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Drei Regler, keine Extras: Orange MK Ultra im Test

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(Bild: Orange Amplification)

Der erste Orange-Verstärker, der in den USA gefertigt wird, ist dem Blues- und Southern-Rock-Gitarristen, Sänger und Grammy-Gewinner Marcus King gewidmet. Drei Regler zum Glück sollen reichen …

Musikalisch tritt King, der stilistisch zwischen Southern Rock, Electric Blues und Soul pendelt, direkt in die Fußstapfen seines Vaters Marvin. Erste Erfahrungen sammelte er dann auch in dessen Band und veröffentlichte später mit der Marcus King Band drei Alben. 2019 folgte sein Solodebüt ‚El Dorado‘, das er in Nashville bei Dan Auerbach (The Black Keys, Lana Del Ray) aufnahm. 2022 erschien dann schließlich sein aktuelles Werk ‚Young Blood‘.

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Der vorliegende Signature-Verstärker ist laut Orange eine komplette Neuentwicklung, die in den USA von Hand gebaut wird und weltweit auf 150 Exemplare limitiert. Die Vollröhrenkonstruktion ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Entwickler Jon Bailey und Marcus King. Ziel war es dabei, einen Verstärker zu erschaffen, der in der Lage ist, mit einer Minimalausstattung an Reglern Vintage-Sounds mit amerikanischen und britischen Klangcharakteristika zu realisieren.

Bei einem Preis von nahezu 3000 Euro verstehen sich beste Komponenten von selbst, darunter Übertrager und Trafos von Heyboer. Die Endstufe setzt auf 6L6GC-Röhren, die wie alte Fender-Bassman-Modelle mit Kathoden-Bias arbeiten. Das erklärt auch die vergleichsweise geringe Dauerleistung von etwa 30 Watt des MK Ultra. Im Gegenzug sorgt diese Schaltungsvariante, bei der sich der Bias abhängig vom Eingangssignal verändert, für zusätzliches Sustain. Einher geht insbesondere bei höheren Pegeln eine weniger straffe Ansprache mit einem dynamischen, leichten Einbrechen des Signals. Dazu lässt sich die Schaltung leichter in die Sättigung treiben.

(Bild: Orange Amplification)

DREI REGLER, KEINE EXTRAS

Puristischer kann man einen Verstärker kaum gestalten. Die Vollröhrenkonstruktion, die Marcus King bereits seit einiger Zeit auf Tour zum Einsatz bringt, bietet genau drei Regler auf der Frontseite sowie Anschlüsse für die Lautsprecher und das Netzkabel auf der Rückseite. Power- und Standby-Schalter – fertig!

Konzeptionell übernimmt der MK Ultra für Marcus King die Rolle des perfekten Backends für sein Pedalboard. Dabei legt Orange Wert darauf zu betonen, dass der Verstärker zwar genau auf die Bedürfnisse von Marcus King eingeht, aber eben auch für andere Spieler geeignet ist. Grundsätzlich deckt der MK Ultra dabei eine klangliche Bandbreite von Country und Jazz über Blues bis hin zum Classic Rock ab.

Der zentrale Lautstärkeregler justiert nicht nur den Ausgangspegel, sondern auch die gewünschte Dynamik und bei höheren Pegeln eine zunehmende Endstufensättigung für zusätzliches Sustain, wenn auch nicht mehr völlig frei von Nebengeräuschen.

Aufgrund der spezifischen Bias-Schaltung spricht der Verstärker bei geringen Lautstärken schnell und recht knackig an, während er bei höheren Pegeln dynamisch und mit Sättigung auf das Spiel reagiert. Selbst bei weiter aufgedrehtem Lautstärkeregler und unvermeidbaren hohen Pegeln ist das Dynamikverhalten vorbildlich. Mit dem Sing-Poti steuert man den Höhenanteil. Orange selbst spricht von einer Bright-Schaltung im Eingangsbereich. Der Regelbereich ist nicht riesig, aber völlig ausreichend, um die Gitarre und das Pedal der Wahl entsprechend anzupassen.

Der Gegenspieler von Sing hört auf den Namen Deep und widmet sich den tiefen Frequenzen beziehungsweise der Klangfülle. Er nimmt zudem Einfluss auf die Verzerrung und die Lautstärke.

Bei Linksanschlag tönt es recht schlank und wird bei weiterem Aufdrehen zunehmend voluminöser. Neben dem Bassanteil passt man den Verstärker so auch an die Box an. Im Unterschied zu anderen Verstärkern sind die beiden Klangregler nicht interaktiv, da sie an unterschiedlichen Positionen im Signalweg agieren.

Zwar bietet der MK Ultra „nur“ 30 Watt Ausgangsleistung, lässt damit aber durchaus die Wände wackeln. Seine Verzerrung kommt wesentlich aus den Endstufenröhren und nimmt daher bei steigender Ausgangslautstärke zu. Für den Einsatz zuhause ist der MK Ultra entsprechend weniger konzipiert. Allerdings lässt sich der Pegelregler eines vorgeschalteten Pedals durchaus dafür nutzen, um die Lautstärke in den Griff zu bekommen.

Soundcheck und Resümee auf Seite 2

(Bild: Orange Amplification)

KLANG

Der Verstärker ist so reduziert, dass er den Gitarristen und sein Instrument ins Scheinwerferlicht bringt und nicht seinen Sound aufdrückt. Für einen tief im Blues-Rock verwurzelten, hochtalentierten Gitarristen wie Marcus King ist das die Gelegenheit, seinem Spiel Ausdruck und Leben zu verleihen. Durch Zurückregeln des Potentiometers an der Gitarre lässt sich der Ton der jeweiligen Tonabnehmer stets verschlanken und bezüglich der Verzerrung bis hin zu Dirty-Clean oder völligen Clean-Sounds reduzieren – eine essentielle Komponente im Spiel von Marcus King. Gleichzeitig sollte man nicht erwarten, direkt wie Marcus King zu klingen, nur weil man seinen Signature-Verstärker spielt. Der Ton kommt nun einmal aus den Fingern und genau das wird hier besonders deutlich.

Klanglich würde ich den MK Ultra als spezialisiert, aber unerwartet vielseitig beschreiben. Er ist einerseits Pedalplattform, aber eben auch ein Verstärker, der das nahtlos wechselnde Rhythmus- und Solospiel von King unterstützt und dabei die wichtige Dynamik des Anschlags, sei es durch Plektrum oder mit den Fingern, und natürlich den Klang der Gitarre selbst rüberbringt. Bei Marcus King funktioniert das etwa bestens mit seiner Gibson ES-345, einer Les Paul oder einer Telecaster.

Der Grundton ist abhängig von der Position des Deep-Reglers eher füllig klassisch, kräftig und durchsetzungsfähig in den Mitten sowie ein wenig schmutzig und grob. Andererseits lässt sich der Verstärker aber durchaus straff und rockiger justieren, indem man den Deep-Regler auf Linksanschlag stellt und gegebenenfalls zusätzlich Bässe vor dem Eingang ausfiltert.

Am anderen Ende des Frequenzspektrums ist der MK Ultra nie harsch und durchaus schnell ansprechend. Ein moderner Metal-Amp will er erwartungsgemäß aber ganz sicher nicht sein. Ohne jegliche Pedale habe ich den MK Ultra zunächst mit einer semiakustischen Höfner Nightingale und einer EII Mystique an unterschiedlichen Celestions (Greenback Reissues, G12H-100) gespielt. Dabei wird schnell wird klar, dass der Verstärker den Charakter der gesamten Signalkette vom Spieler bis zur Box genau widerspiegelt.

King selbst nutzt etliche Pedale vor seinem Verstärker. Neben Wah, Modulationseffekten, Delay und Reverb kommen dabei auch Boost-, Overdrive- und Fuzz-Pedale zum Einsatz. Exemplarisch testete ich einen Klon Centaur RI, einen Friedman BE OD Deluxe und EHX Big Muff π Green Russian RI und erhielt dabei stets stimmige Ergebnisse, bei denen die Verzerrung der Pedale mit der Endstufe verschmolz. Die Dynamik bleibt auch in diesem Szenario außergewöhnlich. Nur mit dem Poti der Gitarre und dem Anschlag gelangt man in Clean-Gefilde, wobei der Green Russian zugegeben deutlich schwerer zu zähmen und weniger dynamisch agierte. Ich würden meinen, dass man mit dem MK Ultra stets eine richtig gute Plattform für seinen Lieblingszerrer finden wird. Etwas schwieriger dürfte es aufgrund der puristischen Regelmöglichkeiten allerdings werden, wenn man unterschiedliche Verzerrer-Pedale im Wechsel verwenden möchte.

(Bild: Orange Amplification)

RESÜMEE

Der MK Ultra ist nicht nur Marcus King auf den Leib geschneidert, sondern ganz sicher auch ein ungewöhnlicher Verstärker, der sämtlichen Ballast zugunsten eines Klangbilds mit Vintage-Note über Bord wirft. Orange nutzt dabei ein konsequent reduziertes Design, um einen ausgesprochen dynamischen, lebendigen und durchaus flexiblen Ton zu erreichen, der die jeweilige Spielweise und das eingesetzte Instrument klar zu Geltung bringt und gleichzeitig eine rundum überzeugende Plattform für die eigenen Pedale bietet. Mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von 2999 Euro ist der limitierte und von Hand gebaute MK Ultra ganz sicher kein Produkt für jeden Musiker, sondern ein ganz bewusstes Angebot an Puristen.

PLUS

  • hervorragende Umsetzung von Spielweise und Dynamik
  • sehr gute Pedalplattform
(Bild: Gitarre & Bass)

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2023)

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