In den späten 60ern war Wayne Kramer Gitarrist der erfolgreichen Detroiter Rock-Band MC5 (Motor City 5), die für ihre lauten, ekstatischen Performances und ultra-linke politische Haltung bekannt war. Persönliche, aber auch Drogenprobleme führten bald zum Split; für Kramer folgten harte Jahre inklusive Knastaufenthalt. Nach langem Kampf, vor allem mit sich selbst, konnte er in den 90ern wieder im Musik-Business Fuß fassen.
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Ob Fender nun die Popularität, das politische und soziale Engagement, die musikalischen Qualitäten oder einfach die auffällige Optik Wayne Kramers original Endsechziger-Strat dazu veranlasste, dem Ausnahmekünstler ein Artist-Modell zu widmen, entzieht sich meiner Kenntnis. Wahrscheinlich von allem etwas …
Konstruktion der Fender Wayne Kramer Signature Strat
Vorbild dieser Signature Strat ist Kramers Originalgitarre, eine hinsichtlich Finish, Humbucker (in der Mittelposition) und Fünfwegschalter modifizierte Hardtail Stratocaster mit großer Kopfplatte, Fender F-Tunern und vierfacher Halsverschraubung. Gemessen an Fenders Modellreihen würde sie sowohl in die Artist- als auch die Road-Worn-Reihe passen, denn die Nitrolackierung des Erlenkorpus wie auch die Frontkanten der Kopfplatte hat man ordentlich misshandelt und ziemlich authentisch mit – Achtung Fachjargon! – Dings, Dongs, Finish Chips und Weather Checking versehen. Lediglich die „Gürtelschnallen-Schäden“ muten ein wenig amateurhaft an. Aber was soll’s, die Gitarre wird schließlich nicht im Custom Shop gefertigt. Schaltungstechnisch liegt ein traditionelles Fünfweg-Strat-Layout vor, der Seymour Duncan 59 Humbucker ersetzt lediglich den gewohnten mittleren Einspuler, haust aber im eigenen Rähmchen auf der Sternen-Schlagplatte und fügt sich schnörkellos und ohne Raffinessen in die Schaltung ein. Lobenswert ist, dass Fender hier, wie in Custom-Shop-Modellen, CTS-Potis und CRL-Schalter verwendet. Bei den Singlecoils handelt es sich um Vintage-Style-Strat-Typen mit gestaggerten Magneten.
Sicher und stabil sitzt der Ahornhals in seiner präzise gefrästen Tasche. 21 tadellos bearbeitete und polierte Spaghetti-Bünde verteilen sich über das mittels Perloid Dots markierte und mit 7,25 Zoll stark gewölbte Palisandergriffbrett. Über den perfekt aus- und abgerichteten Sattel erreichen die Saiten die tadellos arbeitenden F-Tuner, die ebenso historisch korrekt sind wie der einzelne Niederhalter für das E1/H2-Saitenpaar.
Seit eh und je bilden Stratocasters mit festem Strings-thru-body-Steg eine Minderheit, sind also auch unter Vintage-Gitarren eher selten anzutreffen. Warum aber soll das, was sich bei der Telecaster bewährt hat, nicht auch einer Strat gut zu Gesicht stehen? Auf der Rückseite nehmen eingelassene Hülsen die Saitenringe auf, und wie gewohnt lassen sich die sechs Reiter hinsichtlich Saitenlage und Oktave justieren.
Die Fender Wayne Kramer Signature Strat in der Praxis
Über die Ergonomie einer Strat muss man keine Worte verlieren, diesbezüglich stimmt einfach alles. Das schlanke C-Profil des Halses liegt perfekt in der Hand, die verrundeten Griffbrett- und Bundkanten wie auch die 7,25″-Wölbung lassen sich sogar bei Daumeneinsatz entspannt handhaben.
Body und Hals zeigen sehr gute Resonanzeigenschaften und schwingen nach jedem Saitenanschlag intensiv und lange. Die Gitarre klingt kraftvoll und ausgewogen, spricht blitzschnell und direkt an und sprudelt bei der Tonentfaltung flink und lebendig drauflos. Zudem entwickelt sie eine exzellente Dynamik, die vorbildlich jede Form von Tonbildung unterstützt.
Während der Hals-Pickup die beliebten bluesig bauchigen, fetten Strat-Sounds mit voluminös schmatzenden Bässen und Mitten sowie glasklaren Höhen abliefert und Akkorde stets hohe Transparenz, Ausgewogenheit und Vitalität zeigen, bemüht sich der mittenreicher ausgerichtete Steg-Singlecoil, die bisweilen nervige Brillanz und Schärfe in Grenzen zu halten. Das gelingt ihm auch vorzüglich. Wie die Gitarre selbst, so reagieren auch die Pickups sensibel auf facettenreiches, dynamisches Spiel, was sich bei cleanen wie auch Overdrive-Sachen in unterschiedlichsten Klangfarben und Verzerrungsgraden widerspiegelt. Die Besonderheit der Wayne Kramer Strat ist ohne Frage der mittig angeordnete Humbucker, übrigens die umgekehrt montierte Neck-Version des Seymour Duncan 59 (SH-1N), der der Gitarre eigenständige Klangvarianten beschert. Zwar besitzt er in dieser Position tendenziell ein ähnliches Klangbild, tönt jedoch fetter, breiter und wärmer als der sonst übliche Einspuler, vor allem aber lauter als seine beiden Nachbarn. Der eigentliche Reiz der Schaltung liegt für mich in den Pickup-Paarungen der Schalterpositionen 2 und 4, die erheblich voluminöser und druckvoller klingen, auch beim Zerren mehr Druck machen aber niemals das beliebte Näseln vermissen lassen. Zudem reduziert der Humbucker auch in den Zwischenpositionen zerrbedingte Nebengeräusche. Schalter und Potis agieren sehr geschmeidig, Letztere mit gleichförmiger Regelcharakteristik.
Resümee
Kaum zu glauben, aber es gibt offenbar immer noch Gitarren, in die ich mich spontan verlieben könnte. Fenders Wayne Kramer Signature Strat ist eine solche. Diese Axt bluest, funkt und rockt wie der Teufel, vor allem Letzteres! Angenehmes Gewicht, extrem schwingungsfreudig und dynamisch, spitzen Sounds, klasse Komponenten, top verarbeitet, geschmackvoll und authentisch gerelict, exzellente Bespielbarkeit – einfach wunderbar. Allerdings: Das Nitro-Finish duftet etwas streng …