(Bild: Dieter Stork)
Ein Verstärker, klein und leicht genug für das Reisegepäck, laut genug für Stress mit den Nachbarn und flexibel genug, sowohl für die Übungsecke als auch fürs Studio …
So oder so ähnlich hätte ich das Fazit für die kleine 200-Watt-Serie aus dem Hause Darkglass gern lauten lassen. Im Venn-Diagramm der genannten Eigenschaften landen wir jedoch leider nicht genau in der Mitte. Woran scheitert es?
An der Verarbeitung sicherlich nicht. Die beiden Leichtgewichte erwecken, wie von der finnischen Firma nicht anders zu erwarten, einen sehr hochwertigen Eindruck. Äußere wie auch innere Werte sind dem Preis von rund 550 Euro absolut angemessen. Optisch unterscheiden sich die beiden Verstärker vor allem durch ihre Farbe. Den Farben der zugehörigen Produktfamilie entsprechend, sind die CNC-gefrästen Alugehäuse eloxiert worden. Im Falle des Alpha-Omega also ein dunkles Graublau, während der Microtubes 200 in Schwarz gehalten ist. Durch selbstklebende Gummifüße auf der Unterseite wird effektiv ein Verrutschen der Gehäuse verhindert.
(Bild: Dieter Stork)
Rückseitig befinden sich nebst Netzanschluss und -schalter noch der Lautsprecherausgang, ein XLR-Ausgang sowie zwei 3,5mm TRS-Buchsen. Während die eine dem Einspielen von Backing-Tracks beim Üben per Kopfhörer dient, stellt die andere ein Kopfhörersignal bereit, das zur Milderung der verzerrten Sounds mit einer analogen Cab-Simulation versehen ist. Letztere entspricht der aus dem X7-Pedal, welche als einfaches Tiefpassfilter bei ca. 4,5kHz ausgeführt ist und nicht als IR-Loader. Deaktivieren lässt sie sich nicht, was den Nutzen bzw. die Flexibilität zumindest auf dem Papier etwas einschränkt.
Innere Werte, Sounds und Resümee auf Seite 2 …
(Bild: Dieter Stork)
INNERE WERTE
Auf der Frontplatte geht es mit den Gemeinsamkeiten weiter. Hier finden sich die Bedienelemente zur Klangeinstellung sowie ein Master-Volume, das durch zusätzliches Drücken auch als Mute-Taster funktioniert. Im Vergleich zu den dedizierten Preamp-Pedalen sind an beiden Verstärkern die Wahlschalter für „Growl“ und „Bite“ bzw. „Attack“ und „Grunt“ eingespart worden. Beim M200 fällt auch die Auswahl zwischen B3K und VMT weg. Beide Verstärker liefern also ein „Best of“-Setting der beliebten Preamps, welche sich über das Gain-Poti im Grad der Verzerrung noch einstellen lassen. Zur Feinabstimmung kommen nebst dem herstellertypischen Clean-Blend-Regler noch Equalizer zum Einsatz. Kompressorschaltungen oder einen Gain-Regler für das Clean-Signal, wie sie bei den größeren Verstärkern zu finden sind, sucht man bei den 200W starken Zwergen vergebens. Beim ersten Anschalten der Geräte zeigt sich direkt der Vorteil der relativ kleinen Endstufe. Insbesondere der Einsatz in den eigenen vier Wänden profitiert von der lüfterlosen Installation eines ICEPower 200AS1 Endstufen-Moduls.
Leise Übung-Sessions oder Spielpausen werden so nicht von nervigem Surren gestört, sehr angenehm. Gestört werden könnten allerdings etwaige Nachbarn, denn die Leistungsangabe von 200W (an 4Ω) ist trotz passiver Kühlung kein Marketing-Gefasel. Class-D macht’s möglich. Zwar erwärmt sich das Verstärkergehäuse nach einiger Zeit merkbar, jedoch nicht in einem bedenklichen Maße. Den erwähnten, nicht vorhandenen Input-Regler habe ich im Testzeitraum zu keinem Zeitpunkt vermisst. Dynamisch, glasklar und 100% unverfälscht überträgt die Vorstufe die Signale von aktiven wie auch passiven Bässen. Für die Raumbeschallung eines Gigs vor 1000 Menschen ist die Endstufe natürlich nicht dimensioniert, aber dem Einsatz in ruhigeren Kapellen, kleineren Orchestern oder Sessions ist sie durchaus gewachsen. Passende 4Ω-Box vorausgesetzt. Mit 8Ω stößt man natürlich eher an die Belastungsgrenze.
DIE MISCHUNG MACHT’S
Die Klanganpassung beider Verstärker unterscheidet sich etwas, da der M200 mit einem 4-Band-EQ ausgestattet ist, der AO200 jedoch nur mit einem 3-Band. Von den Bändern mit 80Hz, 1kHz, 3kHz und 5kHz fällt beim AO200 das 3kHz-Band weg, was den M200 in der Regelung der oberen Präsenz und des Attacks flexibler macht. Genau dieses Band benötigt der Amp auch, denn die verbaute B3K-Zerreinheit ist für ihre durchdringenden Hochmitten bekannt. Vor der Verzerrung werden die Bässe des Signals ausgedünnt, was einen drahtigen und je nach Gain-Setting schneidenden Sound produziert. Nicht ohne Grund hat dieses Klangprofil der Firma vor vielen Jahren zu großer Beliebtheit in der Metal-Szene verholfen. Insbesondere tiefgestimmte Bässe liefern so trotz viel Verzerrung noch ein artikuliertes Klangbild.
Laut Hersteller soll mit wenig Verzerrung auch ein „soft warm overdrive“ möglich sein, das würde ich so nicht uneingeschränkt unterschreiben. Im originalen B3K ist das durch den „Attack“-Schalter durchaus ein Stück weit möglich, da dieser hier aber fehlt, können die Obertöne erst hinter der Verzerrung abgemildert werden, was in meinen Ohren durchaus noch anders klingt. Den drahtigen, leicht fisseligen Charakter bekomme zumindest ich dem Verstärker nie so richtig ausgetrieben. Sicherlich, Höhen runterdrehen kann man immer, aber das verändert den Charakter eben auch nicht komplett, sondern zähmt eher stark hochtonreiche Boxen. Zur Abmilderung der Zerre selbst ist der Griff zur Tonblende am Bass sicherlich der bessere.
Und siehe da: Der Ton verliert an Schärfe, allerdings natürlich auch Definition im unverzerrten Bereich. Was wäre ein Darkglass-Verzerrer ohne den Clean-Blend? Über diesen lässt sich der Grad der wahrgenommenen Verzerrung noch weiter absenken. Sehr angenehm, um zum einen den Bassdruck im Signal zu erhalten und zum anderen, um im Gesamtkontext der Musik nicht zu arg präsent zu sein. „Soft warm overdrive“ parallel zu einem drahtigen Clean-Signal ist aber eben nur sehr begrenzt möglich. Kombiniert mit den Möglichkeiten des 4-Band-EQs bietet der M200 dennoch eine recht hohe klangliche Bandbreite, die auch im unverzerrten Bereich überzeugen kann.
BLAU ODER SCHWARZ?
In der Vergangenheit habe ich der Alpha-Omega-Schaltung oft eine größere Alltagstauglichkeit attestiert und eben aufgrund der genannten, schwer auszutreibenden Schärfe der B3K-Schaltung bestätigt sich meine bisherige Erfahrung auch hier. Während der unverzerrte Eindruck natürlich der gleiche ist, liefert die Zerreinheit ein roheres Klangbild als der Microtubes. Da das Zerrsignal beim AO nicht in den Bässen beschnitten ist, taugt es gerade in niedrigen Zerrgraden auch wunderbar als Vollsignal. Herzstück der AO-Schaltung ist dabei der Mod-Regler, mit dessen Hilfe zwischen zwei verschiedenen Verzerrern gemischt werden kann. Während die „Alpha“-Seite recht stark komprimiert und etwas scooped ist, kommt „Omega“ deutlich roher, dynamischer und fuzziger daher. Wie so oft im Leben macht auch hier die richtige Mischung das gewisse Etwas aus. Von drahtig-dengelig bis roh und volles Mett bietet der AO ein großes Spektrum. Insbesondere auch das dezente „Anknuspern“, wie es gern genannt wird, beherrscht diese Schaltung deutlich besser und runder als der Microtubes.
WO IST DER HAKEN?
So weit liest sich das doch alles gut, woran hapert es also? An den fehlerhaften Testexemplaren, die ich zuerst erhalten hatte, liegt es nicht. Bei diesen waren Clean- und Zerrsignal phasengedreht zueinander, was starke Signalauslöschungen zur Folge hatte. Die infolgedessen neu erhaltenen Exemplare zeigen dieses Verhalten nicht und ein Blick unter die Haube zeigt, dass das Preamp-Modul eine andere Revisionsnummer besitzt. Wer bei seinem Exemplar das gleiche Verhalten feststellt, sollte sich also an seine Verkaufsstelle wenden.
Aber nein, es liegt vielmehr am Konzept der Geräte, denn Fehler passieren immer mal. Einerseits liefern die Verstärker ein tolles Signal, sie klingen gut und vielseitig, andererseits sind sie zu leistungsschwach für große Setups. Als Bühnenmonitor sind sie ausreichend potent, allerdings liefert der XLR-Ausgang ausschließlich ein unbearbeitetes Signal. Am Kopfhörerausgang liegt die nicht schaltbare Cab-Sim an, die im Vergleich zu anderen Darkglass-Produkten in meinen Augen nicht mehr zeitgemäß ist.
Zumal es alles andere als elegant ist, einen 3,5mm Kopfhörerausgang als Line-Out zu missbrauchen. Soll also der Darkglass-Sound auf der PA oder der Aufnahme landen, muss eine DI-Box an den Lautsprecherausgang geklemmt werden, oder – und hier vermute ich den Hasen im Pfeffer – ein zusätzliches Preamp-Pedal gekauft werden. Für den Einsatz im (Heim-)Studio gilt natürlich das Gleiche. Einen weiteren Line-Out bietet die 200W-Serie nämlich nicht.
RESÜMEE
Für ca. 200 Euro Aufpreis bekommt man die 500W-Serie, welche mit allen Extras und allem Pipapo ausgestattet ist. Auf der anderen Seite hat diese dann aber einen permanent laufenden Lüfter und natürlich ein größeres Packmaß. Insbesondere der beschnittene XLR-Ausgang der 200er bereitet mir Kopfschmerzen, da der Praxisnutzen der Amps darunter leidet. Zu dem reinen Zweck einer Übungsecke mit Darkglass-Sound bieten sich ein B7K-Ultra oder AO-Ultra und ein Amp der Sub-100W-Klasse in meinen Augen eher an.
PLUS
- Sound
- Verarbeitung
- lüfterlos
- kompakt
MINUS
- Cab-Sim sehr rudimentär, nicht schaltbar
- kein Line-Out für Preamp-Signal
(erschienen in Gitarre & Bass 05/2024)