Classic Intermixing: Shergold Telstar Standard im Test
von Franz Holtmann, Artikel aus dem Archiv
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(Bild: Dieter Stork)
AB DURCH DIE MITTE
Immer erfreulich, ein Leichtgewicht auf die Schulter nehmen zu können, denn mit runden 3 kg gehört die Telstar Standard schon einmal ohne Frage in diese Kategorie. Beim Pappelkorpus mit erhabener Mitte von knapp 4,2 cm Stärke konnte man dank schlankerer 3,7 cm starker Seitenteile einiges an Gewicht sparen, ohne das Tonverhalten groß zu beeinträchtigen. Die Außenkanten weisen gute Verrundung auf, sodass die Telstar klaglos komfortabel anliegt. Auch an Spielkomfort mangelt es nicht, denn das gefällige C-Profil des Halses mit bestens verrundeten Schultern, samtigem Griff und sauber ausgeführter Bundierung gewährt leichten Zugang bis hinauf in die hohen Lagen. Bemerkenswert ist, dass sich dank des tief gesetzten Cutaways selbst im 17. Bund noch locker ein Barré-Akkord legen lässt.
Akustisch angespielt tritt die Shergold Telstar mit lobenswerter Schwingfreude an. Der Ton ist von guter Festigkeit und intoniert sauber, die Saitenseparation ist ebenfalls achtbar und dazu wartet auch das Sustain noch mit richtig gute Länge auf, und das sogar gleichmäßig verteilt bis in die hohen Lagen hinein.
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Erhabene Korpusmitte mit Filtersonic Humbucker Pickups (Bild: Dieter Stork)
Elektrische Kompetenz: Die verbauten Filtersonic Pickups liegen mit Widerständen von 7,6 kOhm am Hals und 11,8 kOhm am Steg deutlich über denen der bekannten Gretsch Filtertrons mit Werten von etwa 4 bis 4,5 kOhm. Sie wollen also wohl nicht unbedingt den hellen glasigen Gretsch-Sound nachahmen, aber das wissen wir natürlich gleich besser.
Der Humbucker in Halsposition stellt zunächst präzise durchzeichnete Akkorde heraus und die guten Schwingeigenschaften der Konstruktion etablieren auch in der elektrischen Umsetzung ein allgemein lebhaftes Klangbild. Der Filtersonic sorgt in dieser Position für durchaus kraftvolle Tonwandlung, verfügt verglichen mit einem durchschnittlichen Humbucker aber über etwas reduzierte, aber nicht zu schlanke Bässe, die lobenswert konturiert und knackig rüberkommen. Stimmig angepasste Mitten und offene Höhen komplettieren das Bild. Eigenschaften, die beim Begleitspiel Akkorde sehr schön transparent perlen lassen. Die Reduktion unten herum macht sich dann in Zerre wiederum bestens und sorgt für leicht kantige, durchaus schlagkräftig röhrende Powerchords. Aber auch solistischen Ambitionen kommt das erfreuliche Sustain sehr entgegen. Die gute Tonstabilität verleiht der Gitarre eine sonore Stimme, wobei schnell gespielte Linien mit perkussivem Anriss klare Definition aufweisen.
Wechseln wir zum Filtersonic am Steg, so hören wir über diesen stärker gewickelten Humbucker deutlich andere Tonfarben, als wir das etwa von einem Gretsch Filtertron in gleicher Position erwarten dürften. Schon kommt er mit einem guten Schuss bissiger Höhen an den Start, tendiert aber dann doch klanglich mehr in Richtung eines klasisschen Humbuckers, eher noch vielleicht eines Mini-Humbuckers. Die Mitten sind demgemäß nicht ganz so stark ausgeprägt und die Bässe erscheinen eher knochig und kompakt. Das kommt dann in der Abteilung Clean etwas spirrig, aber mit gar nicht mal so schlechten Höhen durchaus spritzig ans Ohr und das hat seinen eigenen Charme. Im Overdrive erweist sich dieser Filtersonic-Pickup dann als erstaunlich effektiv. Bassquinten federn konturstark ab, erfreuen mit knochentrockenem Schmiss, geben ordentlich Kante. Druckvoll, dabei griffig ist auch das Wechselspiel von Bässen und Double Stops im Zerrmodus, denn die Zweiklänge kommen konturstark definiert und harmonisch schlüssig. Leads tönen dann nicht ganz so rund, sind vor allem auf den hohen Saiten gespielt etwas nasal im Ausdruck. Das Anschlagsverhalten ist gut, wenngleich nicht gerade superdynamisch – aber da drängt sich sofort die Frage auf: verglichen womit? Mit teuren Custom-Shop-Boliden? Für ein Instrument dieser Preiskategorie drückt und rockt das richtig gut und da muss man einfach sagen: Hut ab!
Sehr schöne kehlig-höhenreiche Sounds vermittelt in klaren Einstellungen dann auch noch die Kombination beider Pickups in der mittleren Schaltstellung. Im Zerrmodus liefert die Kombi recht knackige Sounds, leicht hohlwangig, aber sehr präsent.
Unterm Strich kann man diese Pickups irgendwo zwischen einem Filtertron von Gretsch und einem Gibson-Humbucker einordnen, crisp in Teilen wie der erste und nicht ganz so kompakt und basssaftig wie der letzte. Eine gute Melange!
Hm, einzig die Tonblende ist von ihrer Funktion her etwas unterbelichtet und greift spät im Regelweg.
RESÜMEE
Die recht eigenwilligen Shergold-Designs der 70er-Jahre treten zumindest bei diesem Telstar-Standard-Modell hinter modernen Entwicklungen und heutigen Ansprüchen zurück, was aber kein Nachteil ist. Patrick James Eggle hat durchaus eigene Ideen zum Tele-Style-Design mit Schraubhals verwirklicht, die sich weniger als neu, aber durch verschiedene Anleihen aus der Geschichte des E-Gitarrenbaus als interessant erweisen. Erhöhte Korpusmitte, ergonomisch gestalteter Hals-Korpus-Übergang, gute Freistellung der hohen Griffbrettpositionen, an Gretsch Filtertrons angelehnte Pickups und Fixed Bridge mit individuell justierbaren Böckchen sind Aspekte, die sich einerseits traditionell bewährt haben, andererseits aber auch modernen Ansprüchen gerecht werden wollen. Die Mischung macht‘s und die ist bei der Telstar Standard perfekt. Da die Shergold nun auch noch schön leicht ist, gute Schwingungs- und rundum erfreuliche Spieleigenschaften aufweist, ist das viel Gitarre für einen überschaubaren Preis. Zum Selbsttest empfohlen! ●