Im Kampf um Obertonreichtum, Stabilität und Sustain haben schon etliche Firmen zu alternativen Materialien wie Carbon oder Metall gegriffen – häufig jedoch in Verbindung mit Holz und meist nur auf den Hals beschränkt. Bei dem kleinen US-Hersteller Electrical Guitar Company kennt man offenbar keine Kompromisse und fertigt Instrumente komplett aus Aluminium.
Die Schwingfreudigkeit von Aluminium ist eigentlich kein Geheimnis und doch findet es in der heutigen Bass- und Gitarren-Landschaft abseits von Halsspannstab und Hardware kaum Verwendung. Das war jedoch nicht immer so: Die meisten werden sich noch an die alten Kramer-Instrumente erinnern, bei denen T-förmige Metallprofile mit seitlich angebrachten Holzwangen für den Hals zum Einsatz kamen. Für echte Alu-Fans natürlich ein fauler Kompromiss, weshalb heute die Gitarren und Bässe von Kramers Ex-Kollegen Travis Bean mit ihren fast durchgehenden Voll-Alu-Hälsen wesentlich begehrter sind.
Wie auch bei Kramer waren Griffbrett und Korpus bei den Beans noch aus Holz (bzw. Ebonol bei Kramer) gefertigt, sodass diese Instrumente zwar deutlich anders als die Fender- und Gibson-Konkurrenz klangen, jedoch noch nicht das volle Potenzial des alternativen Materials ausspielten. Erst John Veleno baute ab 1972 neben seinem Fulltime-Job als Mechaniker 200 Gitarren komplett aus Aluminium, die meisten davon für Gitarren-Größen wie Eric Clapton, Ace Frehley oder Lou Reed. Wie auch Beans Instrumente sind Veleno-Gitarren aufgrund ihrer Seltenheit und ihres einzigartigen Klangcharakters extrem gesucht, weshalb sie heute für hohe vierstellige Beträge über den Tisch gehen.
Aus der Bewunderung von Beans und Velenos Arbeit heraus und dem Wunsch Aluminium-Instrumente zu weniger exklusiven Preisen anbieten zu können, gründete schließlich Kevin Burkett 2003 die Electrical Guitar Company, kurz EGC. In Kleinserien fertigt die Firma seither individualisierbare Gitarren und Bässe mit wahlweise Aluminium, Acryl-, oder Holzbody, die es bis auf die Bühnen von Bands wie Cheap Trick, Melvins, Mastodon, Foo Fighters, Marilyn Manson oder Katy Perry geschafft haben. Als typischer EGC-Vertreter beweist in unserem Test das optisch auf retro getrimmte „Series Two“- Model, dass sich alternative Materialien und ein klassischer Look keinesfalls im Wege stehen.
k o n s t r u k t i o n
Obwohl Aluminium bekanntlich zu den leichteren Metallen gehört, ist es immer noch deutlich schwerer als Holz, weshalb EGC seine Alu-Instrumente zugunsten eines besseren Handlings komplett aushöhlt. Komplett? Richtig gehört! Nicht nur der aus zwei aufeinander geschraubten Platten gefertigte Korpus beherbergt einen großen Hohlraum, auch der Hals mit seinem aufgesetzten Alu-Griffbrett ist nicht massiv. Der Stabilität tut diese Bauweise keinen Abbruch, schließlich ist das verwendete Material nicht nur unglaublich steif und verwindungsresistent, es kommt an den meisten Stellen auch in einer großzügigen Stärke von 3,5 mm zum Einsatz. Hals und Korpus werden in der EGC-Werkstatt aus massiven Aluminium-Blöcken gefräst, welche mit 59 kg unter die Maschine kommen und sie mit weniger als 4 kg wieder verlassen – eine Menge Verschnitt also!
Betrachtet man die Konstruktion genauer, lassen sich an verschiedenen Stellen Einflüsse der großen Vorbilder wiedererkennen: Der Hals reicht wie beim Travis Bean TB2000 tief in den Korpus bis kurz hinter die Brücke, die Saiten werden ausschließlich durch den Body geführt. Der Pickup wird außerdem wie beim Bean von zwei Schrauben auf der Halsrückseite gehalten und liegt direkt auf der schwingfreudigen Halsbasis auf, was sich laut Hersteller positiv auf den Sound auswirken soll. Beim Korpusdesign stand ohne Zweifel Mosrites Ventures Modell Pate, selbst die markante umlaufende Kontur des 60er-Jahre-Klassikers wurde übernommen und in den etwa 3,8 cm starken Body gefräst. Trotz fehlender Arm- und Bauchshapings wirkt der EGC keinesfalls plump oder klobig: Der flache Korpus mit seiner schwungvollen Silhouette verleiht dem Instrument vielmehr eine fast filigrane Eleganz.
Muss man (aus welchen Gründen auch immer) an die Elektronik oder den Tonabnehmer, lässt sich die Korpus-Rückplatte durch das Lösen von insgesamt zwölf Schrauben entfernen, dabei macht die konsequente Verwendung von Inbusschrauben die Verbindungen langlebig und das Instrument wartungsfreundlich. Die Oberfläche des Korpus wurde einem sogenannten „Bright Dip Anodize“-Verfahren unterzogen, einer speziellen Form der Eloxierung, die das Material durch Ätzung einfärbt, härtet und in diesem speziellen Fall einen gewissen Glanz verleiht. Wie auch bei der alternativ erhältlichen Pulverbeschichtung ist die Oberfläche äußerst kratzfest und darüber hinaus farblich individuell gestaltbar – wer es gerne puristisch mag, bekommt aber auch poliertes Aluminium. Wie das aussieht, zeigt der Hals unseres Viersaiters: Blank wie ein Spiegel, strahlt das perfekt verarbeitete und tadellos auf Hochglanz polierte Material neben enormer Stabilität vor allem ein einzigartiges Gefühl von Wertigkeit aus, wie man es von keinem Holzinstrument kennt.
Mit penibler Genauigkeit wurde das nicht weniger spektakuläre Griffbrett mechanisch im Hals verankert, verklebt und zuletzt mit 20 Medium-Jumbo-Bünden aus unverwüstlichem Edelstahl bestückt. Dank der Belastbarkeit des Materials kommt der Series Two ohne einen Halsspannstab aus, sodass der Spieler auf die fest eingefräste und sehr dezent gehaltene Halskrümmung festgelegt ist, die der Hersteller vorgibt. Als eine weitere Travis Bean Hommage kann weiter oben am Hals die abgewinkelte und innen ausgeschnittene Kopfplatte verstanden werden. Sie verleiht dem Series Two nicht nur eine ordentliche Portion Wiedererkennungswert, sondern spart mit ihrer kompakten Bauweise auch Gewicht ein, was später natürlich der Balance am Gurt zugutekommt. Für präzises Stimmen in allen Lebenslagen stehen in 2/2-Manier angeordnete geschlossene Gotoh-Stimmmechaniken bereit, während der hauseigene Steg aus massivem Messing auf der gegenüberliegenden Seite maximales Sustain aus der Voll-Metall-Konstruktion herauskitzeln soll.
Sein Design mit der großen Grundplatte und den überdimensionierten, klotzigen Reitern geht einmal mehr auf Herrn Bean zurück – „never change a running system“ wird man sich bei EGC gedacht haben. Auf Kundenwunsch ist unser Testbass anstelle des sonst üblichen Pärchens mit nur einem Tonabnehmer ausgestattet, welcher exakt in der Postion des Split-Coils eines Precision- Basses montiert wurde. Unter der schicken Chrom-Kappe im Gitarren-Humbucker- Format verbirgt sich ein ausgewachsener Doppelspuler, der mit zwölf (!!!) fetten Magneten und einer massiven Stahl-Baseplate in serieller Verdrahtung einen urgewaltigen Ton verspricht. Mit der Push/Pull- Funktion des neben dem Volume-Regler gelegenen Tone-Potis lässt sich der Humbucker splitten; alternativ wäre hier auch eine Parallelschaltung der beiden Spulen umsetzbar. Unterm Strich ist die Verarbeitung des Series Two absolut makellos, wobei auch Details wie die speziell angefertigten und passend zum Korpus eloxierten Alu-Potiknöpfe mit bemerkenswerter Sorgfalt umgesetzt wurden.
p r a x i s
Alle EGC-Instrumente kommen standardmäßig in einem klassischen mit Kunstleder bezogenen G&G Koffer, unser Testbass wurde jedoch gegen einen Aufpreis von ca. 160 Dollar in einem SKB I-Series Case eingeflogen – eines der stabilsten und teuersten Cases überhaupt. Nachdem die erste Euphorie über das gediegene Transport-Behältnis verflogen ist, fällt bei der Begutachtung des Basses zunächst das Gewicht auf: 4,5 kg stehen auf der Waage – vergleichbar mit einem ausgewachsenen Five-String. Gar nicht schlecht, bedenkt man die im Vergleich zu Holz deutlich höhere Dichte des Materials. Wie bei der Korpusform nicht anders zu erwarten, senkt sich am Gurt die Kopflatte entgegen aller Bemühungen deutlich Richtung Boden – ein Preis, den Freunde des Mosrite-Designs gewohnt sind zu zahlen.
Der trotz seiner 41 mm Sattelbreite extrem schlanke Hals liegt mit seinem runden C-Profil dafür gut in der Hand, dank der superflachen Saitenlage lässt sich das Instrument bis in die höchsten Lagen hervorragend bespielen. Anfangs etwas gewöhnungsbedürftig ist die im Vergleich zu Holz deutlich kältere Oberfläche des Aluminiums, spielt man sich und den Bass aber ordentlich warm, oder lässt man das gute Stück vor dem Gig unter den Bühnenlichtern etwas „vorglühen“, ist jedoch auch das kein wirkliches Problem. Aber wie klingt er denn nun? Eindeutig nach Bass, akustisch jedoch deutlich lauter und twangiger als gewohnt. Die durch die hohle Bauweise besonders prominenten nasalen Mitten erinnern ein wenig an die einer Resonatorgitarre, absolut einzigartig ist außerdem das extrem detailreiche Obertonsprektrum.
Wie eine Art natürlicher Chorus scheinen die Obertöne leicht zu modulieren, was dem Sound eine besondere Breite verleiht und Akkorde wie Melodien mit einem ganz eigenen Glanz in Szene setzt. Deadspots sind der Aluminium-Konstruktion völlig fremd und auch das Sustain ist erwartungsgemäß dem der allermeisten Holz-Instrumente deutlich überlegen. Am Verstärker blinken und leuchten beim ersten tiefen E zunächst alle Clipping- und Gain-LEDs in hellem Rot, so brachial ist der Output des Series Two! Tatsächlich ist der Pegel sogar deutlich höher als der vieler Aktiv-Bässe, sodass es sich in jedem Fall empfiehlt, den unempfindlicheren Eingang des Verstärkers zu wählen. Von tief unten erzeugt der EGC einen wirklich enormen Schub der nahtlos an die darüberliegenden, ausgesprochen dichten Tiefmitten anknüpft und dabei gerade weniger potente Bass-Anlagen auf eine ernste Probe stellt.
Das akustisch eher schlanke Klangbild weiß der kraftvolle Tonabnehmer mühelos aufzufüllen und wo der Humbucker-Modus auf kompromisslose Durchsetzungsfähigkeit und Fatness geeicht ist, schlägt der Split-Modus deutlich breitbandigere und zivilisiertere Töne an. Zwar ist der Output der einzelnen Spule immer noch überdurchschnittlich hoch, der Detailreichtum und die Dynamik leiden darunter jedoch keinesfalls. Offensiv und angriffslustig präsentiert der Series Two sein ultra-direktes Attack, welches sich wie ein Säbel durch den Mix schneidet; dank der Positionierung des Pickups wird der Ton dabei stets mit dem nötigen Tiefmitten- Pfund unterfüttert.
Besonders perkussive Spieltechniken strahlen mit ungewöhnlicher Präsenz und Klarheit; harte Plektrumarbeit scheint unser Testbass regelrecht zu lieben, womit wohl auch EGCs Erfolg in der Post-Metal-/Punk-Underground-Szene erklärt wäre. Trotz seiner Raubein-Ambitionen versteht sich der unkaputtbare Viersaiter aber auch mit zarten Klängen: Verschiedene Anschlagstechniken setzt die sensible Konstruktion mit unverfälschter Dynamik um und gerade moderne Funk- Linien mit Flageoletts profitieren von der knackigen Ansprache und dem imposanten Obertonreichtum.
r e s ü m e e
Eigentlich ist es eine kleine Sensation: Die Electrical Guitar Company beweist, dass Voll-Aluminium- Instrumente in fast jeder Hinsicht auf Augenhöhe mit ihren hölzernen Verwandten stehen und ihnen in manchen Punkten sogar überlegen sind. Optisch und haptisch ein Ausnahme-Instrument, hat der Series Two Klänge auf Lager, die einem Holzinstrument schlichtweg immer verborgen bleiben werden, und für die alleine sich die Anschaffung lohnt. Zuletzt bleibt noch der äußerst faire Preis zu erwähnen, wobei man als Europäer derzeit leider wohl nicht um einen kostspieligen Eigenimport herumkommt …
P l u s
- Verarbeitung
- Optik
- Konzept
- Spielbarkeit
- Sustain
- Klangeigenschaften
- Obertonreichtum
M i n u s
Kommentar zu diesem Artikel
Pingbacks