(Bild: Dieter Stork)
Ola Englund fragt auf seinem YouTube-Kanal nicht selten „Will it chug?“ und möchte ergründen, ob ein Produkt modernen Metal-Spieltechniken durch sehr starke Verzerrung und Kompression gerecht wird, und dennoch der Tiefbass des Gitarrensignals sehr kontrolliert und laut wiedergegeben werden kann.
Mit dem Chug hat er nun selbst ein Pedal entworfen und bei Solar Guitars in das Sortiment aufgenommen, sodass die Frage bereits mit dem Namen des Pedals beantwortet. Ist das einfach nur cleveres Marketing oder hat der Schwede mit dem Hang zu sonntäglichem Kaffee nebst Plaudereien über bleischwer klingendes Equipment das Rad tatsächlich neu erfinden können?
AUS DEM VOLLEN
Das gefräste Metallgehäuse des Solar-Chug-Pedals ist schon ein Hingucker. Es besteht aus einem schwarzen, hohlgefrästen unteren Teil, einer Art Wanne, der die Eingangs- und Ausgangsklinkenbuchsen sowie auch den Anschluss für das 9 Volt DC Netzteil trägt. Letzteres muss das Pedal mit mindestens 100mA versorgen. Der dunkelgraue, aufgeschraubte Deckel ist in einem leichten Winkel montiert, damit der hier leicht versenkt verbaute Fußschalter gut bedienbar ist, aber nicht zu hoch über das Pedalboard hinaussteht.
Zwischen dem Schalter und der zweifarbig leuchtenden Status-LED, die im Betrieb durch einen Farbwechsel von Rrün auf Rot anzeigt, dass das Noisegate gerade geschlossen wurde, ist der Name des Pedals, wie auch das Solar-Logo in den Deckel gefräst.
(Bild: Dieter Stork)
Oberhalb der LED befinden sich sechs schwarze Potentiometer, vier davon als konzentrische Doppelpotentiometer ausgelegt. Deren Stellung ist aufgrund der kaum erkennbaren Vertiefungen und der wirklich kleinen, relativ kontrastlosen und teilweise kryptischen Beschriftungen wie „LF Gain“, „HF Gain“, „Out“, „Gate“, „Treb“, „Pres“ schwer ablesbar. Lediglich das eigentliche Gain-Poti und der Mittenregler des EQs sind nicht nur regulär beschriftet, sondern auch über ein normales Potentiometer einstellbar.
BEDIENUNG
Ganz so einfach erschließt sich das etwas unübersichtlich aufgebaute Layout des Chug-Pedals nicht. Gerade bei den Tandempotis muss man schon etwas genauer hinschauen, um zu erkennen, was man da einstellt und ob die gewünschte Funktion auf dem oberen oder dem unteren Bereich des Potentiometers geregelt wird. Besonders auffällig ist das bei dem konzentrischen Doppelpotentiometer, das an der innen liegenden Achse die Ausgangslautstärke und am äußeren, unten liegenden Potiknopf-Ring die Einsatzschwelle des Noisgates regelt. Da muss man höllisch aufpassen, dass man, sofern man das Noisegate in der Einsatzschwelle einstellen möchte, um Feedback zu vermeiden, nicht aus Versehen das Master Volume des Pedals erwischt und noch viel lautere Rückkopplungen erzeugt.
Zudem sind die aus Metall gefrästen Potiknöpfe nicht nur sehr rau an den Seiten geriffelt und scharfkantig and der Oberseite, sondern befinden sich darüber hinaus so eng nebeneinander, dass man sich beim Einstellen der Potis durchaus unfreiwillig die Oberseite Fingernägel feilt. Das geht besser.
Der Fußtaster zum Aktivieren des Solar Chug rastet unter der Schuhsole mit einem lauten und gut spürbaren Knack in seine Position ein. Das Pedal ist selbstverständlich für den rauen Heavy-Metal-Bühnenalltag konzipiert und daher darf man hier beherzt zutreten.
Praxistest, Alternativen und Resümee auf Seite 2 …
(Bild: Dieter Stork)
PRAXIS
Sofern man das Solar Guitars Chug so einsetzen möchte, wie es eigentlich gedacht ist, nämlich als komplette Vorstufe vor einer clean-transparenten Endstufe, ist es tatsächlich sehr einfach, dem Pedal binnen weniger Sekunden extrem tighte, moderne und vor allem auch kräftige und durchsetzungsfähige Sounds zu entlocken.
Mit dem Gespann aus Low und High Frequency Gain und dem dahinter geschalteten, globalen Gain-Regler, lässt sich das Signal des Stegtonabnehmers der Gitarre bereits knackig eng und trocken einstellen. Diese Beschaltung des Instrumenteneingangs mit zwei unabhängigen Gain-Stellern für Bässe und Höhen kennt man bereits von den diversen Produkten von Larry Amplification, Randall, Fryette und Fortin Amplification.
Durch das Zusammenspiel aus Presence, Depth und einem ausgesprochen kräftig zupackenden Equalizer mit speziell abgestimmten Frequenzbändern für Bässe, Mitten und Höhen, glänzt das Chug als Rundum-glücklich-Paket für sehr moderne High-Gain-Rhythmusgitarren-Sounds, vor allem auch durch das lediglich in der Einsatzschwelle einstellbare Noisegate, das ähnlich schnell und beherzt zupackt wie das des Marshall-JVM-Satriani-Signature-Verstärkers oder das Fortin Zuul.
Im besten Fall kombiniert man das Chug-Pedal also mit 19-ZollRöhrenendstufen, leichten, leistungsstarken Class-D-Endstufen, wie zum Beispiel mit der Seymour Duncan Power Stage 170 oder zweckentfremdet der Fryette Powerstation und nutzt sie als Endstufe, oder verbindet das Pedal über die Return-Buchse des Einschleifwegs mit den Endstufen eines BluGuitar Amp1, eines Baroni AFK-150 oder eines anderen mit einem Einschleifweg ausgestatteten Pedalboard-Verstärkers. Die Möglichkeiten sind schier endlos.
Weniger selbstverständlich ist die Performance des Solar Guitars Chug als reines Distortion-Pedal vor einer Vorstufe.
Ola Englund hat sich zwar die Mühe gemacht und nicht nur Videos in seinen YouTube Kanal geladen, die aufzeigen mit welchen Equalizer-Einstellungen man das Chug als Verzerrer-Pedal vor diversen hochkarätigen Verstärkern oder auch kleinen, günstigen Übungsverstärkern kombinieren sollte, sondern diese Settings teilweise auch nochmal auf der Herstellerseite zugänglich gemacht, aber das Chug liefert in dieser Funktion einfach viel zu viel Gain und Höhen.
Als Distortion-Pedal muss das Chug daher ständig mit sehr defensiv eingestelltem Presence und teilweise sogar ähnlichen Treble-Poti-Settings genutzt werden, damit man nicht ein viel zu dünn klingendes Signal mit dem Hang zu starken Rückkopplungen erzeugt.
Sofern man diese eingeschränkte Nutzung des Equalizers beherzigt, lassen sich jedoch erstaunlich aggressive und modern klingende Sounds erzeugen, die im Vergleich zu den vielen bekannten Tube-Screamer-Varianten nicht einmal einen Hauch von Bluesrock-Feeling aufkommen lassen, sondern eindeutig Pantera-, Hardcore-, Schwedentod-, Modern-Metal- und Djent-Klischees bedienen.
Möchte man diese oder ähnliche Sounds im Homerecording-Verfahren aufnehmen, kann man das Chug Pedal übrigens durchaus direkt an die Recording-Karte anschließen und das Signal mit passenden Boxensimulationen oder IRs im Rechner bearbeiten. Die mit diesem einfachen Aufbau erzielbaren Ergebnisse klingen mindestens sehr ordentlich und können durchaus als Alternative oder auch als Ergänzung zu Plug-ins wie dem Fortin Cali VST oder der Nameless Suite von Neural DSP dienen. Apropos Alternativen:
ALTERNATIVEN
Das Revv Amplification G3, der Horizon Devices Precision Drive und auch das MXR EVH5150 Overdrive waren bisher in der speziellen Nische, in der auch das Solar Guitars Chug mitmischt, die populären Produkte der Mitbewerber und sind daher alle drei naheliegende Alternativen zum Solar-Preamp-Pedal. Alle drei klingen mittenbetonter und lassen sich aufgrund der weicheren und dunkleren Abstimmung der Höhen etwas einfacher als Distortion-Pedal nutzen und neigen weniger zu Rückkopplungen. Die aggressiven Höhen und auch den tiefen Bass des Chug liefern das G3, der Precision Drive und der EVH5150 Overdrive allerdings somit nicht und klingen daher allesamt etwas traditioneller als das Solar-Guitars-Produkt.
RESÜMEE
Das Solar-Guitars-Chug-Pedal leistet sich hinsichtlich der Bedienung der Potis und Ablesbarkeit der Potistellungen leider Schwächen, die in einem Testbericht nicht unerwähnt bleiben dürfen. Dennoch klingt das Pedal, als Vorstufe eingesetzt, tatsächlich hervorragend für moderne Metal-Spielarten und kann auf dem Pedalboard Booster, Overdrive, Vorstufe und Noisegate ersetzen. Für den derzeitigen Straßenpreis von etwa zweihundert Euro kann man dem Chug daher eine klare Kaufempfehlung aussprechen.
PLUS
- extrem tight
- kaum Nebengeräusche
- komplette Vorstufe
MINUS
- schlecht erkennbare Potiwerte und Funktionen der Potis
- haptische Bedienung
(erschienen in Gitarre & Bass 03/2023)