson P90 Staple aus der allerersten Les Paul Custom von 1954. P90-Pickups dieser Bauweise versprechen klarere Höhen, aber gleichzeitig die Wärme und das Fundament eines üblichen P90s.
Am Hals ein P90 Spezial mit sechs Einzelmagneten, am Steg ein overwound T-Style-Pickup (Bild: Dieter Stork)
Ein Schmankerl der besonderen Art findet sich unter dem Pickguard: Die Kompensations-Spule, die durch Hochziehen des Tone-Potiknopfes aktiviert wird, vermindert das bauartbedingte Brummen der beiden Einspuler!
Der Steg samt seiner Grundplatte ist klassisch gehalten, die drei Messing-Saitenreiter kommen vom US-Hersteller Hipshot und bieten eine Kompensation, sodass die Einstellung der Oktavreinheit deutlich besser als beim Vintage-Klassiker gelingt.
Soundcheck und Resümee auf Seite 2 …
(Bild: Dieter Stork)
LEINEN LOS!
Ich weiß nicht, ob ich der einzige bin, der insgeheim die Gitarrenhersteller dieser Welt anfleht, das Halsprofil und Griffbrett doch mal eine Idee breiter zu machen als den Traditionsstandard von 42 mm. Gut, manche Hersteller bieten tatsächlich schon zwei Breiten an, wie z.B. Nik Huber Guitars. Und natürlich sind alle Hersteller, die auf Custom-Shop-Basis arbeiten, in der Lage, auf die Wünsche der Kundschaft zu reagieren. Aber eine Auswahl von zwei oder drei verschiedenen Griffbrett-Breiten auch bei industriell gefertigten Gitarren, so wie bei Jogging-Schuhen längst üblich, wäre doch ein Traum, oder? Der Schorsch hat man gleich ab Werk eine größere Breite gegönnt, und die 44 mm am Sattel fühlen sich großartig an!
Gerade in Kombination mit dem nicht überdimensionierten C-Profil liegt der Hals von Schorsch richtig gut in der Hand, lässt sich exzellent spielen, und das Mehr an Bewegungsfreiheit fördert – so zumindest mein Eindruck – ein bewussteres, aufgeräumteres Spiel.
Akustisch wirkt der Sound von Schorsch sehr erwachsen – weniger hell und transparent als eine übliche Telecaster mit Vintage-Specs, dafür runder und über das gesamte Frequenzspektrum ausgeglichener. Und dieser Eindruck bestätigt auch der verstärkte Betrieb. Der Steg-Pickup – die Seele jeder T-type Gitarre – ist mit seinen dominanten oberen Mitten sehr schlagkräftig, da bleibt wirklich kein Auge trocken. Dafür geht ihm ein perliges, glitzerndes Vintage-Klangbild durchaus ab. Eierschneider-Gefahr geht von Schorsch in keinem Fall aus – vielmehr blüht sie merklich auf, wenn der Amp in Crunch- und Zerr-Bereiche gefahren wird. Immer noch sind genug Tele-Gene vorhanden, aber nun mit deutlich hörbarem Muskelaufbau. Das ist mehr Rock und Blues als Country!
Der P90 Spezial ist – wie der Name schon sagt – speziell, gerade im Vergleich mit einem üblichen T-Style-Hals-Pickup. Er klingt, wie zu erwarten, nicht wie ein typischer P90, sondern wie ein Wanderer zwischen den Welten. Sein Anschlag erscheint in einer cleanen, fenderesken Dimension, bringt aber nicht die glasigen Höhen eines Fender-Pickups und auch nicht den fetten Bass eines P90. Es ist tatsächlich ein eigener Sound, sehr definiert und klar, der sich leicht und sehr gut durch Herunterregeln des Tone-Potis in Richtung eines vollwertigen Jazz-Sounds verwandelt, der aber auch im verzerrten Bereich sehr griffig und konturiert bleibt. Ein richtig interessanter Typ, dieser P90 Spezial. Und ein richtiger Eigenbrötler, denn die Kombinations-Sounds mit dem Steg-Pickup reißen mich nicht vom Hocker – da fehlen (mir) dann doch die strahlenden, perligen Höhen.
Schön, dass die Blindspule unter dem Pickguard für eine deutliche Reduzierung des Singlecoil-Brummens sorgt. Diese Spule wirkt sich übrigens trotz vieler anders lautender Stimmen nicht auf den Klang der Pickups aus. Warum Ekki die Spule dann schaltbar gemacht hat, weiß ich nicht. Ich frage mal nach … und Ekki antwortet: „Mit der Erfahrung dieser Gitarre würde ich die Kompensationsspule am liebsten tatsächlich fest verdrahten, aber als Versuchs- und Vorführmodell möchte ich auch im Direktvergleich zeigen können, was sie bewirkt und dass sie den Klang der Gitarre nur sehr wenig beeinflusst.” Wie gesagt, meine Ohren haben keinen Unterschied vernommen, weder bei cleanen noch verzerrten Sounds.
RESÜMEE
Formentera Guitars hat mit der Schorsch eine ganz eigene Version der Rosewood-Telecaster gebaut, die durch George Harrison Legenden-Status erlangt hat. Nicht nur, dass der Korpus nicht aus Rosewood ist, sondern „nur” der Hals, sondern auch die vielen Details, die eine Gitarre von Formentera Guitars in der Regel mit sich bringt, beschränken den Vorwurf eine Kopie nur auf die pure Design-Vorlage. Ihr Klang ist kräftiger und muskulöser als der einer typischen Vintage-Telecaster, was perfekt zum äußeren Charakter dieses Instrumentes passt. Sehr sinn- und wirkungsvoll sind Konstruktions-Details wie der Zugang zum Halsstab über das Griffbrett, die Kompensations-Spule zur Brumm-Unterdrückung und – nicht zu vergessen – die mit 44 mm wunderbar breite, griffige Halsbreite.
Wer sich für diese Gitarre interessiert, hat genau drei Möglichkeiten, sie kennenzulernen. Zum einen kann er sie direkt bei Formentera Guitars anspielen. Zum anderen kann er sie direkt bei Formentera Guitars bestellen, wenn er aus der Ferne vom Konzept und der Qualität überzeugt sein sollte. Drittens – und das ist mit Abstand die beste Art und Weise – kann er einen Kurs bei Formentera Guitars buchen und sich dort eine eigene Schorsch bauen, unter der balearischen Sonne und getauft im Mittelmeer!
Auf jeden Fall sehr originell,absolut einzigartig,-und optisch,-sowie klangtechnisch alles vom Feinsten! Da würde ich doch glatt vom Brandenburger Gitarrenbauer im Landkreis Oberhavel in Hennigsdorf/bei Berlin spontan Abstand nehmen,da sich der faire Preis für eine solche Tele aus Formentera in Relation zum besagten regionalen Anbieter zweifelsfrei eher rechnet. Und obendrein bekomme ich die fertige Tele mit der Sonne aus Formentera sogar noch gratis dazu!
Also,weiß ich schon,woher ich meine nächste Tele beziehen werde!
Herzlichen Dank ❤️ für die überaus nützlichen Infos zu Formentera Guitars!
Auf jeden Fall sehr originell,absolut einzigartig,-und optisch,-sowie klangtechnisch alles vom Feinsten! Da würde ich doch glatt vom Brandenburger Gitarrenbauer im Landkreis Oberhavel in Hennigsdorf/bei Berlin spontan Abstand nehmen,da sich der faire Preis für eine solche Tele aus Formentera in Relation zum besagten regionalen Anbieter zweifelsfrei eher rechnet. Und obendrein bekomme ich die fertige Tele mit der Sonne aus Formentera sogar noch gratis dazu!
Also,weiß ich schon,woher ich meine nächste Tele beziehen werde!
Herzlichen Dank ❤️ für die überaus nützlichen Infos zu Formentera Guitars!