Exotische Optik, solide Klänge

Bundlose Libelle: Michael Kelly Dragonfly 4 Port Fretless im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Als Michael Kelly Guitars 1999 startete, sah man eine Marktlücke bei Mandolinen und Akustikbässen. Die sollte mit Instrumenten gefüllt werden, bei denen guter Klang die Basis legt, abgerundet mit einem Boutique-inspirierten Design. Ob das aktuelle Topmodell der Dragonfly-Serie diesen Anspruch erfüllen kann? Wir werden sehen!

Punkteinlagen kennt man beim Bass, Blockeinlagen auch. Hervorstechendes Merkmal der Dragonfly-Bässe sind aber die aufwendigen Inlays, zu denen auch die namensgebende Libelle gehört. Ob das beim bundlosen Bass stört?

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EXOTISCHE OPTIK

Pearloid und Abalone sind sauber auf der ganzen Länge des bundlosen Ovangkol-Griffbretts eingelegt. Lagenmarkierungen in Form von Linien würden da nur stören, zur Orientierung in den 22 Lagen sind Punkte in der Flanke eingesetzt. Die sitzen da, wo sich sonst die Bünde befänden. Der Hals ist aus Mahagoni mit angesetztem Halsfuß und angeschäfteter Kopfplatte, die vier gekapselte No-Name-Mechaniken in 2L/2R-Anordnung trägt. Hier ist auch der Zugang zum Stahlstab zu finden, abgedeckt von einem Plastikplättchen mit drei Schräubchen. Der synthetische Knochensattel ist in der Saitenhöhe liebevoll und korrekt gekerbt für einen Bundlosen, der Saitenabstand zwischen D- und G-Saite ist minimal größer geraten als zwischen den anderen dreien.

Der exquisit gemaserte Korpus ist aus laminiertem Makassar-Ebenholz. Er fällt mittelgroß aus, ein florentinisches Cutaway soll den Zugang zu den höheren Lagen ermöglichen. Ein statt mittig in der Decke oberhalb des Griffbretts angeordnetes, Avocado-förmiges Schallloch wird ergänzt durch einen weiteren Port in Tropfenform oben in der Zarge, der den Ton direkt an die Ohren der Spielerin oder des Spielers leiten soll. Beide Öffnungen ermöglichen einen ungewöhnlich guten Einblick ins Korpusinnere. Auch hier gibt es tolle Maserung zu sehen und saubere Verarbeitung.

(Bild: Dieter Stork)

Ebenso sichtbar ist der Holzblock, der unter dem Griffbrett die Decke gegen Verziehen stabilisiert. Das dürfte die akustische Schwingfähigkeit mindern, was aber bei dieser Bauweise nicht allzu sehr ins Gewicht fallen wird. Die wirklich schöne Optik des Bodys wird von schicken, mehrlagigen Bindings abgerundet. Ein nettes Detail ist der mittige Zierstreifen im Boden, der an traditionelle Muster aus dem amerikanischen Südwesten erinnert. Damit der Bass auch in lauteren Situationen zur Geltung kommt, ist ein Fishman-System eingebaut, dessen Verkabelung sauber verlegt und fixiert ist. Der „Presys+“-Bass-Preamp sitzt leicht zugänglich in der Zarge und kann zum Batteriewechsel aufgeklappt werden.

Wenn man nicht zu große Hände hat, kann man sich das sogar sparen und den Wechsel durch das Schallloch erledigen. Sein Signal bekommt der Preamp von einem Sonicore-Pickup, der sich unter der Stegeinlage befindet. Der Steg selbst ist ebenfalls aus Ovangkol und zusätzlich zur Verleimung mit der Decke auch mit zwei Schräubchen fixiert. Die Saiten werden nicht mit Pins festgesetzt, sondern von hinten eingefädelt. Das gibt eine sehr cleane Optik, man muss nur beim Saitenwechsel aufpassen, die Decke nicht zu verkratzen. Damit hat man aber erstmal Zeit, ab Werk sind lange haltende, beschichtete D’Addario-Phosphor-Bronze-Saiten in den Stärken 45 auf 100 aufgezogen.

Soundcheck und Resümee auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

SOLIDE KLÄNGE

Den Bass in korrekte Stimmung zu bringen, sollte nicht weiter schwierig sein, per Knopfdruck ist das eingebaute Stimmgerät aktiviert. Das funktioniert chromatisch und akkurat, ganz im Gegensatz zu den Mechaniken. Die hakeln, haben ordentlich Spiel und machen es unnötig schwer.

Im Sitzen nimmt der Dragonfly angenehm Platz, naturgemäß muss die linke Hand bei einem Longscale-Akustikbass etwas weiter rauswandern als bei kompakteren E-Bässen. Dafür liegt der Hals satt in der Hand, mit 43 mm Sattelbreite und einem nicht zu dünnen C-Shaping hat er ganz gut Substanz. Meine Sorgen, die barocken Einlagen könnten den Ton auf A- und D-Saite beeinträchtigen, zerstreuen sich schnell. Die gesamte Abrichtung ist offenbar so sauber, dass bei einer dem Bass gut zu Gesicht stehenden, mittelhohen Saitenlage, jeder Ton und auch Slides ohne ungewollte Nebengeräusche kommen.

Akustisch ist die erreichbare Lautstärke nicht eben hoch, da müssen sich Mitspieler:innen schon zurückhalten. Dabei singt der Dragonfly aber schön und in sich stimmig mit mittellangem Sustain, was sich mit gutem Vibrato noch verlängern lässt. Nur das hohe A auf der G-Saite bleibt etwas kurzatmiger. Bis zum D darüber sind die hohen Lagen dank des Cutaways recht entspannt zugänglich, für die letzten drei Lagen (und bei den tieferen Saiten auch schon weiter unten) muss man tricksen.

Vor allem wenn man für sich spielt, überzeugt das zweite Schallloch in der Zarge, was tatsächlich einem direkteren Klangeindruck zugutekommt, mit mehr Definition und subjektiver Fülle als wenn es abgedeckt ist. Den kleinen Ausschnitt am Ende des Griffbretts, der der E-Saite die letzten paar Lagen nimmt, finde ich optisch sehr schön, allerdings fehlt mir hier die Daumenauflage, die bei vielen E-Akustikbässen ohnehin meist knapp bemessen ist.

Am Verstärker angeschlossen prägt der durchaus gute Sonicore-Abnehmer den Ton. Alle Saiten kommen gleichmäßig in Lautstärke und Punch, das ist schon mal positiv zu vermerken. Im Vergleich zum eher runden Akustikton wird es aber jetzt hell und höhenreich. Allerdings hat der Preamp ja Möglichkeiten genug, das aneinander anzugleichen.

Neben dem Schalter für die Phase und dem Regler für den Notchfilter, der eventuell entstehende Rückkopplungen schmalbandig “ausschneiden” kann, können Bässe, Mitten, Höhen, und Brillanz bearbeitet werden. Mit leichtem Boost in Bässen und Mitten und deutlicher Reduktion in den oberen Bereichen passt das, was aus dem Amp kommt, schon deutlich besser zu dem, was ich akustisch höre. Andererseits holt ein Boost in den höheren Frequenzen den Bass noch näher heran, jedes Fingeraufsetzen, Anschlagsund Rutschgeräusch wird in den Vordergrund gestellt. Im richtigen Setting hat auch das seinen Reiz. Gut vorstellen könnte ich mir für diesen Bass ein Abnahmesystem mit zusätzlichem Mikrofon, wie das Fishman-Presys-Blend, aber auch mit der Werksausstattung lässt sich gut arbeiten.

RESÜMEE

Optik ist ja immer Geschmackssache. Die des Dragonfly 4 Port Java Ebony finde ich umwerfend. Vielleicht schon ein bisschen viel, die Kombination der aufwendigen Griffbretteinlagen mit der tollen Maserung des laminierten Ebenholzes, ist aber in der Ausführung mit erdigen Farbtönen für mich stimmig. Auch klanglich hat der Bass etwas zu bieten. Akustisch glänzt er mit in sich ausgewogener, wenn auch nicht besonders lauter Wiedergabe und dem, vor allem fürs Spiel alleine, überaus nützlichen Monitor-Port. Elektrisch kommt er mit einem anderen Gesicht als akustisch, was sich aber über das gute Pickup-/Preamp-System angleichen lässt – und interessante Alternativen zulässt.

PLUS

  • Optik
  • akustischer Ton
  • Monitor-Schallloch
  • Bespielbarkeit
  • Fishman Pickup & Preamp

MINUS

  • Mechaniken


(erschienen in Gitarre & Bass 12/2022)

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