Dynamisch, groß, breit: Lenz Hot Chili Vollröhrentopteil im Test
von Christian Tolle,
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(Bild: Dieter Stork)
Der Lenz ist da! Schon auf dem letzten Guitar Summit konnte ich den Lenz Hot Chili im Messe-Kontext anspielen und das hat bereits neugierig gemacht auf diesen neuen Boutique-Amp aus Deutschland. Nun endlich landet das rote Schwergewicht im Studio des Testers.
Aber der Reihe nach: Hinter Lenz Amplification steckt in erster Linie Namensgeber und Amp-Designer Eddy Lenz, der mit zahlreichen Marshall-Modifikationen bereits in der Szene für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Als Siggi Schwarz einige dieser Modifikationen zu sehen und hören bekam, Eddy ihm dabei auch noch den legendären „Jose-Mod“ (nach Jose Arredondo) vorführte, war Siggi nicht nur von den Sounds, sondern auch von der Leidenschaft und aufgrund des technischen Wissens des jungen Eddy Lenz hoch begeistert. Es reifte zügig die Idee, eine eigene Firma zu gründen und eigene Amps zu bauen.
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Siggi Schwarz ist dabei natürlich als Musiker, Veranstalter und nicht zuletzt aufgrund seines früheren international renommierten Gitarrengeschäfts „Siggi Schwarz Music“ bestens mit den Business-Gepflogenheiten vertraut. Also bot Siggi Schwarz eine Firmengründung mit ihm als Geschäftsführer an. So steht dem jungen Eddy Lenz nun das nötige Kapital und natürlich auch ein Netzwerk zur Verfügung. Lenz Amplification wird durch den Dritten im Bunde, Michael Kast, komplettiert. Michael stammt aus der gleichen Region, lebt mittlerweile in Malaysia und war im Laufe seiner Karriere unter anderem auch International Sales Direktor bei Reinhold Bogner in Los Angeles.
Der erste Verstärker jedenfalls ist auf dem Markt, wird von Handarbeit in Deutschland von Eddy gebaut und kommt mit einem wohlklingenden Produktversprechen daher: „Klassische Sounds der 60er, 70er, 80er und darüber hinaus mit eigenem ‚Spin‘“.
KONZEPT UND AUFBAU
Der Hot Chili präsentiert sich als puristischer Einkanaler mit 100 Watt Leistung. Schon rein optisch zieht er mit seinem knallroten Tolex-Bezug die Blicke auf sich. Dabei ist der Anspruch offensichtlich der, auf Basis zahlreicher getätigter Marshall-Modifikationen den eigenen Amp zu konstruieren – in Handarbeit, mit hochwertigen Bauteilen und eben mit einer eigenen Note.
(Bild: Dieter Stork)
Neben der grünen Netzleuchte, dem On/Off- und Standby-Schalter befinden sich die Regler des Einkanalers: Depth, Presence, die dreibändige Klangregelung aus Bass, Middle und Treble sowie Volume (Master) und Spice (Gain). Dabei liegen hier über Push-Pull-Potis teilweise noch weitere Funktionen zur Tonformung an: Über Depth/Pull Attack lässt sich der Amp etwas bissiger abstimmen, Bass/Shift boostet grob im Bereich 800-3000Hz, was die Bässe insgesamt moderner wirken lässt, Treble/Smooth reduziert Frequenzen über ca. 6000Hz, Volume/Pull Voicing richtet die Gainstruktur etwas aggressiver aus und Spice/Pull-Boost setzt mehr Verzerrung oben drauf und lässt den Hot Chili moderner klingen.
Rückseitig bietet der Hot Chili einen in Send und Return regelbaren, seriellen Effektweg, einen regelbaren Line-Out, zwei Speaker-Ausgänge, einen Voltage-Wahlschalter für 120, 230 und 240 Volt sowie zwei Sicherungszugänge und den Netzstecker-Anschluss.
Im Inneren verrichten vier Tungsol 12AX7 in der Vorstufe und ein JJ-EL34-Quartett ihren Dienst. Dabei werden die Vorstufenröhren mit Abschirmhülsen und die Endstufenröhren durch Federn mit Kappen geschützt und in ihren Sockeln zusätzlich gehalten. Sicher ein Bonus beim Transport. Mächtige Ausgangsübertrager sorgen für Gewicht und lassen Headroom erahnen.
Um ans Innenleben zu gelangen, wird der Amp aus dem Gehäuse geschraubt, und es zeigt sich eine Point-to-point-Verdrahtung, die höchst ordentlich die Handarbeit aus dem Hause Lenz offenbart. So, nun aber alles schnell wieder zusammenbauen, Pedalboard anschließen, 4x12er-Box angehangen, und los geht die wilde Fahrt!
Soundcheck und Resümee auf Seite 2 …
(Bild: Dieter Stork)
DYNAMISCH, GROSS, BREIT
Nach kurzer Aufwärmphase wird der Standby-Schalter umgelegt, und schon in Mittelstellung der Potis geht die Luzie ab. Fleischiger, breiter und großer Sound britischer Prägung donnert aus meiner Box. Wow! Da fühlt man sich als Freund solcher Klänge pudelwohl. Der Hot Chili reagiert ausgesprochen direkt und dynamisch. Der Ton ist offen und der Amp hat jede Menge Headroom, dabei genau die richtige Dosis Kompression. Das macht richtig Laune, und die Riffs kommen nur so aus einem heraus. Marshall-DNA, aber eben doch mit einer Prise Eigenständigkeit. Schauen wir mal auf die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten. Zunächst ist festzustellen, dass bei Spice, also Gain, in Stellung 1 bereits ein Crunch erreicht wird, der einem Brett wie bei einem JMP oder JCM 800 vom Zerrgrad entspricht. Damit geht es schon ab Richtung ‚Highway to Hell‘ oder in klassische Bluesrock-Gefilde.
Mit weiter nach rechts gedrehtem Spice lässt sich dies stufenlos steigern zu einem Hot-Rod-Sound erster Güte. Ein wesentlicher Pluspunkt ist die Interaktion zwischen Verstärker und Gitarre: Leichter Anschlag oder Zurückdrehen des Volume-Potis der Gitarre wird mit einer gehörigen Portion Dynamik belohnt wird, sodass auch schöne Breakup-Sounds möglich sind. Von sanften, angezerrten Klängen bis zur röhrenden Zerrwand gelingt dies wunderbar, selbst bei hohen Gainsettings. Ausgezeichnet gefällt die Wiedergabe mit gezogener „Smooth“-Funktion. Hier werden ab etwa 6000Hz Frequenzen reduziert und der Amp tönt etwas süßer. Ebenso kann aber auch ein rauer, bissiger Sound mit den vielen Möglichkeiten der PushPull-Potis und der griffigen Klangregelung mühelos eingestellt werden. Für meinen Geschmack reicht der Zerrgrad voll und ganz auch ohne die Boost-Option aus. Das ist bereits für Classic-Rock und Hair-Metal absolut top – angenehm tight und spitzenmäßig artikuliert.
Wer es eher modern mag, zieht dann den Spice/Boost, und es stehen Gain-Reserven auch für die Fraktion mit tiefer gestimmten Gitarren en masse zur Verfügung. Jetzt noch – je nach Geschmack – Attack und/oder Shift ziehen … der Sound wird noch einmal merklich aggressiver, aus der 4x12er-Box tönt es in fetter Metal-Manier, dass die Hosenbeine nur so flattern. Die 100 Watt Endstufe liefert stets jede Menge Headroom und zu jeder Zeit klingt der Amp groß und stark. Positiv hervorzuheben ist zudem, dass die Nebengeräusche selbst bei sehr hohen Spice-Einstellungen noch überschaubar bleiben.
Grundsätzlich gilt: Der Hot Chili funktioniert gleichermaßen mit Humbucker-bestückten Gitarren wie auch mit Teles oder reinrassigen Strats. Die Klangregelung in Verbindung mit den vielen Extrafunktionen über die Push-Pull-Potis erlauben jedweden tonalen Gestaltungsspielraum britischer Coleur. In Verbindung mit meinem Pedalboard, welches in Vier-Kabel-Methode aufgebaut ist, zeigt sich zudem die erstklassige Qualität des Effektloops, denn eine perfekte Anpassung der Pegel an unterschiedliche Signalstärken ist über die beiden Level-Regler möglich. Sollte jemand einen zweiten Kanal vermissen: Der Hot Chili reagiert auch mit vorgeschalteten Overdrive- oder Boost-Pedalen ganz hervorragend. So kann man sich den Amp in einem satten Rhythmus-Zerr-Grad einstellen und etwaige weitere Soundoptionen mit einem Booster erreichen.
Ein winziger Kritikpunkt ist, dass mancher ein zweites Master-Volume vermissen könnte. Abhilfe würde ein Volume-Booster im Loop schaffen, um bei Soli eben auch noch etwas lauter sein zu können. Wie ist der Hot Chili nun im Felde der vielen Konkurrenten, meist aus Übersee, einzuordnen? Ohne Übertreibung kann festgestellt werden, dass der Hot Chili zu den besten „heißen“ Amps mit britischem Charakter gehört, den ich je vor den Fingern hatte – und das waren einige. Er hat einen eigenen Charakter, ohne seine offensichtlichen Wurzeln zu leugnen, klingt weniger geglättet als mancher US-amerikanischer Konkurrent, und er inspiriert den Spieler. Dabei ist er trotz seines nur einen Kanals doch flexibel. Hier ist der Spieler gefragt, denn dynamische Spielweise und Nutzung des Volume-Potis an der Gitarre wird vom Hot Chili belohnt. Das ist wunderbar oldschool und gerade in Zeiten von Modellern mit zig Presets eine schöne analoge Alternative mit Fokus auf das Wesentliche.
RESÜMEE
Herzlichen Glückwunsch! Mit dem Hot Chili präsentiert uns die neue deutsche Ampschmiede um Eddy Lenz ein fantastisches 100-Watt-Vollröhren-Topteil mit britischen Genen in allerbester Hot-Rod-Manier. Vom AC/DC-Crunch über kräftigen Achtziger-Heavy-Rock bis zum moderneren Metal-Sound ist dem Hot Chili jede Nuance zu entlocken. Präsent, breit und groß kommt der Ton aus den Boxen und steht einfach mächtig im Raum. Bestechend sind Dynamik und Offenheit in der Tonentfaltung. Durchaus ein Sound, der süchtig machen kann. Darüber hinaus besticht der Hot Chili durch exzellente Zutaten, ist von Eddy Lenz point-to-point handverdrahtet und sieht auch noch auffallend gut aus. Wo gibt es so etwas heute noch für 3.200 Euro? Ja, das ist viel Geld, ist aber mit Blick auf die Konkurrenzlandschaft dann doch als preislich attraktiv zu bezeichnen. Man darf für die Zukunft gespannt sein. Laut Siggi Schwarz wird es zukünftig noch einen Zweikanaler und einen 20 Watt Amp von Lenz geben.