Alles eine Frage der Form? Vielleicht nicht alles, aber doch vieles. Wenn die äußere Erscheinung nicht in der Lage ist unser Interesse zu wecken, wie sollen wir dann je erfahren, was da hinter der lockenden Larve noch so alles an reizvollen Inhalten verborgen schlummert?
Andersherum geht die Rechnung ja nun auch nicht auf: bloß weil etwas fies aussieht, muss es ja nicht allein deshalb schon funktionieren. Diese Erkenntnis mag auch ein Grund dafür sein, dass die zeitweise übertriebene Relicerei offenbar auf dem Rückzug ist. Duesenberg hat in den letzten Jahren jedenfalls bewiesen, dass man bei formalem Traditionsbezug mit Widmung für das Detail durchaus auch modern nach vorne denken kann, und verdankt seinen großen Erfolg eigentlich genau diesem Mix aus bekannten, aber stylisch überarbeiteten Mustern und spieltechnischer Aktualisierung.
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Konstruktiver Brückenschlag
In der Konstruktion von Duesenbergs Paloma finden wir wesentliche Merkmale der konkurrierenden Hauptströme im elektrischen Gitarrenbau vereint. Komfortable Korpuskonturen, Ahornhals, 648-mm-Mensur und Singlecoil-Pickups auf der einen Seite, eingeleimter Hals, 3+3-Mechaniken und Humbucker auf der anderen und als ausgleichendes Element dazwischen dann noch ein Vibrato-System. Das alles verspricht eine gute Beweglichkeit im Pool bewährter Sounds – oder ist das am Ende doch nur eine Verwässerung von Charaktereigenschaften?
Wir werden sehen! Zu den Details: Der optisch, aber auch von der Handhabung her ausgesprochen elegant geformte Korpus der Paloma besteht aus massiver Erle. Für eine gefällige Armauf- und Rippenanlage verschaffte man dem Korpus an den genau richtigen Stellen kraftvolle Konturen. Deckenseitig unterstützt ein umlaufendes Cream-Binding die prägnante Silhouette.
Der einteilige Hals aus Ahorn wurde in Höhe des 17. Bundes in den Korpus eingeleimt, das eingebundene Griffbrett aus Palisander (Radius 12″) mit 22 Jumbobünden ausgestattet, wie immer bei Duesenberg per Plek-Bearbeitung optimiert. Dazu gibt es noch Perloid Diamond Inlays zur Lagenkennung. Die schwarz verblendete Kopfplatte mit Art-Déco-Appeal trägt das bekannte D-Symbol auf der Front und ist mit Duesenberg Z-Tuners samt griffigen ‚Art Diego‘-Buttons ausgestattet.
Die Saiten schwingen mit langer 648-mm- Mensur zwischen dem Sattel aus Knochen und der Duesenberg TOM-Typ Steel Saddle Bridge. Aufgehängt sind sie am Duesenberg Radiator Tremolo (Short Version), einer Variation des Bigsby B5 Vibratos. Die auf ein schwarzes Pickguard gesetzte Elektrik in SSH-Konfiguration umfasst drei verschiedene Duesenberg-Pickups: den Alnico Blade Singlecoil am Hals, den „Pearlito“ Singlecoil in der Mittelposition und den Duesenberg Grand Vintage Humbucker am Steg. Ausgangspegel und Tonfarbe werden mittels genereller Volume- und Tone-Regler verwaltet, die Tonabnehmer mit einem 4-Weg-Drehschalter angewählt. Paloma ist detailgenau verarbeitet und hat sich babyblau, sorry, Narvik Blue in Schale geworfen. Alternativ ist das im passgenauen Formkoffer gelieferte Modell auch noch in einem sexy Red-Sparkle zu haben.
Perfekte Handhabung & bewegliche Sounds
Wir lieben Instrumente die gut aussehen und die sich gut anfühlen, keine Frage. Paloma macht es uns in Hinsicht auf die Spielbedingungen leicht, obwohl sie es mit 3,7 kg vom Gewicht her nicht wirklich ist. Die Gitarre spielt sich mit ihrem höchst griffigen Halsprofil und der perfekt gemachten Bundierung bei flach eingestellter Saitenlage sofort wie eine alte Bekannte und hängt mit perfekter Griffbrettaufsicht auch ausgeglichen am Gurt.
Die akustische Basis ist von beachtlicher Schwingintensität und guter Saitentrennung geprägt – ein sonores, rundum kompetentes Klangverhalten. Am Verstärker zeigt sich Paloma ebenfalls sofort von ihrer besten Saite. Die Pickups werden mit einem Drehschalter angewählt. Der mutet zwar etwas altmodisch an, gibt aber optisch über die Hebelstellung immer klare Auskunft über die angewählte Position:
1) Alnico Blade Singlecoil am Hals – Blade, also Klinge? Nun, beide SCs sind für einen coolen Look frontseitig mit Kunststoff abgedeckt, die Magnetbeschaffenheit ist also nicht erkennbar. Das ficht uns aber nicht weiter an, denn der Hals-Pickup tönt rund und gesund. Er zeigt sich mit schön kehligem Ausdruck, verfügt über sonoren Tiefgang und stellt Akkorde in Transparenzmit sauberer Saitentrennung dar. Beste Ergebnisse zeitigt auch die leicht aufreißende Crunch-Position, ganz zu schweigen vom Overdrive, der diesem Tonabnehmer plastische Sounds in toller Farbsättigung abgewinnt.
2) Gehen wir auf die zweite Schaltstellung, so hören wir den Hals- Pickup zusammen mit dem Kollegen am Steg, innere Spule. Eine Kombination, die etwas ausgekämmter erscheint, aber immer noch mit vitaler Präsenz auftritt. Eine Bank in Clean, aber auch von einiger Klasse in Zerrpositionen.
3) In dieser Position steht der ‚Pearlito‘- Mittel-Pickup in Kommunikation mit dem Grand Vintage Humbucker am Steg, wiederum aber nur mit dessen innerer Spule. Etwas heller und kehliger im Vergleich zur Schaltposition 2, aber eine höchst zweckmäßige Klangfarbe, die unbedingt Sinn macht. Ein leichtes Verlustgefühl bleibt schaltungsbedingt dennoch, denn der Pearlito ist nicht allein zu haben.
4) Der Grand Vintage Humbucker am Steg ist ein bewährtes Modell in PAF-Anlehnung. Demgemäß offen und mit guter Höhendarstellung, löst er Akkorde auf und lässt auch Linien konturstark rollen. Die Umsetzung ist kraftvoll pointiert, stützt sich auf knackige Bässe und einen kompakten Mittenbereich, was uns auch im Clean-Modus eine gute Beweglichkeit für das rhythmische Spiel verschafft. Gehen wir auf Gain, so setzt der gut aus der Mitte drückende Grand Vintage Humbucker die Fingeraktion sehr präzise um und erfreut unser Ohr mit eineminnerlich gefestigten Ton, der vor Obertonfarbe nur so strotzt. Flageolets und Pinch Harmonics sind entsprechend leicht zu haben, springen nur so vom Griffbrett.
Das weich und elegant operierende kurze Radiator Tremolo funktioniert am Ende auch bei kräftigeren Modulationen noch recht verstimmungsarm und lässt sich mit dem langen Arm bestens handhaben – eine sehr schöne Erweiterung des Ausdruckspotentials.
Alternativen
Alles eine Frage der Form? Nun, die ist für Gitarren kaum mehr neu zu erfinden und so können wir auch für die Paloma von ihrer Silhouette her Parallelen finden. Wer also den Look anziehend findet, der mag denken: Mensch, der alte Leo Fender hat diese Korpusform zumindest ansatzweise doch auch schon mit der Jazzmaster und der Jaguar vorgelegt, Instrumente, die man damals bei Fender im Verhältnis zu den bis heute populären Vorgängermodellen für „even better“ hielt. Bei Reverend Guitars wird man ähnlich gestaltete Modelle wie Slingshot, Avanger oder Jetstream finden. Von der Bauweise (u. a. Schraubhals) und der Ausstattung her unterscheiden sich all diese Modelle aber deutlich von der Paloma, die auch vom auf den Punkt gezogenen Styling her keine Wünsche mehr offen lässt.
Resümee
Das Modell Paloma erweitert Duesenbergs Programmpalette um ein höchst souveränes Gitarren-Design, das sich vollkommen organisch in die Familie einfügt und doch einen eigenen Akzent zu setzen vermag. Die ergonomische Formgebung sorgt, in Verbindung mit dem kraftvollgriffig gestalteten Hals, für beste Spielbedingungen, was uns Spieler sofort nach vorn in Richtung Sound durchspazieren lässt. Der Mix aus drei verschiedenen Pickups gibt uns denn auch ausgesprochen attraktive Klangoptionen an die Hand, die von perlend-kehlig bis druckvoll und konturstark reichen. Und über Charakterschwäche brauchen wir uns nun wirklich keine Sorgen zu machen: die Paloma ist ein aktuell auf den Punkt gebrachtes Instrument, das den Spieler in jeder Hinsicht unterstützt und sie steht in Sachen Feel, Look und Sounds einfach für sich. Anders gesagt: sie ist ein scharfes Teil in jeder Hinsicht!