Wir geben ein Custom-Effektgerät in Auftrag …

Electric Roots: Pedale nach Maß

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Boutique-Manufakturen, die nach Kundenwünschen Custom-Gitarren und -Bässe herstellen, gibt es zuhauf. Doch eine Effektpedal-Schmiede, die Bodentreter quasi nach Maß baut – das ist selten, dachte sich Chris von Electric Roots und schuf genau das: Einen umfassenden Custom-Shop nur für Pedale …

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Chris Roots, der als Teil seines Vermarktungskonzepts gerne anonym bleibt, ist leidenschaftlicher Musiker und Tüftler. Schon als Kind legte er Hand an ein DIY-Fuzz-Face, scheiterte, gab aber nicht auf und fand schließlich zum Pedalbau zurück. 2015 startete er das Boutique-Label Electric Roots mit Sitz in Krefeld. Mit dem Lilith, einem sehr umfangreichen und einzigartigen Overdrive, sorgte er schnell für Wirbel in der deutschen Pedalero-Szene. Doch eigentlich wollte Roots nie Pedale in Serie bauen – und so ist und bleibt Electric Roots primär ein Custom-Shop. Chris versteht sich als „Problemlöser“, der Spielern bei der Umsetzung ihrer Schaltungs- und Sound-Visionen hilft. Im Angebot ist grundsätzlich quasi alles!

Electric Roots Custom-Pedal: Platinen

Da bei Electric Roots fast keine SMD-Bauteile verwendet werden, sollte man aber keine Mini-Pedale mit gigantischem Funktionsumfang erwarten. Digitale Pedale baut Chris auch nicht. Ansonsten aber alles, was das Herz begehrt. Momentan noch komplett alleine, doch evtl. schon bald mit Mitarbeitern. Vom einfachen Boost mit Clean-Blende bis zum abgefahrenen Synth-Pedal basierend auf obskuren Schaltplänen.

Neben dem eigentlichen Inhalt des Geräts ist auch das Äußere weitgehend nach Kundenwünschen modifizierbar: Farbe, LEDs, Positionierung der Potis und Buchsen, usw. Größte Sorgfalt legt Chris Roots auf die Auswahl der Bauteile, seine jahrelange Erfahrung kommt ihm hier zugute. „Mittlerweile nutze ich in meinen Pedalen hauptsächlich Texas-Instruments-ICs und WIMA-, Würth- und Panasonic-Kondensatoren“, gibt er zu Protokoll. Ist der Plan erst mal gefasst, müssen die Kunden nach momentaner Auftragslage bis zu acht Wochen auf das fertige Pedal warten.

Seine größte Herausforderung war bisher ein per Envelope-Follower gesteuertes, oszillierendes Fuzz. „Da muss man erstmal etwas tiefer in die jeweiligen Schaltungen einsteigen und sich überlegen, wie man das Ganze sinnvoll miteinander kombiniert, sodass es am Ende auch klingt, wie es soll“, sagt Roots. Bei den meisten Projektanfragen weiß er aber sofort, was zu tun und wie das Problem zu lösen ist. „Manchmal passiert es mir aber auch heute noch, dass ich dann vor dem Gerät sitze und merke, dass ich nochmal andere Wege gehen muss, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Das ist auch das Spannende an meiner Arbeit.“ Für die Zukunft plant Roots Serienpedale für Bassisten sowie den Ausbau seines DIY-Angebots, bei dem er teilweise obskure Schaltkreise zusammen mit den benötigten Bauteilen an Bastler als Kits anbietet.

CUSTOM LILITH

Um die Story von Electric Roots abzurunden, habe ich es mir nicht nehmen lassen, ein Pedal nach meinen Vorstellungen bauen zu lassen. Als begeisterter Lilith-User fehlte mir an dem Pedal eine zusätzliche Boost-Funktion für Leads. Kein Problem, meinte Chris Roots, und schon berieten wir über diverse Details, die das Gerät haben sollte.

Electric Roots Custom-Pedal: Layout
Erste Layout-Entscheidung

Bei Doppel-Pedalen mit Boost steckt der Teufel oft im Detail, beziehungsweise darin, wie man den Boost einstellen kann. Liegt er vor dem Overdrive oder dahinter? Wenn er davor liegt, boosted er das Gain-Level, kommt er nach dem Overdrive, hebt er die Lautstärke an. Es wäre doch toll, wenn man das nach Belieben schalten könnte. Was aber, wenn er zwar das Gain-Level anheben soll, gleichzeitig aber auch in der reinen Lautstärke anpassbar sein muss? Dann braucht der Boost ein zusätzliches Lautstärke-Poti. Zudem klingen reine Boosts gerne mal im Zusammenspiel mit einem Overdrive „giftig“, weshalb ich mir auch noch ein Tone-Poti nur für den Boost wünschte. Alles kein Problem für Chris Roots – und so machte er sich ans Werk.

Electric Roots Custom-Pedal: Zwischenstand
In the making …

In den Wochen darauf band er mich immer wieder in den Bau des Custom-Liliths ein. Wie sollte das Poti-Layout sein? Welche der originalen Clipping-Optionen des Liliths wollte ich im Pedal haben (alle gingen aus Platzgründen wirklich nicht mehr)? Am Ende hatte ich das Gefühl, dass das Pedal wirklich exakt nach meinen Vorstellungen gebaut wurde.

Das fertige Electric Roots Custom-Pedal
Das fertige Custom-Pedal

PRAXISTEST

Schließlich traf das Pedal ein, wunderbar verpackt und, zu dem Zeitpunkt passend zur Jahreszeit, mit einer coolen Wollmütze mit Electric-Roots-Logo. Zum Pedal: Markierungen haben die Potis nicht, was ich aber sehr schnell mit einem kleinen Labeler änderte, um mir bei den zahllosen Potis nicht die Funktionen merken zu müssen. Das Gerät ist trotz der vielen Regler erfreulich klein geworden, und perfekt für die Bedürfnisse eines eng bepackten Pedalboards liegen auch wie geplant alle Anschlüsse an der Stirnseite. Mit 443 g ist es sehr leicht. Der schwarze pulverbeschichtete Look ist sehr cool.

Rechts befindet sich die Lilith, mit den vier Reglern für Volume, Presence, Tone und Gain. Daneben zwei kleine Kippschalter für die Wahl der Clippings und ob man Dioden überhaupt mit in den Signalweg schalten will – sie ersetzen den Rotary-Schalter des originalen Liliths. Rechts befindet sich der separat schaltbare Boost mit einem kleinen Kippschalter für die Reihenfolge der beiden Effekte.

Das alles soll das Custom Lilith können.

Für mich wichtig: Der Boost ist in Volume, Tone und Gain separat regelbar, womit man aus dem Lilith ein perfektes Allround-Tool für Rhythmus- und Leadgitarre einstellen kann.

In der Praxis funktioniert das auch genau so, wie es mal geplant war: Die Lilith selbst bietet eine herrlich raue, aber nicht zu fuzzy Overdrive-Sound-Kultur, irgendwo zwischen dem alten Marshall-Bluesbreaker-Pedal und dem zuletzt recht gehypten Broadcast-Pedal von Hudson Electronics. Mit den Clipping-Optionen lässt sich das Gain-Verhalten anpassen, mir gefällt sie mit „Clipping off“ eigentlich am besten. Mit dem Boost kann ich Lilith nun in eine, je nach Bedarf, entweder bissige oder sahnige Lead-Maschine katapultieren – herrlich. Die Regler funktionieren dabei so feinfühlig und reaktiv, wie man es sich wünscht.

Zusammengefasst kann ich bestätigen, dass die Zusammenarbeit mit Electric Roots dem entspricht, was ich unter einem auf Kundenwunsch ausgerichteten Custom-Shop verstehe – ich werde als Kunde gehört, ernstgenommen, eingebunden und bekomme am Ende das, was ich mir vorgestellt habe. Wie bei einem guten Schneider eben, nach Maß.

Info & Kontakt: www.electric-roots.com

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2021)

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