Flugtüchtig: Maybach Convair Custom Shop Special ’60 Slim Taper im Test
von Franz Holtmann, Artikel aus dem Archiv
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(Bild: Dieter Stork)
PRÜFUNG DER LUFTTÜCHTIGKEIT
Die vorgelegte Convair-Version lässt sich mit dem ’60-Slim-Taper-‚D‘- Halsprofil bestens spielen, denn es ist maßvoll ausgelegt – Gibsons der frühen 60er-Jahre hatten teils noch deutlich flachere Halsprofile. Hier geht dank guter Halsbreite, angenehmer seitlicher Verrundung und praxisgerechter Einstellung alles bestens von der Hand. Ob ein Hals zur Hand passt, bleibt natürlich immer eine individuelle Angelegenheit.
Die Convair entzückt dann auf Anhieb mit immenser Schwingfreude und wunderbar rundem Ausdruck. Schon akustisch angespielt beeindruckt sie mit breit aufgezogenem Frequenzspektrum. Scharf umrissen rollen Akkorde wunderbar harmonisch ab und strecken sich lang, von Obertönen wie von innen angeblasen. Hm, dieser Sound ist schon besonders, zeigt mit feiner Perkussion sogar ein leicht semiakustisches Appeal im Anschlagsverhalten.
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Das Sound-Gefüge stellt sich also durchaus anders dar, als wir es etwa von der Les Paul her kennen. Klangfarblich ist das zwar schon noch auf Single-Cut-Linie, kommt aber durchaus drahtig in der Struktur und dennoch cremig ineinandergreifend im harmonischen Miteinander der Stimmen im Akkord.
Am Amp bestätigt die Convair über die Amber-„Spirit of-59“ Pickups ihre hohe Kompetenz auch in elektrischer Hinsicht mit Bestimmtheit:
Der Hals-Pickup übersetzt Akkorde sehr schön voll und rund: durchlässig in der allgemeinen Darstellung, präzise und trocken im Bass und breit aufgelöst in den ausgesprochen frei aufleuchtenden Höhen. Die harmonische stimmliche Verschränkung stellt sich dabei wie eine einzige innige Umarmung dar, ohne aber der einzelnen Stimme die Luft zu nehmen. Aber auch der solistischen Ambition wird das Instrument über diesen zu recht vielgelobten Amber 59-Pickup mit spontaner Ansprache und differenzierter Anschlagsumsetzung gerecht. Die Plektrumaktion wird ausgesprochen präzise und dynamisch reflektiert, der Ton lässt sich nuanciert gestalten.
Gehaltene Noten entfalten sich mit enormer Haltekraft und klangfarblicher Delikatesse, schnell gespielte Linien erscheinen sauber definiert umrissen und schlonzen dennoch ganz wunderbar saftig ineinander (mjam!).
Dem will der Steg-Pickup nun aber keineswegs nachstehen und kontert mit impulsiv schlankem Muskelspiel. Etwas zurückgenommen vom Volumen her, aber durchaus kraftvoll drückt er schon bei klar eingestelltem Amp nach vorne durch, knipst einen zusätzlichen Scheinwerfer an und lässt Akkorde prachtvoll vital abrollen.
Bemerkenswert jetzt die Korrespondenz von knackig trockenen Bässen und aufleuchtenden Höhen in fabelhafter Abstimmung – kompakt und ausdrucksstark zugleich! Dieses Phänomen wird im Overdrive dann sogar nochmals forciert. Brust raus, Zähne zusammen: Trocken und konturstark pulsen Powerchords aus den Speakern, willig und mit enormer Schnellkraft sprinten solistische Noten aus den Startlöchern. Der Ton reißt perkussiv an, löst sich leicht und lässt sich mit dem Finger perfekt gestalten. Ob bissige Blues-Lines oder feurige Tappings, die gebotene Präsenz und tonale Potenz ist nur zu loben. Sehr schön lässt sich singen mit dieser leicht nasalen Stimme – der vokale Ausdruck sorgt für ein richtiggehend körperliches Gefühl. Oder du raspelst halt im High Gain die Kalotten durch. Auch das ist kein Problem mit der Convair, obwohl die elektrische Ausstattung eher differenziertes Vorgehen anrät und es für Kick-Ass-Sounds sicher auch bessere Waffen gibt.
In der Zusammenschaltung beider Pickups liegen dann alternativ auch noch sehr schöne, leicht ausgekehlte Sounds von klarer Durchsicht und besonderem Glanz an.
Für meinen Geschmack könnte lediglich das Verhältnis zwischen Hals- und Steg-Pickup etwas ausgeglichener eingestellt sein, aber den Halstonabnehmer runterzuschrauben wäre ja jetzt auch kein Ding und das kann natürlich jeder so haben wie er will.
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
In mancher Hinsicht ist eine Les Paul eine Les Paul. Dennoch kann wohl niemand behaupten: kennste eine, kennste alle! Die Maybach Convair Custom Shop Special ‘60 Slim Taper folgt in diesem Sinne zwar dem grundlegenden Prinzip, spricht dank durchaus eigenständiger Auslegung dann aber doch ganz selbstbewusst mit eigener Stimme. Die bleibt so weit im Kontext, dass sich Fremdeln ausschließt, wohl aber ein klangfarblicher Eindruck von Eleganz und Vitalität den Spieler gefangen nimmt.
Der Mix aus Schwingfreude, starker Obertonentfaltung und perkussiver Note mündet in einem vitalen farbstarken Klangverhalten, das von den Amber-Pickups souverän und hochklassig in Szene gesetzt wird. Der toll gestaltete Slim-Taper-Hals, eine rundum angenehme Haptik, das geringe Gewicht von 3,4 kg und die schon akustisch fulminante, wunderbar animierende Federkraft heben Maybachs Convair Custom Shop Special mit ‘60 Slim Taper Neck locker in die Oberklasse. Der verlangte Preis ist der hohen Güte wegen mehr als angemessen. Top!