Viel Gitarre für einen überschaubaren Preis

Classic Intermixing: Shergold Telstar Standard im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Vornehmlich in den 70er-Jahren machte die englische Gitarrenfirma Shergold von sich reden. Mike Rutherford etwa spielte bei Genesis eine 12-String ‚Modulator‘ Electric und noch ein auffälliges Doppelhalsmodell. Joy Division oder New Order brachten Shergold-Instrumente ebenfalls auf die Bühne. Der rührige Patrick James Eggle hat den Neuauflagen seinen Stempel aufgedrückt.

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Shergold wurde von den ehemaligen Mitarbeitern der Burns Company, Jack Golder und Norman Houlder, gegründet und produzierte Gitarren bis 1982. Jack Golder versuchte 1991, die Firma wiederzubeleben, verstarb jedoch im darauffolgenden Jahr. 2015 wurde Shergold Guitars von Brian Cleary und Bruce Perrin von Barnes & Mullins Ltd, dem ursprünglichen britischen Vertriebspartner von Shergold Guitars, übernommen. Ein Jahr später wurde Patrick James Eggle Anteilseigner und begann sofort mit der Entwicklung neuer Sherwood-Gitarrenmodelle. Heute werden die Instrumente in Fabriken in China und Indonesien hergestellt, aber vor der Auslieferung wird jede Gitarre im Vereinigten Königreich eingestellt.

LAZARUS-EFFEKT UND DEUTLICH MEHR

Für das wiederbelebte Modell Masquerador stand das alte Shergold-Design noch unübersehbar Pate. Ein Modell wie die Provocateur oder die zum Test vorliegende Telstar Standard, das dritte Re-Design von Eggle, gehen da schon ganz andere, nämlich durchaus eigene Wege.

Die Shergold Telstar Standard ist aus formaler Sicht in der Nachfolge der Fender Telecaster angesiedelt, scheint aber unterwegs auch mal an der Elektrik einer Gretsch geschnuppert zu haben und als Gruß aus der Küche gab es obendrauf noch eine kleine Reduktion vom Feuervogel – kann man das schöner sagen? Kaum, aber genauer: Die Solidbody verfügt über einen Korpus aus Pappel. Auffällig ist dabei die erhaben gestaltete Korpusmitte, wie man das etwa von der Gibson Firebird her kennt. Ein weißes einlagiges Pickguard ist an die höhere Korpusmitte unten angesetzt.

Der Hals aus Ahorn wurde mit fließend gestaltetem Halsfuß über vier versetzt angeordnete Schrauben in den Korpus eingebracht. Das Griffbrett aus Lorbeer mit einem Radius von 12″ beherbergt 22 Medium Jumbo Bünde. Dots aus Perlmutt (sieht eher aus wie Abalone) markieren die Lagen. Die im Matching-Headstock-Design gestaltete Kopfplatte ist mit verchromten, gekapselten Mechaniken bestückt. Von der Kopfplatte aus ist auch der zweifach verstellbare Halsstab für Korrekturen der Halskrümmung erreichbar. Die oberen vier Saiten werden von zwei String Trees niedergehalten, um den Druck auf den Sattel zu erhöhen. Zwischen dem Sattel aus Knochenimitat und der „Fixed 6-Saddle String Through Body Bridge“ schwingen die Saiten mit einer Mensur von 648 mm.

Fixed Bridge mit individuellen Saitenreitern (Bild: Dieter Stork)

Elektrik: Zwei an Gretsch Filtertrons gemahnende Filtersonic-Humbucker-Pickups mit Doppelreihen von Polschrauben in klassisch gestalteten Kappen stehen mit jeweils generell arbeitenden und auf Tele-style Platte montierten Volume- und Tone-Reglern, sowie einem auf die obere Korpusschulter platzierten 3-Weg-Schalter in Verbindung.

Das in achtbar gutem Industriestandard verarbeitete Modell ist für Korpus und Kopfplattenfront klaglos sauber in der Farbe Champagne Gold deckend lackiert; der Hals ansonsten mit einem Satin Finish versiegelt.

Praxistest und Resümee auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

AB DURCH DIE MITTE

Immer erfreulich, ein Leichtgewicht auf die Schulter nehmen zu können, denn mit runden 3 kg gehört die Telstar Standard schon einmal ohne Frage in diese Kategorie. Beim Pappelkorpus mit erhabener Mitte von knapp 4,2 cm Stärke konnte man dank schlankerer 3,7 cm starker Seitenteile einiges an Gewicht sparen, ohne das Tonverhalten groß zu beeinträchtigen. Die Außenkanten weisen gute Verrundung auf, sodass die Telstar klaglos komfortabel anliegt. Auch an Spielkomfort mangelt es nicht, denn das gefällige C-Profil des Halses mit bestens verrundeten Schultern, samtigem Griff und sauber ausgeführter Bundierung gewährt leichten Zugang bis hinauf in die hohen Lagen. Bemerkenswert ist, dass sich dank des tief gesetzten Cutaways selbst im 17. Bund noch locker ein Barré-Akkord legen lässt.

Akustisch angespielt tritt die Shergold Telstar mit lobenswerter Schwingfreude an. Der Ton ist von guter Festigkeit und intoniert sauber, die Saitenseparation ist ebenfalls achtbar und dazu wartet auch das Sustain noch mit richtig gute Länge auf, und das sogar gleichmäßig verteilt bis in die hohen Lagen hinein.

Erhabene Korpusmitte mit Filtersonic Humbucker Pickups (Bild: Dieter Stork)

Elektrische Kompetenz: Die verbauten Filtersonic Pickups liegen mit Widerständen von 7,6 kOhm am Hals und 11,8 kOhm am Steg deutlich über denen der bekannten Gretsch Filtertrons mit Werten von etwa 4 bis 4,5 kOhm. Sie wollen also wohl nicht unbedingt den hellen glasigen Gretsch-Sound nachahmen, aber das wissen wir natürlich gleich besser.

Der Humbucker in Halsposition stellt zunächst präzise durchzeichnete Akkorde heraus und die guten Schwingeigenschaften der Konstruktion etablieren auch in der elektrischen Umsetzung ein allgemein lebhaftes Klangbild. Der Filtersonic sorgt in dieser Position für durchaus kraftvolle Tonwandlung, verfügt verglichen mit einem durchschnittlichen Humbucker aber über etwas reduzierte, aber nicht zu schlanke Bässe, die lobenswert konturiert und knackig rüberkommen. Stimmig angepasste Mitten und offene Höhen komplettieren das Bild. Eigenschaften, die beim Begleitspiel Akkorde sehr schön transparent perlen lassen. Die Reduktion unten herum macht sich dann in Zerre wiederum bestens und sorgt für leicht kantige, durchaus schlagkräftig röhrende Powerchords. Aber auch solistischen Ambitionen kommt das erfreuliche Sustain sehr entgegen. Die gute Tonstabilität verleiht der Gitarre eine sonore Stimme, wobei schnell gespielte Linien mit perkussivem Anriss klare Definition aufweisen.

Wechseln wir zum Filtersonic am Steg, so hören wir über diesen stärker gewickelten Humbucker deutlich andere Tonfarben, als wir das etwa von einem Gretsch Filtertron in gleicher Position erwarten dürften. Schon kommt er mit einem guten Schuss bissiger Höhen an den Start, tendiert aber dann doch klanglich mehr in Richtung eines klasisschen Humbuckers, eher noch vielleicht eines Mini-Humbuckers. Die Mitten sind demgemäß nicht ganz so stark ausgeprägt und die Bässe erscheinen eher knochig und kompakt. Das kommt dann in der Abteilung Clean etwas spirrig, aber mit gar nicht mal so schlechten Höhen durchaus spritzig ans Ohr und das hat seinen eigenen Charme. Im Overdrive erweist sich dieser Filtersonic-Pickup dann als erstaunlich effektiv. Bassquinten federn konturstark ab, erfreuen mit knochentrockenem Schmiss, geben ordentlich Kante. Druckvoll, dabei griffig ist auch das Wechselspiel von Bässen und Double Stops im Zerrmodus, denn die Zweiklänge kommen konturstark definiert und harmonisch schlüssig. Leads tönen dann nicht ganz so rund, sind vor allem auf den hohen Saiten gespielt etwas nasal im Ausdruck. Das Anschlagsverhalten ist gut, wenngleich nicht gerade superdynamisch – aber da drängt sich sofort die Frage auf: verglichen womit? Mit teuren Custom-Shop-Boliden? Für ein Instrument dieser Preiskategorie drückt und rockt das richtig gut und da muss man einfach sagen: Hut ab!

Sehr schöne kehlig-höhenreiche Sounds vermittelt in klaren Einstellungen dann auch noch die Kombination beider Pickups in der mittleren Schaltstellung. Im Zerrmodus liefert die Kombi recht knackige Sounds, leicht hohlwangig, aber sehr präsent.

Unterm Strich kann man diese Pickups irgendwo zwischen einem Filtertron von Gretsch und einem Gibson-Humbucker einordnen, crisp in Teilen wie der erste und nicht ganz so kompakt und basssaftig wie der letzte. Eine gute Melange!

Hm, einzig die Tonblende ist von ihrer Funktion her etwas unterbelichtet und greift spät im Regelweg.

RESÜMEE

Die recht eigenwilligen Shergold-Designs der 70er-Jahre treten zumindest bei diesem Telstar-Standard-Modell hinter modernen Entwicklungen und heutigen Ansprüchen zurück, was aber kein Nachteil ist. Patrick James Eggle hat durchaus eigene Ideen zum Tele-Style-Design mit Schraubhals verwirklicht, die sich weniger als neu, aber durch verschiedene Anleihen aus der Geschichte des E-Gitarrenbaus als interessant erweisen. Erhöhte Korpusmitte, ergonomisch gestalteter Hals-Korpus-Übergang, gute Freistellung der hohen Griffbrettpositionen, an Gretsch Filtertrons angelehnte Pickups und Fixed Bridge mit individuell justierbaren Böckchen sind Aspekte, die sich einerseits traditionell bewährt haben, andererseits aber auch modernen Ansprüchen gerecht werden wollen. Die Mischung macht‘s und die ist bei der Telstar Standard perfekt. Da die Shergold nun auch noch schön leicht ist, gute Schwingungs- und rundum erfreuliche Spieleigenschaften aufweist, ist das viel Gitarre für einen überschaubaren Preis. Zum Selbsttest empfohlen! ●

PLUS

  • Crossover-Design
  • Sustain/Schwingverhalten
  • Filtersonic Humbucker Pickups
  • kraftvolle in-between Sounds
  • komfortables C-Halsprofil
  • gut freigestellte hohe Lagen
  • gute Verarbeitung
  • Preis-Leistungs-Verhältnis

MINUS

  • Tonblende etwas funktionsschwach


(erschienen in Gitarre & Bass 03/2025)

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