Flugtüchtig: Maybach Convair Custom Shop Special ’60 Slim Taper im Test
von Franz Holtmann, Artikel aus dem Archiv
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(Bild: Dieter Stork)
Wer bei Convair an Jets und Raketen denkt, der liegt nicht ganz falsch, gab es doch eine US-Firma solcher Produktion. Zwar hat die Maybach Convair mit Strahlantrieb und Überschallgeschwindigkeit nicht so viel zu tun, aber abheben kann man mit ihr dennoch.
Seit 2011 bereits werden unter dem Namen Maybach E-Gitarren gefertigt. Gegründet von Toni Götz (i-musicnetwork) entstehen in Kooperation mit einem tschechischen Hersteller vornehmlich klassisch fundierte Designs. 2020 übernimmt Nick Page die Verantwortung für den Maybach Custom Shop für nach Kundenwunsch gefertigte Instrumente. Nick ist darüber hinaus auch in die Optimierung der seriellen Produktion involviert. In der G&B-Ausgabe 10/20 stellte Michael Dommers den Prototypen der Convair vor. Schauen wir mal, was sich aktuell daraus entwickelt hat.
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GESUNDE GENE – FRISCHES BLUT
Die materialtechnischen und physikalischen Grundlagen des elektrischen Gitarrenbaus sind weitgehend ausgelotet, eine Handvoll Grundtypen haben sich etabliert und genießen überwiegend das große Publikumsinteresse. Was bleibt bei Nachschöpfungen klassischer Designs, ist Variation und die Implementierung von Finesse in Sachen Haptik und Sound.
So liegt uns auch mit der Convair Custom Shop Special ’60 Slim Taper Aged, so ihr vollständiger Name, ein klassisch angelehntes Singlecut-Design vor, allerdings im Vergleich mit einer Les Paul mit leicht verlängerter Korpusform und mit in florentinischem Stil recht spitz zugeschnittenem Cutaway. Der zweiteilig gefügten Korpusbasis aus Mahagoni wurden überdies vornehmlich im hinteren Bereich Kammerfräsungen gesetzt. Die aufgesetzte Decke aus Ahorn ist mit einem Binding aus Zelluloid Pearloid eingebunden. Am Halsansatz beträgt die Korpustiefe knapp 5 cm. Dem in Onyx Black deckend und glänzend lackierten Top wurde ein dezentes Aging verpasst. Der Boden und die Zargen sind, wie der Halsrücken auch, in einem Tabacco Brown Sunburst mit offenporigem Nitrolack dünn versiegelt.
Der einteilige Hals aus Mahagoni mit ’60-Slim-Taper- ‚D‘-Halsprofil – das Gegenstück zum ebenfalls erhältlichen 59er-Fat-Neck des Prototyp-Test-Instruments – wurde mit langem Halsfuß in den Korpus eingeleimt. Das mit Pearloid-Binding eingefasste Griffbrett aus Ebenholz mit 12“ Radius ist mit 22 seitlich sehr sorgfältig verrundeten und glänzend polierten Medium-Bünden ausgestattet. Dot Inlays markieren die Lagen.
Anstelle der recht gerade herausgeführten und bei Single-Cut-Gitarren eher selten zu findenden Fensterkopfplatte des Prototypen, ist die vorliegende Convair mit einem stärker abgewinkelten und geschlossenen Kopf ausgestattet, die passenden Kluson-Style Mechaniken inklusive. Über den fein bearbeiteten und sorgfältig gekerbten Knochensattel werden die Saiten mit 63-cm-Mensur zur TOM-Bridge mit Alu-Stoptail von Gotoh geführt.
Zwei PAF-Style Amber-Pickups („Spirit of 59“) mit spezi ellen Kappen im Gold Foil-Stil sorgen für angemessen stilgerechte Sounds. Kontrolliert werden sie ganz konventionell per Dreiwegschalter, Master-Volume und Master-Tone. Im großzügig gefrästen und von Kupferfolie isolierten Elektrofach finden wir zwei CTS 500K Pots.
Typische Nick-Page-Handschrift tragen dann auch noch auch das Schlagbrett und die Elektrofachdeckel aus Alu mit Paisley-Gravuren. Das Instrument ist rundum sauber verarbeitet und kam mit perfektem Setup zum Test. Geliefert wird es in einem rechteckigen Deluxe Case und mit Zertifikat.
Praxistest und Resümee auf Seite 2 …
(Bild: Dieter Stork)
PRÜFUNG DER LUFTTÜCHTIGKEIT
Die vorgelegte Convair-Version lässt sich mit dem ’60-Slim-Taper-‚D‘- Halsprofil bestens spielen, denn es ist maßvoll ausgelegt – Gibsons der frühen 60er-Jahre hatten teils noch deutlich flachere Halsprofile. Hier geht dank guter Halsbreite, angenehmer seitlicher Verrundung und praxisgerechter Einstellung alles bestens von der Hand. Ob ein Hals zur Hand passt, bleibt natürlich immer eine individuelle Angelegenheit.
Die Convair entzückt dann auf Anhieb mit immenser Schwingfreude und wunderbar rundem Ausdruck. Schon akustisch angespielt beeindruckt sie mit breit aufgezogenem Frequenzspektrum. Scharf umrissen rollen Akkorde wunderbar harmonisch ab und strecken sich lang, von Obertönen wie von innen angeblasen. Hm, dieser Sound ist schon besonders, zeigt mit feiner Perkussion sogar ein leicht semiakustisches Appeal im Anschlagsverhalten.
Das Sound-Gefüge stellt sich also durchaus anders dar, als wir es etwa von der Les Paul her kennen. Klangfarblich ist das zwar schon noch auf Single-Cut-Linie, kommt aber durchaus drahtig in der Struktur und dennoch cremig ineinandergreifend im harmonischen Miteinander der Stimmen im Akkord.
Am Amp bestätigt die Convair über die Amber-„Spirit of-59“ Pickups ihre hohe Kompetenz auch in elektrischer Hinsicht mit Bestimmtheit:
Der Hals-Pickup übersetzt Akkorde sehr schön voll und rund: durchlässig in der allgemeinen Darstellung, präzise und trocken im Bass und breit aufgelöst in den ausgesprochen frei aufleuchtenden Höhen. Die harmonische stimmliche Verschränkung stellt sich dabei wie eine einzige innige Umarmung dar, ohne aber der einzelnen Stimme die Luft zu nehmen. Aber auch der solistischen Ambition wird das Instrument über diesen zu recht vielgelobten Amber 59-Pickup mit spontaner Ansprache und differenzierter Anschlagsumsetzung gerecht. Die Plektrumaktion wird ausgesprochen präzise und dynamisch reflektiert, der Ton lässt sich nuanciert gestalten.
Gehaltene Noten entfalten sich mit enormer Haltekraft und klangfarblicher Delikatesse, schnell gespielte Linien erscheinen sauber definiert umrissen und schlonzen dennoch ganz wunderbar saftig ineinander (mjam!).
Dem will der Steg-Pickup nun aber keineswegs nachstehen und kontert mit impulsiv schlankem Muskelspiel. Etwas zurückgenommen vom Volumen her, aber durchaus kraftvoll drückt er schon bei klar eingestelltem Amp nach vorne durch, knipst einen zusätzlichen Scheinwerfer an und lässt Akkorde prachtvoll vital abrollen.
Bemerkenswert jetzt die Korrespondenz von knackig trockenen Bässen und aufleuchtenden Höhen in fabelhafter Abstimmung – kompakt und ausdrucksstark zugleich! Dieses Phänomen wird im Overdrive dann sogar nochmals forciert. Brust raus, Zähne zusammen: Trocken und konturstark pulsen Powerchords aus den Speakern, willig und mit enormer Schnellkraft sprinten solistische Noten aus den Startlöchern. Der Ton reißt perkussiv an, löst sich leicht und lässt sich mit dem Finger perfekt gestalten. Ob bissige Blues-Lines oder feurige Tappings, die gebotene Präsenz und tonale Potenz ist nur zu loben. Sehr schön lässt sich singen mit dieser leicht nasalen Stimme – der vokale Ausdruck sorgt für ein richtiggehend körperliches Gefühl. Oder du raspelst halt im High Gain die Kalotten durch. Auch das ist kein Problem mit der Convair, obwohl die elektrische Ausstattung eher differenziertes Vorgehen anrät und es für Kick-Ass-Sounds sicher auch bessere Waffen gibt.
In der Zusammenschaltung beider Pickups liegen dann alternativ auch noch sehr schöne, leicht ausgekehlte Sounds von klarer Durchsicht und besonderem Glanz an.
Für meinen Geschmack könnte lediglich das Verhältnis zwischen Hals- und Steg-Pickup etwas ausgeglichener eingestellt sein, aber den Halstonabnehmer runterzuschrauben wäre ja jetzt auch kein Ding und das kann natürlich jeder so haben wie er will.
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
In mancher Hinsicht ist eine Les Paul eine Les Paul. Dennoch kann wohl niemand behaupten: kennste eine, kennste alle! Die Maybach Convair Custom Shop Special ‘60 Slim Taper folgt in diesem Sinne zwar dem grundlegenden Prinzip, spricht dank durchaus eigenständiger Auslegung dann aber doch ganz selbstbewusst mit eigener Stimme. Die bleibt so weit im Kontext, dass sich Fremdeln ausschließt, wohl aber ein klangfarblicher Eindruck von Eleganz und Vitalität den Spieler gefangen nimmt.
Der Mix aus Schwingfreude, starker Obertonentfaltung und perkussiver Note mündet in einem vitalen farbstarken Klangverhalten, das von den Amber-Pickups souverän und hochklassig in Szene gesetzt wird. Der toll gestaltete Slim-Taper-Hals, eine rundum angenehme Haptik, das geringe Gewicht von 3,4 kg und die schon akustisch fulminante, wunderbar animierende Federkraft heben Maybachs Convair Custom Shop Special mit ‘60 Slim Taper Neck locker in die Oberklasse. Der verlangte Preis ist der hohen Güte wegen mehr als angemessen. Top!