Das Modell LS10 Relic Master aus der Neo-Classic-Reihe ist Ergebnis einer ungewöhnlichen Kooperation. Der japanische Hersteller Fujigen lieferte im Auftrag seines deutschen Vertriebes Musik & Technik eine LS10 im Rohbau, die dann vom renommierten deutschen Gitarrenbauer Siggi Braun vollendet wurde. Siggi besorgte in seinem Custom Shop das Finish samt Aging, und richtete die Gitarre mit Pickups von Harry Häussel ein. Na, das ist doch mal was!
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Fujigen sammelte reichlich Erfahrungen mit diesem berühmten Single-Cutaway-Bautyp als Hersteller der Gibson/Orville-Modelle, welche von 1988 bis 1998 in Lizenz für den japanischen Markt hergestellt wurden. Die Serie der Relic Master kommt in einer limitierten Auflage von jeweils 30 Stück pro Modellversion an den Markt.
Konstruktion der FGN LS10 Relic Master
FGN nennt seine Konstruktion Neo Classic, kombiniert also namensgemäß die traditionell bewährte Konzeption mit modernen Features. Im wesentlichen Les Paul, was den Aufbau, die Holzwahl und die konkrete Konstruktionsmethode angeht, fließen aber zusätzlich aktuelle Aspekte in den Entwurf mit ein. Das ist natürlich auch bei dem besonderen Relic-Master-Modell der Fall, nur dass hier obendrein noch deutsche Gitarrenbaukunst eingebracht wurde.
Die Details: Der Korpus der Relic Master von klassischem Zuschnitt, lediglich das Cutway zeigt mehr Zuspitzung, ist aus zweiteilig mittig verleimtem Mahagoni von 4,5 cm Plattenstärke gefertigt, dem eine ebenfalls aus zwei Teilen gefügte Decke aus Ahorn (Plain Maple) mit Konturschnitt aufgesetzt wurde. Das umlaufende Decken-Binding lässt im Cutaway noch etwas von der Decke sehen. Der sehr schön im Stil der End-50er-Jahre profilierte Hals ist mit „Long Neck Tenon“ tief in den Korpus eingeleimt. Im Griffbrett von 12″ Radius aus Palisander wurden 22 sauber verarbeitete Bünde mittlerer Jumbostärke im „Circle Fretting System“ platziert. Diese patentierte Methode zur Optimierung der Intonation sorgt durch leicht gebogene Bünde für einen in jeder Position gewährleisteten Aufsatzpunkt der Saiten auf dem Bund von 90º, gleicht somit also die kleinen Abweichungen durch die aufsteigende Saitenspreizung in Richtung Brücke aus. Trapez-Einlagen kennzeichnen die Lagen. Die stark abgewinkelte Kopfplatte (18º) mit goldenem FGN-Logo auf schwarzer Front trägt künstlich gealterte Kluson-Deluxe-Mechaniken von Gotoh.
Wie schon erwähnt, kamen die Gitarren aus der Relic-Master-Reihe im unlackierten Zustand nach Deutschland, wo zunächst das Finish und dann dessen künstliche vorzeitige Alterung vom Custom Shop Siggi Braun fachmännisch erledigt wurden. Da könnte man also ein frisches junges Ding haben, aber nee, wat auffe Fresse damit die alt aussieht, denn Oma hat doch viel mehr Erfahrung. Urrgh – hört das denn nie auf? Na, immerhin gibt man sich offenbar mehr Mühe, damit gut tönt und lange hält, was ja nur äußerlich zum Wrack gemacht wurde. Also dünne Nitro-Lackierung appliziert, beim Testmodell Cherry Sunburst, dann mit viel Mühe, beinahe hätte ich Liebe gesagt, Schrunden und Blessuren zugefügt.
Braucht so ein ausgebildeter Gitarrenbauer, Held der Präzision und der detaillierten Arbeitsweise, nach solchen Untaten eigentlich psychische Aufheller? Trägt er gar eine Maske beim Schlitzen, Kratzen und Schlagen? Man weiß es nicht. Immerhin kommt das Aging tatsächlich recht authentisch rüber, zumindest beim Testmodell, und das schließt alle Oberflächen mit ein, also auch Mechaniken, Bindings, Pickguard, Potiknöpfe, Hardware etc. – apropos Hardware: die Gitarre verfügt über eine Tune-o-matic-Bridge im alten Stil (mit Federchen) und Stoptail von Gotoh.
Als Bonus für das limitierte Relic-Master-Modell wurden leistungsstarke Pickups von Harry Häussel mit patinierten Nickelkappen eingebaut. Am Hals sitzt der VIN, am Steg der VIN+. Geschaltet werden die mit dem üblichen Dreiwege-Toggle. Konventionell natürlich auch die Regelmimik mit individuellen Volume- und Tone-Potis. Die von Siggi Braun montierte Elektrik umfasst selbstredend weitere hochwertige Bauteile wie CTS-500-kOhm-Pots und TAD-Kondensatoren.
Die FGN LS10 Relic Master in der Praxis
Das vorliegende FGN-LS10-Relic-Master-Modell ist für seine Klasse mit runden 4 kg ein gut tragbares Instrument, das es auch in anderer Hinsicht nicht an seriösem Komfort mangeln lässt. Sein Hals nämlich wurde mit diesem sehr gelungenen End-50er-Profil ausgestattet – schon breit und kraftvoll, aber nicht zu fett und sehr schön verrundet an den Schultern. In Verbindung mit dem 12″-Radius des Palisandergriffbretts, polierter Bundierung und bester Einstellung der Saitenlage kommt das der linken Hand mit höchst erfreulichen Spieleigenschaften entgegen. Alles fühlt sich einfach stramm und richtig an. Aber das dicke Ende kommt ja erst noch, denn die Klangsubstanz dieser Gitarre ist einfach großartig. Ansprache, Sustain, Saitentrennung, Glockenton – das alles ist nicht weniger, als ein akustisches Versprechen für die starke elektrische Tonsprache der Relic Master. Wie sagt doch ein kluger amerikanischer Pickup-Wickler zu Recht: bei Tonabnehmern geht es eigentlich nicht um Output, sondern viel mehr um Input. Na klar, so gut ein Pickup auch sein mag, er kann in elektrisches Signal nur wandeln, was er an akustischen Schwingungen angeboten bekommt. Das prüfen wir jetzt gleich nach:
Das klare, lang anhaltende und wunderbar harmonisch, elegant aufgelöste Klangbild der Gitarre trifft in diesem Fall auf kompetente Partner und das sind Harry Häussels VIN- und VIN+-Humbucker. Pickups die genau das umsetzen, was ihr Name verspricht.
Über den VIN in der Halsposition gespielt, erweist sich die zuvor schon gelobte transparente Darstellung als beste Grundlage für die Arbeit mit Akkorden. Klangfarblich stehen wir auf dem sicheren Grund der am PAF ausgerichteten Tonformung, nur eben tendenziell kraftvoller und moderner. Gut gewichtet, also eher schlank im Bass, bauen darauf sauber gegliederte Mitten und bemerkenswert freie Höhen den sich geschmeidig öffnenden, glockenklaren Mehrklang. Das hat etwas Leichtfüßiges, irgendwie Gutwilliges. Ein Sound den man nicht erst lang bitten muss, der sich anschlagspräzise formen lässt und der dem Plektrum mit dynamischem Reflex folgt.
Gehen wir in die Zerr-Abteilung des Amps, so kommt die FGN über den Hals-Pickup zu den erwartet starken Linien. Akzentuiert wird der Anschlag herausgestellt, satt und lang streckt sich die gehaltene Note. Farben lassen sich durch das variabel eingesetzte Plektrum aufrufen, Obertöne schweben elegant ein. Spielen wir dagegen schnelle Leadlines, so schmelzen die Töne saftig ineinander, vermitteln dieses markante wonnige Schmatzen alter Schule.
Der Vin+ am Steg hat etwas mehr Output als sein Kollege am Hals, wartet aber dennoch mit bemerkenswerter Höhenausstattung auf. Natürlich drückt er etwas mehr aus der Mitte heraus, aber das ist ja auch so gewollt. In rhythmischer Hinsicht steht er auf jeden Fall in so gut wie jeder Hinsicht seinen Mann. Seine wahre Domäne ist allerdings das Muskelspiel in Overdrive-Positionen. In der Relic Master läuft er jedenfalls zur Hochform auf. Seinen Anspruch auf die hohen Ränge markiert er schon bei wuchtigen, mit Prägnanz und Druck vorgetragenen Powerchords, lässt dann aber mit zupackender Aggressivität und höchst definierter Präsenz bissige Leadlines geradezu lustvoll fliegen. Der Ton verfügt über große innere Festigkeit, bestens definierte Kontur und eine wohldosierte Kompression. Nehmen wir aber das Volume-Poti etwas zurück (kurzer Regelweg), so klärt sich das Bild schnell auf in einen eher drahtigen Crunch-Sound. Sehr schön, wie im Übrigen auch die Arbeit mit dem feinstufig abregelnden Tone-Poti zu loben ist.
Die Differenz im Output der Häussel-Pickups sorgt letztlich auch bei den zusammengeschalteten Tonabnehmern für einen wunderbar offenen Sound, der vom etwas stärker gewickelten Steg-Humbucker einen Schuss mehr Licht erhält, als das bei gänzlich ausgeglichenen Ausgangsleistungen der Fall wäre. Auch mit dieser dritten Klangoption kommt also nichts als Freude auf.
Resümee
Mit der LS10 Relic Master legt FGN auf Initiative des deutschen Vertriebs Musik &Technik hin ein starkes, vom Custom Shop Siggi Braun effektiv veredeltes Instrument vor, das in der Testversion ein beachtliches Niveau erreicht. Mit bereits gebauten Les Pauls könnte man wahrscheinlich schon eine Treppe zum Mond bauen, da kommt es also auf Steigerung, auf die Realisierung und Visualisierung besonderer Eigenschaften an. Und in welche Richtung zielt zumindest Letztere? Ganz genau: nach hinten. Alles schon gesagt und doch nie wieder erreicht? Seltsame, rückwärts gerichtete Tendenz in einer Gesellschaft, die doch sonst das Alte und das Alter nicht schätzt.
Aus konservativer Sicht liegt der Zenit der Les Paul also schon gut 50 Jahre zurück und ja, das waren stilbildende und klangprägende Instrumente. Aber hat die LS10 diesen Kniefall vor der Ikone in Sachen Optik eigentlich nötig? Eigentlich kaum, wäre nicht zu beobachten, dass diese Relic-Instrumente einfach grundsätzlich mehr Aufmerksamkeit erfahren, was sich selbstredend auf die Qualität, wie auf den Preis niederschlägt. Die Substanz entspricht weitgehend dem Standardmodell, aber das Plus der Relic Master in Sachen Klang entsteht durch eine Summe von in Siggi Brauns Custom Shop sachkundig kombinierten Details, wie dünne Nitrolackierung, Einrichtung der Hardware und Elektrik, Setup und nicht zuletzt durch die famosen Häussel-Pickups, welche dann doch, obwohl angelehnt an den Sound guter alter Tage, etwas kraftvoller ausgerichtet den Kick mehr an modernem Sound ausmachen und das ist auch gut so.
Extra
Zum Vergleich standen uns noch zwei weitere Gitarren aus der Relic-Master-Reihe zur Verfügung: eine Custom-Ausführung und eine Goldtop. Prinzipiell ähnlich was den technischen Aufbau angeht, war die mit Multi-Binding, schwarzem Schlagbrett, Grover-Mechaniken und Pickups ohne Kappen ausgestattete Custom mit 4,2 kg standesgemäß etwas schwerer, die Goldtop entsprach abgesehen von der Farbe etwa der Sunburst. Die Vergleichsinstrumente wiesen optisch etwas gröbere Bearbeitung auf, das heftige Aging der Custom auf Kosten großflächiger Lackpartien täuscht gar den Umgang einer wilden Rockernatur mit diesem Instrument vor. Die Goldtop dagegen wurde offensichtlich vom Struwwelpeter gespielt, dessen lange Fingernägel beim Griff an die Regler schwere Spuren auf der Decke hinterlassen haben. Er muss auch sonst eine interessante Spieltechnik gehabt haben, um die untere Halspartie so stark zu schänden, wie hier zu sehen. Egal, ein „Aging zum Niederknien“ eben – vom Klang her sind die Sprünge zwischen den Instrumenten nicht bemerkenswert groß, auch wenn bei der Custom etwas mehr direkte Offenheit im elektrischen Ton zu spüren ist. Da fehlen halt die Kappen der Pickups und man unterschätze auch nicht den Einfluss der massiveren Grover-Mechaniken. Alles in allem sind diese Relic-Master-Gitarren aber offenbar in verlässlicher Manier und mit Sorgfalt von Siggi Braun und seinen Mannen ins Gebet genommen worden, sodass der Kunde auf jeden Fall mehr als Standard erwarten kann. Das gilt auch für die verbaute Elektrik, denn auch die hat der Siggi chefmäßig eingerichtet und so kann man letztlich diese gelungene deutsch-japanische Zusammenarbeit doch nur loben. In Vorbereitung ist übrigens eine FGN Relic Tele, die in Kürze präsentiert werden wird.