Der Traum vom Ideal: Baron Elektro-Gitarren Modell 2
von Franz Holtmann, Artikel aus dem Archiv
Anzeige
Baron-Klingen-Pickups im Charlie-Christian-Style (Bild: Dieter Stork)
FREUDE SCHÖN IN FETT TUT TUNKEN
Für eine Single Cutaway Solidbody von leicht vergrößertem Les-Paul-Format ist die Baron Modell 2 mit 3,3 kg ein ausgesprochenes Federgewicht. Die unkomplizierte, vollkommen geschmeidige Handhabung ergänzt das positive Bild.
Wie das Vorgängermodell wartet auch diese von der Korpustiefe her etwas schmaler gebaute Zwillingsschwester mit einem geradezu idealtypisch gestalteten Hals auf. Gut, Hand muss Hals fühlen und jeder Jeck ist anders, aber davon abgesehen liegt hier so etwas wie der Goldene Schnitt von einem Halsprofil vor, vollkommen ausgewogen und eine Einladung für jede konventionelle Spieltechnik. Müßig zu erwähnen, dass auch Bundierung und Setup höchsten Ansprüchen genügen. Nicht zuletzt liegt auch noch der rechte Unterarm komfortabel auf dem eher unscheinbar abgeglichenen Bevel am Zargenrand hinten.
Anzeige
Reden wir vom akustischen Potential dieser stimmigen Konstruktion, so ist zunächst die enorme Schwingfreude des Modell 2 ins Feld zu führen. Das leichte Okoumé sorgt zusammen mit der Wraparound Bridge für eine sensible Ansprache und bemerkenswert spontanes Reflexverhalten. Akkorde erinnern akustisch angespielt fast schon an die große Transparenz eines Klaviers. Überdies lösen sie sich leicht und luftig. Die Melange aus perfekter Separation der Stimmen und deren harmonischer Vermählung ist absolut schlagend. Dieses besonders innige Ineinanderschmelzen der Ober- und Differenztöne bei gleichzeitig weit offenem Ausdruck ist sicher mit Messgeräten nicht dingfest zu machen. Man muss da aber auch gar nichts wissen – hören und fühlen reicht! Spannend jetzt, wie dieses resonanzstarke Bild sich über die handgewickelten Baron-CC-Pickups elektrisch umsetzen lässt.
Ungewöhnlich originell: Bedienelemente auf stilisiertem Trapez-Saitenhalter (Bild: Dieter Stork)
Vorab noch eine Bemerkung zur etwas ungewöhnlich platzierten Kontrolleinheit: Der mittig nach vorn gesetzte Lautstärkeregler ist schnell in Gewöhnung genommen, lässt sich auch gut mit der Handkante bewegen. Der vierstufige Charakter-Schalter dahinter stellt vier gut gewählte Klangabstufungen bereit. Im Prinzip handelt es sich dabei um ein Tone-Poti mit besonders ausgeklügelten Sweet-Spot-Positionen. Die reichen von warm und mittig in Stellung 1 bis zum offen und brillant klingenden Bypass in Position 4, gewähren damit zusätzlich zum unverfälscht puren Ton drei weitere attraktive tonfarbliche Varianten ohne zu starke Bedämpfung. Alle Schaltpositionen zeichnet beste Vitalität aus.
Beginnen wir mit dem Hals-Pickup pur, so vermittelt der ein kraftvolles, voll durchzeichnetes Klangbild. Auch mit Modell 2 lassen sich darüber sanft gerundete Chords und perkussiv markante Jazz-Lines umsetzen, die sich aber immer die Option vorbehalten, in Peaks auszubrechen – denke an Julian Lage. Auf der anderen Seite lässt die Gitarre sich auch nicht lumpen, im Overdrive mit vokal ausgesprochen starken Lead-Sounds anzutreten, die ohne Schärfe, aber mit ordentlich Schmalz im Ton tolle Präsenz zeigen. Perkussiv in der Ansprache und kraftvoll in der Tonentfaltung lassen sich Linien dynamisch flexibel optimal gestalten.
Gehen wir auf den Steg-Pickup, so legt der ebenfalls ein dezidiert klar aufgelöstes Klangbild vor. Natürlich mehr stichelnd und leicht reizbar. Funky, ja twangy sind darüber griffige Rhythmus-Parts rauszuhauen. Linien zeigen perkussive Rasanz, gewinnen darüber markante Zuspitzung – das hat was! Unerwartet druckvoll und konturstark kommt der Klingen-Pickup dann aber im Overdrive in Stellung. Die Kombination aus Transparenz und Kraft sorgt für unfassbar kernig knurrende Powerchords. Die Umsetzung von Leads mit Saft und Kraft setzt da dann noch einen drauf. Nach scharfem Anriss flutet ein satter, stark fokussierter Ton den Raum, den es zu reiten gilt. Obertöne lassen sich leicht provozieren, quieken unter dem knapp gefassten Plektrum hervor. Das ist einerseits unerwartet krass, andererseits aber durchaus auch von einer gewissen Eleganz. Zu loben ist neben der fabelhaften dynamischen Gestaltungsbreite auch die über das gesamte Register hinweg zu erzielende gleichmäßige Tonentfaltung. Mit den perfekt gesetzten Stufen des Charakterschalters lässt sich das Klangbild nun auch noch variieren oder leicht bedämpfen ohne den Grundcharakter zu beeinträchtigen. Mannomann!
Am Ende des Tages will auch die Kombination beider Pickups nicht mit Klangcharakter geizen und stellt uns einen weiteren höchst nützlichen, angenehm entschlackten Sound mit Hohlkehle zur Verfügung. Der funktioniert in allen Betriebsarten prächtig, vielleicht sticht dabei die mittelböse Crunch-Einstellung mit knuspriger Präsenz besonders heraus.
RESÜMEE
Ja, so kann sie sein: die ideale Gitarre. Oliver Baron legt mit seinem Modell 2 zwar eine gewisse Kompromisslosigkeit an den Tag, aber die ist bei der gebotenen Qualität auch durchaus berechtigt. Die makellos und aus besten Materialien auf dem Hintergrund all seiner Erfahrung gebaute Solidbody besticht mit großem Klangcharakter, geradezu klavierähnlicher Transparenz und schlagender Präsenz, transportiert durch die jede Aktion dynamisch abbildenden Baron Klingen-Pickups. Sie kann damit beides sein, die sensible Erweiterung deiner Hand, bereit feinste Nuancen der musikalischen Fantasie umzusetzen, oder aber auch dein Partner in Crime, gar nicht zimperlich und geradezu versessen darauf, so manchem Traditionshersteller die Pferde vom Hof zu stehlen. An gut gebauten und prächtig aufgemachten Gitarren herrscht heute ja wahrlich kein Mangel, was aber nach wie vor schwer zu finden bleibt, sind Charakter und Originalität. Wer auf solche Eigenschaften Wert legt, der sollte unbedingt einmal ein Modell von Oliver Baron in die Hand nehmen. Referenzklasse!
P.S.: Das Testmodell hat mit Kurt Rosenwinkel bereits einen liebenden Besitzer gefunden und pssst (don‘t tell Ibanez 😉) sogar der große Pat Metheny besitzt inzwischen mit dem semiakustischen Modell 1 eine Baron!
PLUS
Design
Hölzer
Resonanzverhalten
Baron CC-Pickups
Sounds
Hals, Handhabung
Verarbeitung
(Bild: Franz Holtmann)
Neue Werkstatt, konsequentes Konzept
Oliver Baron ist in gewisser Weise rastlos, immer auf der Suche nach Inspiration, nach neuen Ideen und nach dem Optimum. Das bezieht sich auch auf seine Umgebung und so hat er wieder einmal den Standort gewechselt. Für die inzwischen schon fünfte Werkstatt seiner Karriere hat er nun attraktive Studioräume mit Blick ins Grüne in einer Art Kreativzentrum oberhalb einer Werkhalle für Metallkunst und einem Aufnahmestudio im Süden Münsters bezogen. In der alten Werkstatt fertigte Oliver viele seiner Helliver-Designs, von denen es auf der Basis noch vorhandener Parts demnächst noch eine Auflage von Firebugs geben wird. Die Ideen für seine neuen Baron-Modelle mit der Entwicklung eigener Pickups nahmen auch dort schon Gestalt an, suchten aber nun offenbar nach einer neuen Heimat. Aktuelle Novität ist eine CNC-Fräse. Oliver: „Wollte ich ganz lange Zeit nicht, wegen der Handarbeit usw., aber da hat sich bei mir, wie auch bei den Musikern in den letzten 10 Jahren ganz viel getan. Ich werde demnächst 20 anstatt 15 Instrumente bauen können mit Unterstützung dieser CNC, ansonsten ändert sich da abgesehen von der Präzision und der Schonung meiner Knochen gar nichts. Das Holz wird genauso behandelt, genauso abgelagert und selektiert und ich mach mir noch genauso wie immer einen Kopf um jedes einzelne Instrument.“
(Bild: Franz Holtmann)
Oliver nimmt jetzt ganz bewusst auch keine Aufträge für Custom-Anfertigungen mehr an. Er geht tendenziell weg vom Dienstleister in Richtung eines Kunstschaffenden. „Teil des ganzen Baron-Konzeptes ist ja, Gitarren in dem Tempo, in dem Rhythmus, mit der Genauigkeit und nach den Vorstellungen, auch was die ganzen Features angeht, so zu bauen wie ich meine, dass ich das nicht besser kann. Nach meiner Vorstellung die ideale Gitarre. Da schließt sich das im Grunde aus, mit dem Kunden zusammen einen Kompromiss zu finden. Ich hab immer gemerkt, dass die Instrumente, die ich jetzt entweder für mich selbst oder für meinen Helliver-Shop gebaut habe, die besten waren und am Ende haben das ganz viele Kunden auch so gesehen. Die Baron ist wie sie ist, man weiß was man bekommt, erst recht wenn man einmal eine Baron in der Hand hatte, deshalb auch nur dieses eine, am berühmten 59er orientierte Halsprofil.“
(Bild: Franz Holtmann)
Dennoch gibt es Ausnahmen von der Ausschließlichkeit, wenn jemand etwa eine bestimmte Decke beim Modell 1 möchte, ist das kein Problem. Die Konzeption wird dadurch nicht verändert. Oder wenn jemand bauliche Anpassung für ein persönliches Handicap wünscht, ist Oliver dabei.