+++ Plus: Soulfly-Bassist Mike Leon im Interview! +++

Experience the Riff Vortex: ESP LTD MLB-4 im Test

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(Bild: Dieter Stork)

LEICHT UND HEAVY

Der erste Eindruck ist schon mal gut: Der MLB-4 kommt in einem schicken, hochwertigen Koffer. Seine Optik gefällt mir in ihrem schwarzen Understatement sehr gut. So auffällig unauffällig das ist, so wenig fällt mir zunächst die verlängerte Mensur auf. Der Bass ist genauso kompakt wie ein normaler Longscale, mein linker Arm muss sich auch nicht weiter strecken als sonst. Dabei hilft die ausgesprochen gute Balance, egal ob im Sitzen oder mit einem Gurt an den konventionellen Pins. Mit einem Gewicht von nur 3,7 Kilo bietet der Bass in dieser Hinsicht schon mal maximalen Komfort. In Bezug auf die Bespielbarkeit muss eigentlich nichts eingestellt werden, routinemäßig drehe ich trotzdem an allem. Der Halsstab arbeitet sauber, Oktave und Saitenlage sind ebenfalls easy einzurichten. Die Brücke hat, so wie ich es mag, noch viel Einstellspielraum nach unten – höher geht eh immer. Auch bei flacher Saitenlage ist nirgends ungewolltes Schnarren oder Scheppern zu hören, die Bundierung ist wieder mal tadellos abgerichtet. Die Halsform tut ihr Übriges für den Spielspaß. Mit 42 mm Breite am Sattel ist der Hals zwar nicht gerade schmal, dafür aber umso schlanker. Das „Extra Thin U”-Profil nimmt auch zu den höheren Lagen hin nur wenig an Dicke zu und bietet eine spürbare Abflachung in der Mitte des Halses, wo sich bei lehrbuchmäßiger Handhaltung der Daumen finden sollte. In Verbindung mit dem Satinfinish, das für eine offenporig-holzige Haptik sorgt, ergibt das in der Summe einen wahnsinnig bequemen Bass, den ich locker Stunden am Stück spielen könnte.

Am Amp macht sich das einzige bemerkbar, was ich an meinem Testbass auszusetzen habe. Die Pickups sitzen sehr tief im Korpus, ein Lösen der drei Schrauben, die eigentlich eine perfekte Justierung in Höhe und Neigung zu den Saiten ermöglichen, löst auch nur die Pickups, die schlabbrig in ihren Fräsungen bleiben. Da fehlt die richtige Unterfütterung, um sie den Saiten stabil näher zu bringen. Die konkrete Folge davon ist, dass sich der im Vergleich zum Halspickup deutlich leisere Stegtonabnehmerpickup nicht anpassen lässt, und sich beide nicht im Sweetspot positionieren lassen. So, genug gemeckert, denn eigentlich gibt es auch hier Gutes zu berichten: Dem knackigen Grundton geben die Big Splits eine fette, angenehm muskulöse Note dazu, zwischen Preci- und Jazz-Pickup. Mit ihrem klaren Höhenanteil taugt der Sound für viele Genres, in denen man sich mit einem angedickten Jott-Bass wohlfühlt. Mit dem Preamp als gutes Werkzeug zur weiteren Klangformung ist der MLB-4 flexibel einsetzbar. Die bei härterer Spielweise schön aggressiv aufkommenden Höhen können noch verstärkt oder fast nach Art einer passiven Höhenblende zurückgenommen werden. Die Bässe helfen vor allem dem Stegpickup zu fetter Tragfähigkeit, während die Mitten in eher höheren Gefilden ansetzen und den Bass mit leichter Nerv-Note im Bandsound nach vorne holen können – oder ebenjene Frequenzen verschwinden lassen.

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Nebengeräusche bleiben bei normalen Einstellungen außen vor, die Nordstrands sorgen ja für eine brummfreie Vorlage. Das macht sich im Metal-Bereich (und auch sonst) gut, wenn es wie bei Mike in Zerrpedale geht. Ebenfalls gut für schwermetallische Töne ist die in der Bespielbarkeit praktisch nicht spürbare 35″-Mensur, die bei tieferer Stimmung weiterhin für präzise Wiedergabe sorgt. Mit den D’Addario-Werkssaiten von 45 auf 105 geht es problemlos einen Ganzton runter und sogar Drop-C ist zu bewerkstelligen, ohne dass es zu schlapp und undefiniert wird. Für noch tiefere Stimmungen, wie Mike sie bei Soulfly spielt, müssen natürlich dickere Drähte aufgezogen werden. Einmal darauf eingestellt, meistert der Bass aber auch das spielend, wie einige Videos im Netz eindrucksvoll belegen.

RESÜMEE

Mike will nicht mit dem Instrument kämpfen, sondern einen Bass spielen, der im besten Fall aus der eigenen Wahrnehmung verschwindet und als Teil und Erweiterung mit ihm verschmilzt. Gemessen an diesem Anspruch ist der MLB-4 absolut gelungen umgesetzt. Perfekte Balance bei geringem Gewicht, leichteste Bespielbarkeit, die mich die verlängerte Mensur komplett vergessen lässt, und flexible Tongestaltung – damit glänzt das Instrument. Zumindest mein Testbass könnte noch mehr glänzen, wenn die Pickups richtig einzustellen wären, zumal es kein Akt ist, sie korrekt zu unterfüttern. Bei einem Bass dieser Preisklasse, die ich angesichts der gebotenen, ansonsten tadellosen Qualität in Ausstattung, Finish und Verarbeitung noch für angemessen halte, darf das einfach nicht sein. Unterm Strich dennoch ein inspirierendes Werkzeug, nicht nur für groovenden Thrash-Metal.

Plus

  • Optik
  • Haptik
  • Balance
  • Verarbeitung
  • Werkseinstellung
  • Bespielbarkeit
  • Nordstrand-Pickups
  • mögliche Sounds
  • Koffer

Minus

  • Fehlende Unterfütterung der Pickups


(erschienen in Gitarre & Bass 12/2024)

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