"Gebräunt" ist das Stichwort!

Getauft im Mittelmeer: Formentera Guitars Schorsch im Test

Anzeige
(Bild: Dieter Stork)

LEINEN LOS!

Ich weiß nicht, ob ich der einzige bin, der insgeheim die Gitarrenhersteller dieser Welt anfleht, das Halsprofil und Griffbrett doch mal eine Idee breiter zu machen als den Traditionsstandard von 42 mm. Gut, manche Hersteller bieten tatsächlich schon zwei Breiten an, wie z.B. Nik Huber Guitars. Und natürlich sind alle Hersteller, die auf Custom-Shop-Basis arbeiten, in der Lage, auf die Wünsche der Kundschaft zu reagieren. Aber eine Auswahl von zwei oder drei verschiedenen Griffbrett-Breiten auch bei industriell gefertigten Gitarren, so wie bei Jogging-Schuhen längst üblich, wäre doch ein Traum, oder? Der Schorsch hat man gleich ab Werk eine größere Breite gegönnt, und die 44 mm am Sattel fühlen sich großartig an!

Gerade in Kombination mit dem nicht überdimensionierten C-Profil liegt der Hals von Schorsch richtig gut in der Hand, lässt sich exzellent spielen, und das Mehr an Bewegungsfreiheit fördert – so zumindest mein Eindruck – ein bewussteres, aufgeräumteres Spiel.

Anzeige

Akustisch wirkt der Sound von Schorsch sehr erwachsen – weniger hell und transparent als eine übliche Telecaster mit Vintage-Specs, dafür runder und über das gesamte Frequenzspektrum ausgeglichener. Und dieser Eindruck bestätigt auch der verstärkte Betrieb. Der Steg-Pickup – die Seele jeder T-type Gitarre – ist mit seinen dominanten oberen Mitten sehr schlagkräftig, da bleibt wirklich kein Auge trocken. Dafür geht ihm ein perliges, glitzerndes Vintage-Klangbild durchaus ab. Eierschneider-Gefahr geht von Schorsch in keinem Fall aus – vielmehr blüht sie merklich auf, wenn der Amp in Crunch- und Zerr-Bereiche gefahren wird. Immer noch sind genug Tele-Gene vorhanden, aber nun mit deutlich hörbarem Muskelaufbau. Das ist mehr Rock und Blues als Country!

Der P90 Spezial ist – wie der Name schon sagt – speziell, gerade im Vergleich mit einem üblichen T-Style-Hals-Pickup. Er klingt, wie zu erwarten, nicht wie ein typischer P90, sondern wie ein Wanderer zwischen den Welten. Sein Anschlag erscheint in einer cleanen, fenderesken Dimension, bringt aber nicht die glasigen Höhen eines Fender-Pickups und auch nicht den fetten Bass eines P90. Es ist tatsächlich ein eigener Sound, sehr definiert und klar, der sich leicht und sehr gut durch Herunterregeln des Tone-Potis in Richtung eines vollwertigen Jazz-Sounds verwandelt, der aber auch im verzerrten Bereich sehr griffig und konturiert bleibt. Ein richtig interessanter Typ, dieser P90 Spezial. Und ein richtiger Eigenbrötler, denn die Kombinations-Sounds mit dem Steg-Pickup reißen mich nicht vom Hocker – da fehlen (mir) dann doch die strahlenden, perligen Höhen.

Schön, dass die Blindspule unter dem Pickguard für eine deutliche Reduzierung des Singlecoil-Brummens sorgt. Diese Spule wirkt sich übrigens trotz vieler anders lautender Stimmen nicht auf den Klang der Pickups aus. Warum Ekki die Spule dann schaltbar gemacht hat, weiß ich nicht. Ich frage mal nach … und Ekki antwortet: „Mit der Erfahrung dieser Gitarre würde ich die Kompensationsspule am liebsten tatsächlich fest verdrahten, aber als Versuchs- und Vorführmodell möchte ich auch im Direktvergleich zeigen können, was sie bewirkt und dass sie den Klang der Gitarre nur sehr wenig beeinflusst.” Wie gesagt, meine Ohren haben keinen Unterschied vernommen, weder bei cleanen noch verzerrten Sounds.

RESÜMEE

Formentera Guitars hat mit der Schorsch eine ganz eigene Version der Rosewood-Telecaster gebaut, die durch George Harrison Legenden-Status erlangt hat. Nicht nur, dass der Korpus nicht aus Rosewood ist, sondern „nur” der Hals, sondern auch die vielen Details, die eine Gitarre von Formentera Guitars in der Regel mit sich bringt, beschränken den Vorwurf eine Kopie nur auf die pure Design-Vorlage. Ihr Klang ist kräftiger und muskulöser als der einer typischen Vintage-Telecaster, was perfekt zum äußeren Charakter dieses Instrumentes passt. Sehr sinn- und wirkungsvoll sind Konstruktions-Details wie der Zugang zum Halsstab über das Griffbrett, die Kompensations-Spule zur Brumm-Unterdrückung und – nicht zu vergessen – die mit 44 mm wunderbar breite, griffige Halsbreite.

Wer sich für diese Gitarre interessiert, hat genau drei Möglichkeiten, sie kennenzulernen. Zum einen kann er sie direkt bei Formentera Guitars anspielen. Zum anderen kann er sie direkt bei Formentera Guitars bestellen, wenn er aus der Ferne vom Konzept und der Qualität überzeugt sein sollte. Drittens – und das ist mit Abstand die beste Art und Weise – kann er einen Kurs bei Formentera Guitars buchen und sich dort eine eigene Schorsch bauen, unter der balearischen Sonne und getauft im Mittelmeer!

PLUS

  • Kompensations-Blindspule
  • kerniger Sound
  • P90 Spezial
  • Halsbreite
  • Zugang zum Stahlstab

MINUS

  • Kombinations-Sound beider Pickups


(erschienen in Gitarre & Bass 12/2024)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Auf jeden Fall sehr originell,absolut einzigartig,-und optisch,-sowie klangtechnisch alles vom Feinsten! Da würde ich doch glatt vom Brandenburger Gitarrenbauer im Landkreis Oberhavel in Hennigsdorf/bei Berlin spontan Abstand nehmen,da sich der faire Preis für eine solche Tele aus Formentera in Relation zum besagten regionalen Anbieter zweifelsfrei eher rechnet. Und obendrein bekomme ich die fertige Tele mit der Sonne aus Formentera sogar noch gratis dazu!

    Also,weiß ich schon,woher ich meine nächste Tele beziehen werde!
    Herzlichen Dank ❤️ für die überaus nützlichen Infos zu Formentera Guitars!

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.