Tief, tiefer, Telecaster

Der Sound der Siebziger: Fender Vintera II 70s Telecaster Bass im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Bei einer Fender Vintage Reissue denken die meisten wahrscheinlich an die guten American-Vintage-Modelle aus Fullerton, die 1982 nicht wenig dazu beitrugen, die Marke entscheidend wiederzubeleben. Aber schon Ende der 60er hörte man bei Fender den Ruf nach Instrumenten, wie sie früher mal waren.

Im Jahr 1968 entschied man sich, den Precision Bass in seiner ursprünglichen Form von 1951 wieder ins Programm zu nehmen. Um Namensverwirrung zu vermeiden, wurde der neue Alte auf „Telecaster Bass“ getauft. Schon drei Jahre später wurde der Telecaster Bass umgestylt: Er bekam eine Dreipunkt-Halsverschraubung, ein großes Schlagbrett und vor allem einen Wide Range Humbucker fast direkt am Halsende. Damit nahm er Kernfeatures der neu überarbeiteten Schwester-Gitarre „Telecaster Custom“ um ein Jahr vorweg, ungewöhnlich für Fender, wo es sonst immer erst die Gitarre, dann den Bass dazu gab.

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BRETTBASS

Kam der 68er-Telebass noch mit einem veritablen Baseballschläger-Hals, der manche begeisterte und andere abschreckte, war die 70er-Variante massenkompatibler. Entsprechend ist auch der Vintera geschnitten: 41,3 mm bzw. 1 ⅝” am Sattel, was dem B-Neck entspricht, die Halsform ist ein durchaus noch massiges C. Einteiliger Ahorn ist das Material der Wahl, der Stahlstab wird von hinten eingesetzt, der Skunk-Stripe verschließt die Fräsung. Die Dreipunktverschraubung nebst Micro-Tilt-Madenschräubchen für die Einstellung des Halswinkels ohne Shim hat nicht den besten Ruf, was allerdings an der in der CBS-Zeit oft mangelnden Genauigkeit in der Fertigung lag und nicht an der Methode selbst (die Leo Fender selbst bei seinen beiden späteren Firmen wieder nutzte). Halstasche und Halsfuß hatten gerne zu viel Spiel, davon ist heute nichts mehr zu sehen.

Exakt geht es auch bei der Bundierung zu: 20 Vintage-Tall-Bünde wurden sauber in den mit 7,25” vintagemäßig gewölbten Hals eingesetzt. Schwarze Dots an den üblichen Stellen weisen den Weg durch die Lagen. Die Kopfplatte hat natürlich Tele-Form, an vier offenen Mechaniken wird gestimmt, ein Niederhalter drückt dabei die D- und G-Saite fest in den Sattel. Sehr 70er ist die Einstellung des Halsstabs. Dafür musste bis 1971 der Hals abgeschraubt werden, um an die Mutter am Halsende zu kommen. Danach wanderte sie bei den „besseren“ Modellen (Strat und Jazz Bass zum Beispiel, beim Preci und der normalen Tele dagegen nicht) auf die Kopfplatte, wo die patronenförmige Optik der Mutter ihr die Bezeichnung „Bullet Truss Rod“ einbrachte.

(Bild: Dieter Stork)

Den Pickup erwähnte ich ja schon: ein großer Chromklotz in Halsnähe. Die Single-Coil-Firma Fender hatte 1967 Seth Lover von Gibson geholt, der für sie den Humbucker – was sage ich? – DEN Humbucker entwickelt hatte. (Nicht den ersten, aber sicherlich den einflussreichsten.) Die Wide Range Humbucker sehen aber nicht nur anders aus, sie klingen auch ganz anders als PAF und Co., so auch die Bassversion. Im Original hat der Pickup CuNiFe-Magnete (Kupfer, Nickel, und Eisen statt AlNiCo oder Keramik), so weit geht die Liebe zum Detail doch nicht.

Vier Schrauben halten ihn in Höhe und Neigung verstellbar im dreischichtigen Schlagbrett, das bei aller Größe noch ganz schön viel Body sehen lässt. Ebenfalls vier Polschrauben sind zu sehen, mit denen die Abnahme fein abgestimmt werden kann. Unterhalb des Tonabnehmers sitzt die gerne als Tugbar bezeichnete Finger- “Stütze“. Oberhalb der Saiten montiert wäre es eine Daumenstütze, in der Position unter den Saiten kann man die Finger einhaken und mit dem Daumen zupfen, wie es z.B. der frühe Fender-Bassist Monk Montgomery machte. Historisch ist das korrekt so, ob man damit arbeiten möchte – probiert es aus!

Wie gewohnt gibt es Regler für Volume und Tone, per Buchse in einer kleinen Metalldose geht es aus der Zarge an den Amp. Am Korpusende werden die Saiten durch den Body gefädelt und laufen dann über die sehr archaisch wirkende Brücke, die an drei Schrauben hängt und bei der sich je zwei Saiten einen Saitenreiter teilen müssen.

Soundcheck und Resümee auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

TIEF, TIEFER, TELECASTER

Dass damit eine hundertprozentige Intonation praktisch unmöglich ist, war in den Anfängen des E-Basses wohl nicht so wichtig, jetzt muss man mit einem Kompromiss leben. Die Reiter werden so gut eingestellt wie es geht, indem die ganze T-Konstruktion seitlich verschoben und dann mit den Saiten fixiert wird. Das geht nur bis zu einem gewissen Grad, denn weder haben die Saiten auf den glatten Reitern irgendeinen Halt, noch die Reiter selbst auf der Grundplatte – ein Verrutschen ist fast garantiert.

(Bild: Dieter Stork)

Immerhin hat die Brücke genug Spiel, um die Saitenlage bei Bedarf auch noch tiefer zu legen, ohne dass das Micro-Tilt-System ran muss. Wie schon gesagt, moderne Fertigung eliminiert die früheren Ungenauigkeiten, die das System so unabsichtlich beweglich machte, aber die Micro-Tilt-Schraube drückt das Halsende auf eine Art hoch, die eine leichte Sprungschanze mit entsprechendem Schnarrpotential ergibt.

Wie das Vorbild und dessen Urahn hat der Vintera II Telecaster Bass einen, hier in herrlichem Surf Green lackierten, Slab-Korpus, also ein reines Brett ohne Shapings. Am Gurt wird sofort klar, warum es eine gute Idee war, die Strat und ab deren Erscheinen auch den frühen Precision Bass mit bequemeren Fräsungen zu versehen. Aber nun ja, so ist es Vintage-korrekt. Die Fender-typische Kopflastigkeit fällt milde aus, da scheint sich der etwas schwerere Korpus gegenüber der reduzierten Kopfplatte bemerkbar zu machen.

Der trockene Ton ist ebenfalls Fender-typisch, mit knochigen Höhen und ausreichend, aber nicht übermäßigem Fundament. Daran mangelt es am Amp dann definitiv nicht mehr. Wenig überraschend, ob der Pickup-Position, prägt ein tiefer, fetter, aber trockener Bass das Geschehen. Überraschender ist da schon der Höhenanteil, der durchaus präsent ist und den Ton in Form hält – hier macht sich die Wahl von 1-Megohm-Potis bemerkbar, die diesen Bereich nur wenig bedämpfen.

Dazwischen liegt der Hauptcharakter des Basses, ein fettes, holziges Mittenbrett mit ordentlichem Honk im Ton. Ein ganz eigener Ton, weit abseits der üblichen Fender-Archetypen, sehr dankbar auch in Verbindung mit Zerren aller Art, von leichtem Rotz bis hin zu grobem Fuzz. Aber – auch wenn das durch die PU-Position und die Tugbar etwas erschwert wird – auch Slappen klingt originell. Dann aber eher ohne Zerre …

Gut gefällt mir, dass der Pickup trotz extremer Halsnähe keine Unsauberkeiten in den hohen Lagen verursacht, das hätte ich so nicht erwartet. Ebenfalls ganz nach meinem Gusto ist die Tonblende, die über den gesamten Regelweg benutzt werden darf, und von dezentem Treble-Cut bis zu dann doch noch deliziöser, Mudbucker-mäßiger Matschschleuder reicht.

RESÜMEE

Anders als teurere US-Serien sind die Vintera II nicht der hundertprozentigen historischen Exaktheit verpflichtet. So fehlt zum Beispiel das Bridge-Cover und auch der Wide Range Humbucker ist nur Vintage-Style, aber in puncto Bauweise keine exakte Replik. Aber wen kümmert das, wenn das Ergebnis so charakterstark und überzeugend ist?

Etliche haben schon zu Protokoll gegeben, der neue Mexikaner wäre besser als ihr 70er-JahreVintage-Original. Die Verarbeitung lässt jedenfalls nichts zu wünschen übrig (auch nicht bei einem weiteren Exemplar), die Bespielbarkeit ist gut, die Tonentfaltung gleichmäßig, der Pickup macht dem Namen Wide Range alle Ehre und glänzt mit tiefem Pfund, schöner Präsenz und ganz eigenen Mitten. Die Brücke ist ziemlicher Käse, aber Vintage-korrekter Käse – da müsste man selber austauschen (Wilkinson und Gotoh haben da was …). Aber auch mit der originalen Brücke ist es ein toller Charakterbass. Schön, dass Fender auch die eigene Historie abseits des Mainstreams nicht außer Acht lässt.

PLUS

  • Sound
  • Bespielbarkeit
  • Spielgefühl
  • Vintage-Optik
  • Wide Range Pickup

MINUS

  • Einstellbarkeit der Vintage-Brücke (muss aber so)


(erschienen in Gitarre & Bass 01/2024)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Tja … Preis: früher gab’s den mal als Squier für ~400€ … das relativiert den Preis dann doch. Hätte den vor ca. 15 jahren beinahe gekauft, weil ich die Tele-Kopfplatte so cool fand, habe ich aber dann für die MikeDirnt-Version entschieden wg. des etwas knackigeren Tons und gleichem Kopp.

    Der tiefe weiche Ton ist mir noch gut im Ohr … ein toller Bass für “klassichen” Pop und Rock.

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