Zwei Bassisten, zwei Gitarristen, zwei Amps, aber 28 Saiten. Das sind die nackten Zahlen zu dem was Anfang des Jahres auf den Bühnen des Crimson-ProjeKCts während ihrer Tour im März zu erleben war.
Anzeige
Das Doppel-Trio um King-Crimson-Mastermind Adrian Belew spielt zwar noch die alten Songs, heutzutage jedoch mit einem technischen Setup, das es schwermacht, ihre Musik noch als gitarrenlastigen Progressive Rock zu bezeichnen. Bei ihrem Gig in der Grugahalle Essen ließen sie uns mithilfe ihres Roadies David Rowland in die Karten schauen.
Die einzigen, die in diesem Quartett der Saiteninstrumente auf herkömmliches Equipment setzen, sind Bassistin Julie Slick und Tony Levin, der zwar wie immer auch seinen Chapman Stick bedient, der ja aber schon traditionell zu seiner Standard-Ausrüstung gehört.
Die beiden nominellen Bassisten sind auch die einzigen, die auf konventionelle Amps zur Verstärkung ihres Signals setzen. Adrian Belew und Touch-Gitarrist Markus Reuter hingegen versuchen gar nicht erst, herkömmliche oder gar röhrige Gitarrensounds zu produzieren, sondern verlassen sich voll und ganz auf digitale Technik, die vor allem im Fall von Adrian Belew absolut eigenständig, um nicht zu sagen kurios ist.
Adrian Belew
Die Kuriosität fängt bei dem 64-jährigen schon bei der Gitarre an, eine Signature Parker Fly mit integriertem Line6 Variax-System. Die einzige Gemeinsamkeit mit einer „normalen“ Gitarre sind Anzahl und Anordnung der sechs Saiten. Nicht einmal die integrierte Klinkenbuchse ist für die Verstärkung über einen Amp geeignet, sondern bietet laut Guitar-Tech David Rowland lediglich die Möglichkeit, ein externes Stimmgerät anzuschließen. „Der größte Unterschied zu einer herkömmlichen Gitarre ist die Elektronik.
Die Parker Fly hat zum Beispiel einen Sustain-Pickup namens DF842, der dafür sorgt, dass der Ton ein unendliches Sustain hat. Bei dieser speziellen Version kann man das komplette Signal auch per Drehknopf eine Oktave nach oben pitchen, wodurch man Feedback-Sounds auch bei sehr geringer Lautstärke erreichen kann.“ Ansonsten wird das Signal der Parker Fly über einen Duncan TB4 Bridge-Tonabnehmer abgenommen und zusätzlich von einem Midi-Pickup im Sattel mittels eines 13-poligen Outputs auf verschiedene Klangmodule weitergeleitet.
„Dieser Ausgang ermöglicht es uns, jede Saite einzeln abzunehmen und das Signal mit dem Computer zu bearbeiten oder über einfache Audio-to-Midi-Umwandlung Piano-Sounds oder ähnliches zu benutzen“, erklärt David Rowland.
Mit der Gitarre werden zwei Fractal Audio Systems Axe-Fx angesteuert, die einen Großteil der Basis-Sounds liefern. Dadurch hat Belew jedoch nicht nur Zugriff auf seine cleanen und verzerrten Presets, sondern kann auch verschiedene Tuning- oder Modulationsvoreinstellungen nutzen. Darüber hinaus geht Belews Gitarrensignal in ein Mac Powerbook, auf dem Guitar Rig und Ableton Live für weitere Effekte und Looperoptionen sorgen.
Mutmaßlich für Aufsehen in der Musikwelt sorgen wird jedoch der vierte Baustein in Belews Setup, eine App mit Namen Flux-FX, die er während der Show über ein iPad verwendet. „Diese App ist sehr cool und so neu, dass du der erste bist, dem wir sie zeigen“ verrät Rowland im Interview auf der Bühne. Diese App, die Mitte des Jahres der breiten Öffentlichkeit präsentiert werden soll, kombiniert auf dem iPad vier Kaoss-Pad-ähnliche Touch-Felder, die sowohl mit Effekten als auch mit externen Sounds gespeist werden können.
Jedes dieser Pads hat eine x- und eine y-Achse, denen jeweils unterschiedliche Funktionen, Sounds oder Effekte zugeteilt werden können. In einer weiteren Obefläche hat man die Möglichkeit, alle vier Felder gleichzeitig zu verwenden und damit wilde Klangwelten zu erzeugen.
Ein bisschen Bodenpersonal hat Adrian Belew aber dann doch. So finden sich auf der Bühne an seinem Arbeitsplatz neben vier Roland EV-5 Expression-Pedalen ein Digitech Harmony Man und eine Liquid Foot FAMC Midi-Schaltzentrale.
Bild: Marian Menge
In der Summe erreicht Belews Gitarre über vier Stereo-Outputs die PA, ohne dass ein Amp Verwendung findet. Dadurch ist David Rowland zwar von seinen üblichen Aufgaben als Backliner und Gitarrentechniker weitestgehend entbunden, sein neuer Job als System-Administrator scheint ihm aber ebenfalls sichtlich Spaß zu machen. Außerdem ist er ja auch bei noch bei allen Innovationen in großem Maße beteiligt, wie die Entwicklung der App und die Konzeption einer neuen Parker-Fly-Gitarre, die demnächst fertiggestellt wird. Diesmal in einer fretless-Version mit integriertem Autotune…
Die anderen Musiker
Das Equipment der anderen Musiker ist im Gegensatz zu Belews Setup um einiges schneller erklärt, wenn auch nicht weniger durchdacht. Markus Reuter zum Beispiel setzte, wie im Interview in Gitarre&Bass 03:2014 bereits angerissen, auf die achtsaitige Version seiner Touch-Guitar, die er über einen Line 6 Pod HD500 mit zusätzlich angeschlossenem Roland EV 5 Expression-Pedal und Ableton Live auf seinem MacBook Pro plus Korg nanoKontrol2 ebenfalls direkt in die PA schickt.
Tony Levin fährt da schon etwas mehr auf. Die hohen Saiten seines Chapman Sticks gehen durch ein Digitech RP355 Guitar Processor und dann in ein 15-Watt-Gitarren-Stack von Blackheart, während die tiefen Saiten einen EBS Octabass, ein Ernie Ball Volumen-Pedal und einen Analog Man Bi-Compressor ansteuern. Der Music Man Stingray 5 geht durch einen Source Audio Soundblox 2 OFD Bass MicroMod und einen Electro Harmonix Stereo Memory Man with Hazarai in einen Ampeg Micro VR.
Die Bassistin Julie Slick ist insgesamt am konventionellsten unterwegs. Sie spielt ihren Lakland Bob Glaub Bass über ein Gallien Krueger MB Fusion mit dazugehöriger Gallien Krueger 4×10“-Box. An Effekten durchläuft ihr Bass-Signal eine Pictronix Bass-Station, ein Fat Drive derselben Marke und einen alten Analog.Man. Zusätzlich greift Slick in ein paar wenigen Songs zu einer Lakland Decade 6 Baritone Guitar.