(Bild: Dieter Stork)
Röhre trifft den Anwendungsbereich der Moderne: Nach dem IR-X und dem IR-D beschert uns David Friedman den dritten Pedal-Preamp mit zwei 12AX7-Vorstufenröhren, DSP-gesteuerter Power-Amp-Simulation und Impulse-Response-Integration samt Cab-Loader.
Beim IR-J stand der Sound des 100 Watt Flaggschiff Topteils JEL-100 Pate, seines Zeichens der erste Signature-Amp, den Friedman zusammen mit Jake E Lee designt hat und der dem ehemaligen Gitarrero von Ozzy Osbourne, Badlands und Red Dragon Cartel auf den Soundleib geschneidert wurde. Und im Gegensatz zu dem originären Friedman Signature Sound – so viel schon vorweg – tönt der IR-J um einiges unpolierter. Schließlich orientiert sich der Jake E Lee Sound an heiß gemachten Plexis und JCM 800.
David Friedman hat schon mit dem ersten Pedal-Preamp, dem auf dem BE-Sound basierenden IR-X, sein Gespür für die sich ändernden Bedürfnisse der Gitarrenwelt bewiesen. Der Trend geht zu handlichen Lösungen, die es erlauben, direkt aufzunehmen oder direktes Signal an das FOH zu geben. Zudem soll alles leicht auf ein Pedalboard montierbar sein und – natürlich – ausgezeichnet klingen.
Dabei hat David Friedman über die Jahre gezeigt, dass er zu den führenden Herstellern gehört, wenn es um zeitgenössische und moderne Sounds britischer Prägung geht. Seine Produkte genießen hohes Ansehen weltweit und werden von vielen Profis live und im Studio eingesetzt. Seit einiger Zeit residiert die Company unter dem Dach von Boutique Amps Distribution (B.A.D.), was gewisse Synergieeffekte mit sich bringt. Denn die DSP basierte Power-Amp-Simulation und die IR-Integration in den IR-Pedalen von Friedman stammt von Synergy, die ebenfalls zu B.A.D. gehören. Diese findet sich übrigens auch im Soldano Astro 20, Test in Ausgabe 03/2024.
GEHÄUSE UND AUFBAU
Bei allen „IR”-Modellen finden sich die gleichen Gehäusemaße sowie ein zweikanaliger Aufbau plus Boost. Beim IR-J ist die Optik an dem Rot des Jake E Lee Modells orientiert inklusive JEL-Logo. Zwei Kanäle plus jeweilige TS-style-Boosts stehen zur Verfügung. Wie bei den anderen „IR”-Modelle von Friedman werkeln auch im IR-J zwei 12AX7 unter hoher Spannung in der Vorstufensektion.
Jeder Kanal verfügt über Boost, Volume, Treble, Middle, Bass und Gain sowie 3 abrufbare Impulse Responses, die über „Cab/IR” ausgewählt werden. Beide Kanäle haben je einen Dreiweg-Bright-Switch für zusätzliche Sound-Anpassungen, Channel 2 zusätzlich noch einen Zwei-Wege-Gain-Schalter. Kanal 1 orientiert sich am Plexi-Sound, während Kanal 2 die Handschrift eines getunten JCM 800 trägt. Heiße Plexis und JCM 800 waren schließlich auch die Amps der Wahl, mit denen Jake E Lee seine Sounds in den Achtzigern kreierte.
(Bild: Dieter Stork)
Rechts auf dem Bedienfeld finden sich für jeden Kanal zwei Potis für Tone und Volume. Hierüber lassen sich die beiden Boost-Funktionen individualisieren. Damit stehen fußschaltbar über die robusten Schalter für Channel 1, Channel 2 und Boost insgesamt vier Sounds bereit.
Darüber hinaus haben die Fußschalter eine Doppelfunktion: Durch langes Drücken auf Channel 1 kann die IR-Simulation ausgeschaltet werden, so dass ein ungefiltertes DI-Signal am Ausgang anliegt, mit dem Fußschalter Channel 2 kann der Effekt-Loop ein- oder ausgeschaltet werden und mit einem langen Druck auf Boost kann ein Preset gespeichert werden.
Ja, der IR-J ist midifiziert. Auf der Rückseite befindet sich ein Midi-In für den Empfang etwaiger Control-Change- und Program-Change-MIDI-Befehle. Daneben findet sich der Anschluss für das USB-Kabel, mit dem IR-J an den Rechner angeschlossen wird, um den Editor zu nutzen. Ebenfalls vorhanden ist ein Kopfhörerausgang mit Miniklinken-Anschluss sowie Input, Send, Return und Balanced Out mit Stereoklinkenausgang. Der Groundlift-Switch kann Abhilfe bei Brummschleifen schaffen.
Strom erhält der IR-J durch ein externes 9-12-Volt-Netzteil, das 800mA bereitstellen muss. Für einen etwaigen Röhrenwechsel löst man vier Schrauben am Gehäuse. Hier sind zwei JJ 12AX7 vorzufinden. Insgesamt drei Platinen sitzen im Gehäuse auf engstem Raum, alles in allem fein säuberlich verarbeitet, Lüftungs-schlitze erlauben Kühlung am Sitz der Röhren.
(Bild: Dieter Stork)
DER EDITOR
Per Software-Editor lassen sich 128 Presets speichern. Allerdings werden dabei nicht die Poti-Stellungen gespeichert, sondern Kanal, Boost On/Off, Effektloop On/Off, Cab-IR sowie weitere im Editor je Kanal individuell einstellbare Parameter (wie „Thumb”, „Presence” und ein „Low Pass”- Filter, jeweils in drei Stellungen). Allein damit lassen sich schon diverse Soundvarianten erzeugen.
Zudem hat man über den Editor Zugriff auf die Impulse Responses. Ab Werk kommt der IR-J mit einer Vorkonfiguration von Dave Friedmans Favoriten.
Das sind IRs von OwnHammer zu folgenden Boxen:
1.) „OH BE-412 M6402″: Friedman BE-412 mit Celestion G12M-75 von 1989, mikrofoniert mit Shure SM57 und Sennheiser MD421.
2.) „OH BE-412 M75BB”: Friedman BE-412 mit Celestion „Black Back” G12M-75 von 1975, mikrofoniert mit Shure SM57 und Sennheiser MD421.
3.) „OH BE-412 EV12L”: Friedman BE-412 mit Electro Voice EVM-12L von 1989, mikrofoniert mit Shure SM57, Sennheiser MD421 und Royer 121.
Sobald man die zugehörige Software des IR-J von der Friedman-Webseite heruntergeladen und installiert hat, stehen weitere bereit. In Gänze sind 18 Impulse Responses in der Software inkludiert. Über die linke Seite des Editors können diese den einzelnen Slots im Gerät zugewiesen werden. Auch eigene Impulse Responses im Wave-Format können über den Editor genutzt werden.
SOUND UND PRAXIS
Zunächst darf der IR-J sich an den Studiomonitoren beweisen. Hierzu wird der symmetrische Line-Ausgang an mein Interface angeschlossen und über hochwertige Monitore abgehört. Los gehts in Channel 1: Bei moderatem Gain und Single-Coil-bestückter Gitarre ertönen typisch britische Clean-Sounds, die sofort zu gefallen wissen. Also wer glaubt, der IR-J wäre nur auf Krawall gebürstet, sieht sich hier schon eines Besseren belehrt.
Mit dem Bright-Switch kann auf Wunsch eine wirksame Anhebung der Höhen erreicht werden, die schon fast etwas zu spitz wirkt. Was sofort auffällt, ist die authentische Endstufensimulation: Denn je höher man das Volume dreht, desto mehr fährt der Sound in eine simulierte Endstufensättigung. Das ist richtig gut gemacht und klingt überzeugend. Aufgrund der offensichtlichen Orientierung am Plexi-Sound, ist es durchaus ratsam, den Mittenregler zu erforschen, um dem Sound etwas Körper hinzuzufügen.
Insgesamt bietet die Dreibandklangregelung im ersten Kanal genau das passende Spektrum für eine individuelle Anpassung der Tongestaltung. Zudem kann im Editor mit Presence und Thump Einfluss auf die Endstufensimulation genommen werden: Presence kann den Preamp entweder oben zähmen oder richtig kratzig rotzen lassen. Thump hingegen macht die tiefen Bässe schlanker oder gibt ein gehöriges Pfund hinzu. Mit dem Low-Pass-Filter lassen sich Feinjustierungen vornehmen.
Schaltet man nun noch den TS-style Boost – offenkundig am klassischen Tube Screamer orientiert – hinzu, lässt sich Channel 1 auch für fetten Crunch nutzen. Die typische TS-Mittennase kommt hinzu, dennoch bleibt der Sound erkennbar am Plexi orientiert, eben mit mehr Gain und etwas mehr Wumms. Das fühlt sich unter den Fingern sehr gut an. Kompliment.
Mal rüber in Channel 2: Aha, ich höre parallel Ozzy Osbournes ‚Bark At The Moon’ mit Jake E Lee aus den Monitoren. Ohne groß an den Reglern des IR-J zu drehen, komme ich mit einer Strat mit Steghumbucker mühelos in diese tonalen Gefilde. Dabei ist der Grundsound hier einfach rotziger, britischer und ungehobelter als zum Beispiel beim IR-X, dem ersten Röhren-Preamp-Pedal oder dem typischen Grundcharakter eines Friedman BE-Topteils.
Mit dem Gain-Switch schaltet man zwischen Lo und Hi-Gain und hat so entweder einen eher klassischen JMP/JCM-Sound oder einen Hot-Rod-Sound als Basis. Und wieder kommt dem Bright-Switch eine wichtige Bedeutung zu. In der oberen Stellung kommen schneidige Höhen und obere Mitten hinzu, was sich gut bei eher Humbucker bestückten Gitarren anbietet, während in der unteren Position der Sound voller und fetter wird und sich auch etwas weniger komprimiert anfühlt. Das klingt toll mit Single-Coils. Die Klangregelung arbeitet exakt wie im ersten Kanal und lässt variable und gleichzeitig praxisorientierte Einstellungen zu.
Ich habe die Mitten gern etwas angehoben, was dazu führt, dass dem raubeinigen Charme des britischen Hot-Rod-Grundsounds ein wenig „Süße” zugeführt wird. Insgesamt reicht das Spektrum im Channel 2 von JCM800-style Crunch bis hin zum gesättigten High-Gain – auf Wunsch und mit „Thump” in maximal Stellung mit ordentlich Schub in den unteren Bässen. Das drückt ordentlich aus den Monitoren und dürfte für Freunde von kantigen britischen Hi-Gain-Sounds eine wahre Freude sein. Dabei bleibt die Nähe zum bekannten Sound des Namensgebers Jake E Lee immer wahrnehmbar. Im IR-J ist folglich das drin, was draufsteht.