Charakter und Originalität

Der Traum vom Ideal: Baron Elektro-Gitarren Modell 2

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(Bild: Dieter Stork)

Das Baron-Universum wächst und bleibt doch überschaubar. Nach seinem vielbeachteten semiakustischen Modell 1 heftet Oliver Baron mit der Solidbody-Version Modell 2 den zweiten Stern an den Himmel ganz persönlicher Gitarrenträume.

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Lange hat Oliver Baron an Modell 1 gearbeitet, hat jedes Detail genauestens unter die Lupe genommen, das Design immer wieder verfeinert. Maßgabe, ja definitives Ziel war und ist die in seinen Augen und Ohren bestmögliche elektrische Gitarre. Modell 2 ergibt sich nun fast schon von selbst als solide Zwillings-Variante des halbakustischen Vorgängers.

Mit der Solidbody-Version soll durch zentriertes, mehr mittenorientiertes Tonverhalten auch eine Baron für die etwas härteren Gangarten zur Verfügung stehen.

RIEN NE VA PLUS?

So eine strenge Ausrichtung auf Endgültigkeit bindet sich selbstredend an sehr genaue individuelle Vorstellungen, wie etwas zu sein hat. Im Grunde liegt damit ein Gegenbild zum Custom Shop vor, auch wenn unter diesem Begriff keineswegs immer nur maßgeschneiderte Instrumente gefertigt werden. Immerhin: wer will, der kann in der Regel in diesem Zusammenhang eigene Wünsche realisieren. Oliver Baron hingegen baut seine Gitarren und bietet sie an – zack! Nicht unbedingt die „friss oder stirb“-Methode, denn auf Holzart (Decke Modell 1) und Details wird durchaus Zugriff gewährt, aber am Wesentlichen der Konstruktion und am Erscheinungsbild ist nicht zu rütteln.

(Bild: Dieter Stork)

Modell 2: Der plane, gut 4,5 cm starke Korpus aus ausgesucht leichtem afrikanischem Okoumé ist von klassischem Single-Cut-Zuschnitt, allerdings verglichen mit einer Gibson Les Paul etwas größer ausgelegt. Strukturell und farblich ist Okoumé dem Khaya-Mahagoni durchaus ähnlich, gelegentlich wird es darum auch Gabun-Mahagoni genannt, gehört aber zur Familie der Balsambaumgewächse. Umlaufend ist die Korpusfront mit einem Binding aus Ebenholz eingefasst, das im Bereich der Armauflage zu einem entschärfenden Bevel oder Armrest ausgearbeitet wurde.

Body aus leichtem Okoumé mit Bevel zur Armauflage (Bild: Dieter Stork)

Der in Höhe des 16. Bundes mit ergonomisch weich gestaltetem Halsfuß in den Korpus geleimte Hals aus Okoumé trägt ein Griffbrett aus Ebenholz. 22 Bünde zeigen kantenrunde Verarbeitung und glänzende Politur.

Hals aus Okoumé mit Ebenholzgriffbrett und perfekter Bundierung (Bild: Dieter Stork)

Die über eine winkelverstärkende Volute unterhalb des Sattels aus Knochen herausgeführte Kopfplatte mit Baron-Logo im aufgesetzten Ebenholzfurnier ist mit leichtgängigen offenen Vintage-Style-Mechaniken ausgestattet (Gotoh SX 510). Die Saiten schwingen in der Baron-Standardmensur von 625 mm zwischen dem sorgfältig eingerichteten Knochensattel und der ABM Wraparound-Bridge aus Messing.

Elektrik: Zwei Baron CC Klingen-Pickups geben dem Modell 2 seine Stimme. Die in Kappen aus Ebenholz platzierten Charlie-Christian-style Single Coil Pickups wickelt Oliver selbst von Hand. Ungewöhnlich, wenn nicht gar eigenwillig ist die Tailpiece-Simulation aus Ebenholz hinter der Bridge, auf der sich die Schalt- und Bedienelemente befinden: Ein genereller Volume-Regler, gefolgt von einem vierstufigen Charakter-Schalter und dem konventionellen Dreiwege-Pickup-Schalter.

Versiegelt ist das in jeder Hinsicht mit Liebe zum Detail gearbeitete Instrument in der Farbe Nussbraun rundum mit Ballen-Hartwachs, was die Holzstruktur wunderbar zur Geltung bringt und der Oberfläche einen angenehm samtigen Griff verleiht. Geliefert wird das Modell 2 mit Zertifikat in einem angemessen hochwertigen Case.

Praxistest und Werkstattbericht auf Seite 2

Baron-Klingen-Pickups im Charlie-Christian-Style (Bild: Dieter Stork)

FREUDE SCHÖN IN FETT TUT TUNKEN

Für eine Single Cutaway Solidbody von leicht vergrößertem Les-Paul-Format ist die Baron Modell 2 mit 3,3 kg ein ausgesprochenes Federgewicht. Die unkomplizierte, vollkommen geschmeidige Handhabung ergänzt das positive Bild.

Wie das Vorgängermodell wartet auch diese von der Korpustiefe her etwas schmaler gebaute Zwillingsschwester mit einem geradezu idealtypisch gestalteten Hals auf. Gut, Hand muss Hals fühlen und jeder Jeck ist anders, aber davon abgesehen liegt hier so etwas wie der Goldene Schnitt von einem Halsprofil vor, vollkommen ausgewogen und eine Einladung für jede konventionelle Spieltechnik. Müßig zu erwähnen, dass auch Bundierung und Setup höchsten Ansprüchen genügen. Nicht zuletzt liegt auch noch der rechte Unterarm komfortabel auf dem eher unscheinbar abgeglichenen Bevel am Zargenrand hinten.

Reden wir vom akustischen Potential dieser stimmigen Konstruktion, so ist zunächst die enorme Schwingfreude des Modell 2 ins Feld zu führen. Das leichte Okoumé sorgt zusammen mit der Wraparound Bridge für eine sensible Ansprache und bemerkenswert spontanes Reflexverhalten. Akkorde erinnern akustisch angespielt fast schon an die große Transparenz eines Klaviers. Überdies lösen sie sich leicht und luftig. Die Melange aus perfekter Separation der Stimmen und deren harmonischer Vermählung ist absolut schlagend. Dieses besonders innige Ineinanderschmelzen der Ober- und Differenztöne bei gleichzeitig weit offenem Ausdruck ist sicher mit Messgeräten nicht dingfest zu machen. Man muss da aber auch gar nichts wissen – hören und fühlen reicht! Spannend jetzt, wie dieses resonanzstarke Bild sich über die handgewickelten Baron-CC-Pickups elektrisch umsetzen lässt.

Ungewöhnlich originell: Bedienelemente auf stilisiertem Trapez-Saitenhalter (Bild: Dieter Stork)

Vorab noch eine Bemerkung zur etwas ungewöhnlich platzierten Kontrolleinheit: Der mittig nach vorn gesetzte Lautstärkeregler ist schnell in Gewöhnung genommen, lässt sich auch gut mit der Handkante bewegen. Der vierstufige Charakter-Schalter dahinter stellt vier gut gewählte Klangabstufungen bereit. Im Prinzip handelt es sich dabei um ein Tone-Poti mit besonders ausgeklügelten Sweet-Spot-Positionen. Die reichen von warm und mittig in Stellung 1 bis zum offen und brillant klingenden Bypass in Position 4, gewähren damit zusätzlich zum unverfälscht puren Ton drei weitere attraktive tonfarbliche Varianten ohne zu starke Bedämpfung. Alle Schaltpositionen zeichnet beste Vitalität aus.

Beginnen wir mit dem Hals-Pickup pur, so vermittelt der ein kraftvolles, voll durchzeichnetes Klangbild. Auch mit Modell 2 lassen sich darüber sanft gerundete Chords und perkussiv markante Jazz-Lines umsetzen, die sich aber immer die Option vorbehalten, in Peaks auszubrechen – denke an Julian Lage. Auf der anderen Seite lässt die Gitarre sich auch nicht lumpen, im Overdrive mit vokal ausgesprochen starken Lead-Sounds anzutreten, die ohne Schärfe, aber mit ordentlich Schmalz im Ton tolle Präsenz zeigen. Perkussiv in der Ansprache und kraftvoll in der Tonentfaltung lassen sich Linien dynamisch flexibel optimal gestalten.

Gehen wir auf den Steg-Pickup, so legt der ebenfalls ein dezidiert klar aufgelöstes Klangbild vor. Natürlich mehr stichelnd und leicht reizbar. Funky, ja twangy sind darüber griffige Rhythmus-Parts rauszuhauen. Linien zeigen perkussive Rasanz, gewinnen darüber markante Zuspitzung – das hat was! Unerwartet druckvoll und konturstark kommt der Klingen-Pickup dann aber im Overdrive in Stellung. Die Kombination aus Transparenz und Kraft sorgt für unfassbar kernig knurrende Powerchords. Die Umsetzung von Leads mit Saft und Kraft setzt da dann noch einen drauf. Nach scharfem Anriss flutet ein satter, stark fokussierter Ton den Raum, den es zu reiten gilt. Obertöne lassen sich leicht provozieren, quieken unter dem knapp gefassten Plektrum hervor. Das ist einerseits unerwartet krass, andererseits aber durchaus auch von einer gewissen Eleganz. Zu loben ist neben der fabelhaften dynamischen Gestaltungsbreite auch die über das gesamte Register hinweg zu erzielende gleichmäßige Tonentfaltung. Mit den perfekt gesetzten Stufen des Charakterschalters lässt sich das Klangbild nun auch noch variieren oder leicht bedämpfen ohne den Grundcharakter zu beeinträchtigen. Mannomann!

Am Ende des Tages will auch die Kombination beider Pickups nicht mit Klangcharakter geizen und stellt uns einen weiteren höchst nützlichen, angenehm entschlackten Sound mit Hohlkehle zur Verfügung. Der funktioniert in allen Betriebsarten prächtig, vielleicht sticht dabei die mittelböse Crunch-Einstellung mit knuspriger Präsenz besonders heraus.

RESÜMEE

Ja, so kann sie sein: die ideale Gitarre. Oliver Baron legt mit seinem Modell 2 zwar eine gewisse Kompromisslosigkeit an den Tag, aber die ist bei der gebotenen Qualität auch durchaus berechtigt. Die makellos und aus besten Materialien auf dem Hintergrund all seiner Erfahrung gebaute Solidbody besticht mit großem Klangcharakter, geradezu klavierähnlicher Transparenz und schlagender Präsenz, transportiert durch die jede Aktion dynamisch abbildenden Baron Klingen-Pickups. Sie kann damit beides sein, die sensible Erweiterung deiner Hand, bereit feinste Nuancen der musikalischen Fantasie umzusetzen, oder aber auch dein Partner in Crime, gar nicht zimperlich und geradezu versessen darauf, so manchem Traditionshersteller die Pferde vom Hof zu stehlen. An gut gebauten und prächtig aufgemachten Gitarren herrscht heute ja wahrlich kein Mangel, was aber nach wie vor schwer zu finden bleibt, sind Charakter und Originalität. Wer auf solche Eigenschaften Wert legt, der sollte unbedingt einmal ein Modell von Oliver Baron in die Hand nehmen. Referenzklasse!

P.S.: Das Testmodell hat mit Kurt Rosenwinkel bereits einen liebenden Besitzer gefunden und pssst (don‘t tell Ibanez 😉) sogar der große Pat Metheny besitzt inzwischen mit dem semiakustischen Modell 1 eine Baron!

PLUS

  • Design
  • Hölzer
  • Resonanzverhalten
  • Baron CC-Pickups
  • Sounds
  • Hals, Handhabung
  • Verarbeitung


(Bild: Franz Holtmann)

Neue Werkstatt, konsequentes Konzept

Oliver Baron ist in gewisser Weise rastlos, immer auf der Suche nach Inspiration, nach neuen Ideen und nach dem Optimum. Das bezieht sich auch auf seine Umgebung und so hat er wieder einmal den Standort gewechselt. Für die inzwischen schon fünfte Werkstatt seiner Karriere hat er nun attraktive Studioräume mit Blick ins Grüne in einer Art Kreativzentrum oberhalb einer Werkhalle für Metallkunst und einem Aufnahmestudio im Süden Münsters bezogen. In der alten Werkstatt fertigte Oliver viele seiner Helliver-Designs, von denen es auf der Basis noch vorhandener Parts demnächst noch eine Auflage von Firebugs geben wird. Die Ideen für seine neuen Baron-Modelle mit der Entwicklung eigener Pickups nahmen auch dort schon Gestalt an, suchten aber nun offenbar nach einer neuen Heimat. Aktuelle Novität ist eine CNC-Fräse. Oliver: „Wollte ich ganz lange Zeit nicht, wegen der Handarbeit usw., aber da hat sich bei mir, wie auch bei den Musikern in den letzten 10 Jahren ganz viel getan. Ich werde demnächst 20 anstatt 15 Instrumente bauen können mit Unterstützung dieser CNC, ansonsten ändert sich da abgesehen von der Präzision und der Schonung meiner Knochen gar nichts. Das Holz wird genauso behandelt, genauso abgelagert und selektiert und ich mach mir noch genauso wie immer einen Kopf um jedes einzelne Instrument.“

(Bild: Franz Holtmann)

Oliver nimmt jetzt ganz bewusst auch keine Aufträge für Custom-Anfertigungen mehr an. Er geht tendenziell weg vom Dienstleister in Richtung eines Kunstschaffenden. „Teil des ganzen Baron-Konzeptes ist ja, Gitarren in dem Tempo, in dem Rhythmus, mit der Genauigkeit und nach den Vorstellungen, auch was die ganzen Features angeht, so zu bauen wie ich meine, dass ich das nicht besser kann. Nach meiner Vorstellung die ideale Gitarre. Da schließt sich das im Grunde aus, mit dem Kunden zusammen einen Kompromiss zu finden. Ich hab immer gemerkt, dass die Instrumente, die ich jetzt entweder für mich selbst oder für meinen Helliver-Shop gebaut habe, die besten waren und am Ende haben das ganz viele Kunden auch so gesehen. Die Baron ist wie sie ist, man weiß was man bekommt, erst recht wenn man einmal eine Baron in der Hand hatte, deshalb auch nur dieses eine, am berühmten 59er orientierte Halsprofil.“

(Bild: Franz Holtmann)

Dennoch gibt es Ausnahmen von der Ausschließlichkeit, wenn jemand etwa eine bestimmte Decke beim Modell 1 möchte, ist das kein Problem. Die Konzeption wird dadurch nicht verändert. Oder wenn jemand bauliche Anpassung für ein persönliches Handicap wünscht, ist Oliver dabei.


(erschienen in Gitarre & Bass 01/2025)

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