Extended Range Guitars: NAMM 2019 Highlights

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Schöne Überraschung: Eine Hapas-Kayzer-7-String auf der NAMM!

Der wichtigste Termin des Jahres in Sachen neue Gitarren und Gear stand schon wieder vor der Tür und obwohl aus meinem Besuch beinah nichts werden sollte, konnte ich schlussendlich doch zum dritten Mal in Folge nach Anaheim aufbrechen. Und wieder blieb kein Highlight unentdeckt, ganz im Gegenteil: In diesem Jahr gab es ein paar große Überraschungen und persönliche Höhepunkte, die in den kommenden Jahren schwer zu übertreffen sein dürften.

Der Kreis schließt sich

Fangen wir direkt mit einem meiner größten Highlights an, auch wenn ich dafür etwas ausholen muss. Wie meinen regelmäßigen Lesern bekannt sein dürfte, hat mich die Band Fear Factory und deren Gitarrist Dino Cazares in den späten 90ern maßgeblich dazu inspiriert, selbst Gitarrist werden zu wollen. Besonders die Alben ‚Demanufacture‘ und das erste Fear Factory Siebensaiter-Album ‚Obsolete‘ sorgten dafür, dass ich schon sehr früh 7-Strings für mich entdeckte. Dino Cazares verließ die Band für eine Weile und ist seit 2009 wieder mit dabei und 2014 gab es endlich die von Fans lang ersehnte Ibanez DCM100 Dino Cazares Signature, die ich mir schon allein aus Nostalgie nicht entgehen lassen konnte – ganz davon abgesehen, dass die DCM ein phänomenales Instrument ist.

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In den letzten zwei Jahren hatte ich mit Dino ab und an Kontakt via Instagram. Ein paar Wochen vor der NAMM fragte er mich überraschend nach meiner Nummer und rief mich an. Hätte ich meinem Teenager-Ich gesteckt, dass ich ca. 20 Jahre nachdem Fear Factory mein Leben für immer verändern sollten mit dessen Gitarristen am Telefon ungezwungen über Gitarren und Gear quatschen würde, hätte ich wohl nur laut und ungläubig gelacht.

Und Dino hatte auch wirklich ziemlich große Neuigkeiten in petto! Nach über 20 Jahren als Ibanez Artist stand für ihn nämlich ein Wechsel zu Ormsby Guitars an – und er zeigte mir direkt seine neuen, vom australischen Custom Shop gebauten Prototypen, die natürlich auf der NAMM vorgestellt werden würden. Somit war ich gut auf das Event eingestimmt und die Vorfreude, Dino zu treffen und seine neuen Klampfen anzuspielen tat ihr Übriges.

Tag 1

Am ersten Tag ging es also, wie angekündigt, schnurstracks zum Stand von Ormsby Guitars, um die neuen Dino-Cazares-Modelle zu begutachten – ihr lest richtig, es gibt gleich mehrere! Zum einen war eine Bariton-7-String mit schwarz gebeiztem Eschekorpus ausgestellt, aber der wirkliche Eyecatcher war die Multiscale-7-String im Red-Camo-Finish.

Die zwei Dino-Cazares-Signature-Prototypen von Ormsby Guitars …

Ormsby sind ja besonders für ihre Fanned-Fret-Gitarren bekannt – angenehmerweise ist die Mensur des neuen Dino-Cazares-Signature-Modells weniger extrem gefächert als sonst bei Ormsby üblich. Gediegenere Multiscale-Konstruktionen sind sowieso etwas, wovon es nicht genug gibt, von daher denke ich, dass die Australier hier zusammen mit dem Fear-Factory-Gitarristen einen echten Volltreffer landen konnten!

Mit Dino wechselte ich natürlich auch ein paar Worte und stellte fest, dass der Mann definitiv ein Gear Nerd erster Güte ist! Eigentlich ging es die ganze Zeit nur darum, ob ich schon die „Gitarre X“ oder den „Amp Y“ in den Messehallen gecheckt hätte. Bevor ich aufbrach um dies zu tun, stolperte ich noch über die wahrlich irrwitzige Ormsby-Rusty-Cooley-Signature, wobei Rusty zunächst unbemerkt unser Gespräch belauschte, um sich dann überraschend mit einzubringen und uns sein neues Baby zu erklären.

… und die Fear Factory Riff-Mann/Maschine höchstpersönlich!

Und das gute Stück ist wirklich innovativ: Trotz gefächerter Bünde hat die Gitarre nicht nur ein Floyd Rose, sondern auch einen von Master Builder Perry Ormsby angefertigten, abgewinkelten Locking-Sattel!

Nach dem Stop bei Ormsby ging es weiter zum Fortin-Amplification-Stand, wo mein Kumpel Kyle von den Death Metallern Vitriol gerade mit seiner Performance anfing. Kyle verbrachte dann mehr oder weniger den Rest der NAMM mit uns, und so zogen wir weiter und stoppten zunächst mal bei Kiesel Guitars, die dieses Jahr leider nicht wahnsinnig viele Neuigkeiten hatten. Eine eher klassisch gehaltene Strat in Siebensaitiger-Ausführung war bei Kiesel das absolute Highlight, aber die Semi Custom-Schmiede aus Kalifornien hatte in vergangenen Jahren auf der NAMM schon etwas radikalere Neuheiten aufgefahren.

Neues von Kiesel Guitars

Radikal ist allerdings ein Stichwort, das definitiv zu unserer nächsten Entdeckung wie die Faust aufs Auge passt: Die Caparison Orbit 7-CZQ. Dabei handelt es sich um eine weiße 7-String V-Form mit goldenem Mirror Pickguard, goldener Hardware und einem Ahorngriffbrett mit den ikonischen Clock Inlays. Viel extravaganter war auf der NAMM dieses Jahr kein Serien-Modell, so viel steht mal fest! Ich war außerdem überrascht von dem niedrigen Gewicht der 7-CZQ, denn die Gitarre war trotz ihres eleganten Styles durchaus ein ziemliches Schlachtschiff – geiles Teil!

Hingucker: die 7-CZQ von Caparison

Tag 2

Für den zweiten Tag auf der NAMM hatten wir uns vorgenommen, zwei absoluten Metal-Gitarren-Giganten auf den Zahn zu fühlen – Ibanez und ESP! Auf beide war ich aus ganz verschiedenen Gründen sehr gespannt, aber zunächst mal ging es zu Ibanez, um die neu aufgelegte XL-Serie zu begutachten.

Ich hatte ja erst kürzlich ausführlich hier über die Ibanez-XL-Serie gesprochen und meine RG2077XL sowie RG7421XL vorgestellt. Gerüchte zu einer Neuauflage hatte ich zum damaligen Zeitpunkt schon gehört und tatsächlich sollten sie sich bewahrheiten: Die Japaner hatten direkt zwei neue XL-Modelle zur NAMM mitgebracht: Die RG2027XL Prestige und die RGIXL7 aus der Iron-Label-Serie.

Heiß ersehnt: Die Neuauflage der Ibanez-XL-Serie

Letztere deckt auf dem Papier einige für mich wirklich heißbegehrte Eckdaten ab – besonders der Swamp Ash Body, die feste Brücke und die umgedrehte Kopfplatte haben es mir angetan. Mit der Iron-Label-Serie habe ich allerdings in der Vergangenheit gemischte Erfahrungen gemacht und auch die RGIXL7 präsentierte sich durchaus etwas durchwachsener als ich es erwartet hatte. Zunächst mal war die Gitarre für ein Instrument mit Sumpfesche-Korpus überraschend schwer und auch das Finish traf nicht meinen persönlichen Geschmack: Der karamellfarben gebeizte Korpus erinnert mich ein wenig an 90er-Jahre-Möbel, aber da werden sich sicher die Geister scheiden…

Ich setzte also all meine Hoffnung in die RG2027XL – die Gitarre, die den Originalen am ähnlichsten sieht. Aber um Verwirrungen zu vermeiden, hier noch mal ein kurzer Überlick: Es gab in den frühen 2000ern drei siebensaitige XL-Modelle: Die RG7421XL sowie die RG1077XL, die 2003 von der RG2077XL abgelöst wurde.

Neben einem neuen Vibrato-System gab es ein paar marginale Upgrades und Modifikationen, aber im Grunde genommen verschwimmen die Grenzen zwischen beiden Modellen doch stark. Das 2019er-Modell bedient sich vor allem bei der RG1077XL, denn beide sind mit dem Lo-Pro-Edge Vibrato von Ibanez ausgestattet und haben darüber hinaus ein beinahe identisches Aussehen.

Glücklicherweise hat Ibanez der neuen RG2027XL eine modernere H-H-Pickup- Bestückung spendiert, die auf den meiner Meinung nach überflüssigen, zusätzlichen Mittel-Singlecoil verzichtet. Und statt des dreiteiligen Halses setzt die neue XL-Prestige auf einen Fünfteiler mit Ebenholz statt Palisander als Griffbrettmaterial. Als großer Fan der originalen XL-Hälse war ich natürlich gespannt, ob das Halsprofil der Neuauflage mit den Vorbildern mithalten kann, und das Fazit lautet: Jein.

Der neue Hals ist noch immer Ibanez-typisch flach, hat aber definitiv ein spürbares D-Profil mit ausgeprägteren Schultern, während die alten XLs mit einem ultra flachen C daherkamen. Mir persönlich ist Letzteres zwar lieber, aber das ist natürlich auch wieder Geschmackssache. Ansonsten wirkte die RG2027XL rundum solide und hochwertig – wie man das von der Prestige Serie eben gewöhnt ist.

Unsere nächste Station war also ESP Guitars und ich war wirklich sehr gespannt auf das diesjährige Modell-Lineup. ESP zählte zu meinen absoluten Highlights auf der NAMM 2018, ich war also gespannt, ob die Japaner das dieses Jahr toppen würden.

Besonders der noch recht junge USA Semi Custom Shop war dieses Jahr mit etlichen Gitarren vertreten, die vor allem mit wahnsinnig aufwendigen Finishes beeindrucken konnten. Viele ERGs findet man im Made-in-USA-Lineup leider noch nicht, aber das kann in den nächsten Jahren ja noch werden. Im krassen Gegensatz dazu stehen die ESP/E-II und LTD-Lineups, die einen gigantischen Anteil an Extended-Range und Extended-Scale-Gitarren beherbergen – wir reden hier von 45 Modellen! Davon sind allein 32 Siebensaiter, acht 8-Strings und immerhin fünf Bariton-6er.

Ein besonderer – wenn auch polarisierender – Eyecatcher war die neue LTD Stephen Carpenter (Deftones) Bariton 7-String Signature in einem matten Lavendel-Finish. Ich habe wirklich meine Schwierigkeiten mit dieser Lackierung, aber davon abgesehen war die Gitarre wirklich beeindruckend. Top Bespielbarkeit, angenehmes Gewicht, 1A Qualität und Verarbeitung sowie lediglich ein einzelner Pickup an der Bridge – die Spezifikationen sprechen ganz meine Sprache, wenn da nur die Farbe nicht wäre…

Bis aufs polarisierende Finish ein Volltreffer: Die neue Stephen-Carpenter-LTD-7-String in matter Lavendel Lackierung

Trotzdem ein tolles Instrument! Auch die Viper-Bariton-Siebensaiter aus der LTD-Black-Metal-Serie war wirklich cool! Und wie der Name der Serie schon andeutet, handelt es sich hierbei um Gitarren in mattem pechschwarz mit super schnörkellosen Specs, die das Metaller-Herz höher schlagen lassen. Darüber hinaus haben besonders die E-II-7-Strings wie immer zu überzeugen gewusst.

Für alle die es nicht wissen: Bei E-II handelt es sich um das Rebranding der ESP-Standard-Serie. Die Gitarren werden nach wie vor in Japan gebaut und sind qualitativ dementsprechend über jeden Zweifel erhaben. Mein Favorit ist neben der TB-7 Telecaster, die ich an dieser Stelle bereits rezensiert habe, vor allem die Horizon NT-7B mit einer Hipshot Bridge. Diese gibt es ab 2019 in sage und schreibe drei Finishes, die außerdem jeweils mit verschiedenen Pickup-Bestückungen erhältlich sind.

Tag 3

Am dritten Tag haben wir uns ein paar exotischere Custom-Shop-Stände angeschaut und sind dabei gleich über mehrere Highlights gestolpert. Bei Aristides gab es z. B. eine 7-String mit Chrom Finish zu bestaunen, Red Layer Guitars aus den Niederlanden konnten mit ihren aggressiven Formen und wirklich außergewöhnlichen Finishes beeindrucken, Roehrs Guitars stellten eine absolut wahnwitzige, Jackson-Warrior-Form basierte Achtsaiter vor und sogar meine Berliner Freunde von Hapas Guitars konnten zu meiner großen Freude eine 7-String-Kayzer am Stand von Neural DSP platzieren.

Red Layer Guitars: Die aggressive, an die Schecter Avenger angelehnte Form weiß zu gefallen...
Kyle und ich mit zwei Roehrs-Guitars-Schlachtschiffen
Schöne Überraschung: Eine Hapas-Kayzer-7-String auf der NAMM!

Super beeindruckend waren auch die futuristischen Instrumente des verheirateten Duos von Padalka Guitars aus Russland. Designt werden die Instrumente komplett von Daria Padalka – bauen tut sie Ehemann Simon. Das Level an Innovation, Präzision und Qualität, das Padalka Guitars auffahren, sucht selbst im bestens aufgestellten Custom-Shop-Segment seinesgleichen.

Custom Shop Perfektion: Die Instrumente von Padalka Guitars

Die Kombination aus wunderschönen, exotischen Hölzern und industriell anmutenden Designs hat visionäre Qualitäten, die man zuletzt in Ansätzen bei .strandberg* Guitars vorfinden konnte.

Fast klassisches Styling bei .strandberg* Guitars

Und damit kommt mein NAMM-Bericht 2019 auch schon zum Ende. Ich hatte eine Menge Spaß auf der Messe – mehr noch als in den vergangen Jahren. Erfreulicherweise konnte ich auch wieder meine G&B-Kollegen auf ein Abendessen treffen und überhaupt war die NAMM in diesem Jahr für mich von freundlichen und freundschaftlichen Begegnungen geprägt – bis zum nächsten Jahr also!

Das Gitarren-gewordene Extended-Range-Meme zum Anfassen

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2019)

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