Einsteigerglück

Budget deluxe? Harley Benton SC-DLX Gotoh Daphne Blue im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Die neue Harley Benton SC Deluxe – das Kürzel SC steht hier für Single Cutaway, ein Synonym für Les-Paul-Typ – ist mit ihrem seidenmatten Daphne Blue Finish und der goldenen Hardware alles andere als eine graue Maus. Keine Bange, für alle, die es traditioneller mögen, gibt es das Modell auch in hochglänzendem Schwarz, und zwar zum gleichen, erstaunlich niedrigen Preis.

VOLLAUSSTATTUNG

Goldene Gotoh-Hardware (Tuner, Bridge und Tailpiece), Tesla-Humbucker und Edelstahlbünde. Wenn das keine Ansage ist. Der Body besteht mitsamt seiner gewölbten Decke aus Nyatoh, weder verwandt noch verschwägert mit Mahagoni, im Gitarrenbau aber hin und wieder anzutreffen. Als Nyatoh bezeichnet die Botanik diverse Spezies von Sapotengewächsen aus Malaysia, Indonesien und den südasiatischen Inseln, die je nach Herkunft auch unter Bauvudi, Nato, Njatuh und Jangkar bekannt sind.

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Gotoh-Steg und -Saitenhalter (Bild: Dieter Stork)

Um den Korpus nicht allzu schwer werden zu lassen, ist er gut 7 mm dünner als der einer klassischen Paula, besitzt Hohlkammern bzw. -bohrungen und eine rückseitige Ergofräsung aka Rippenspoiler. Siebenschichtiges Binding setzt die Decke in Szene, fünfschichtiges die Kopfplatte. Passgenau eingelassene Kunststoffplatten verschließen die Kammern von Elektrik und Pickup-Schalter exakt Oberkante bündig. Abschirmungsmaßnahmen? Eher halbherzig. Immerhin finden tadellos verdrahtete koreanische Alpha-Potis Verwendung. Der PU-Schalter kommt aus der Budget-Schublade, dennoch ein bewährtes, einwandfrei funktionierendes Bauteil. Eine Kunststoffplatte trägt die Klinkenbuchse, große Knöpfe bieten dem Gurt sicheren Halt.

Um die höchsten Lagen des Palisandergriffbretts barrierefrei zugänglich zu machen, hat man den Übergang zum eingeleimten Mahagonihals ergonomisch ausgeformt. Das weiß eingefasste Palisandergriffbrett trägt 22 inklusive der Kanten sorgfältig bearbeitete koreanische BlackSmith Medium-Jumbos aus Edelstahl, in dieser Preisklasse eine kleine Sensation.

Traditionelle Trapez-Inlays aus Perloid und schwarze Sidedots erleichtern die Navigation. Die Kerben des GraphTech-Tusq-Sattels hat man präzise ausgerichtet, bei der Abrichtung gibt es noch Luft nach unten. Ein Kragen stabilisiert den Übergang zur rückwärtig geneigten Kopfplatte, an welcher Gotoh-SG-381-Tuner mit Tulpenknöpfen ebenso geschmeidiges wie präzises Stimmen ermöglichen.

Selten in dieser Preisklasse: Gotoh Tuner (Bild: Dieter Stork)

Die Humbucker kommen von Tesla – nein, nicht vom Kfz-Hersteller. Sie lagern höhenjustierbar in schwarzen Kunststoffrähmchen. Kontrolliert werden sie mittels Drei-Weg-Schalter, zweier Volume- und eines Master-Tone-Reglers, dessen Pull-Funktion die Stegspule des Hals- und die Halsspule des Steg-Humbuckers deaktiviert.

EINSTEIGERGLÜCK?

Dank schlankerem, ergo-gefrästem und weight-reliefed Body hat Harley Benton dem Nyatho-Holz einiges von seinem Gewicht nehmen können. Somit signalisiert die Waage optimales LP-Gewicht. Während der Rippenspoiler den Tragekomfort erhöht, garantieren der Halsübergang und das eher flache und handliche C-Halsprofil beste Bespielbarkeit. Das beiliegende Qualitäts-Check-Heftchen tut kund, dass u.a. alle Einstellungen der Gitarre überprüft wurden. Na ja, bei Saitenlage, Pickup-Höhen und Oktave geht noch was, und nachdem ich nachgearbeitet habe, erziele ich zufriedenstellende Ergebnisse, vor allem aber eine erstaunlich flache Saitenlage ohne Schnarr- und/oder Schwingprobleme. Sowohl am Gurt als auch auf dem Bein zeigt die SC-DLX beste Balance, und der Halsübergang gestattet stressfreies Spielen bis in die höchsten Lagen.

Die daphne-blaue Schönheit gibt sich erstaunlich resonanzfreudig. Zwar nicht ganz so intensiv und spritzig wie meine Referenz-Les-Paul, aber überraschend nah dran und von direkter Ansprache, lebendiger Tonentfaltung und solidem Sustain geprägt. Ihr Klangbild ist kraftvoll und ausgewogen, die Bässe nicht sehr voluminös, dafür aber straff und definiert, die Mitten warm und transparent, die Höhen klar und seidig. Abgerundet wird das Ganze von präziser Darstellung und einem breiten Obertonangebot, welches lediglich bei Flageoletts über dem 3. Bund etwas schwächelt.

Tesla-Humbucker (Bild: Dieter Stork)

Klanglich bewegen sich die Tesla-VR-2-Humbucker eindeutig im Fahrwasser klassischer PAFs, wenngleich der Steg-Pickup deutlich mehr Output liefert als ein Original, und sein Klangbild durch leicht abgesenkte Mitten, straffe, knackige Bässe, klare Höhen und Obertöne offener und spritziger daherkommt. Mit warmem, schmatzigem Ton, sattem aber definiertem Fundament und seidigen Höhen liegt der Hals-Pickup ziemlich dicht am Vorbild. Die Kombi beider Teslas präsentiert sich glockig, kehlig und transparent und lässt lebendige Arpeggien und funky-cleane Rhythmusklänge aus den Lautsprechern perlen. Beide Humbucker können auch im Overdrive/Distortion-Betrieb überzeugen, wo sie gute Dynamik, hohes Durchsetzungsvermögen und, unterstützt vom Sustain der SC-DLX, mit singenden Leadsounds eine achtbare Performance abliefern und dank gewachster Spulen gegen Mikrofonie gefeit sind.

Nicht ganz überzeugen können mich hingegen die Splitsounds, die für sich gesehen ordentliche Klänge bereithalten, die verschlankten Abbilder der VR-2 darstellen und natürlich auch etwas weniger Ausgangsleistung abgeben. Hier sind jedoch die klanglichen Unterschiede zum jeweiligen Vollbetrieb weniger markant als man das von diesen Schaltungen gemeinhin kennt.

Alle drei Potis rotieren butterweich, zeigen gleichmäßige Wirkung über die gesamten Regelbereiche und gestatten damit präzise Kontrolle von Output, Gain und Klang.

RESÜMEE

Wieder einmal beeindruckt eine Harley-Benton-Gitarre mit einem kaum zu übertreffenden Verhältnis von Preis und Leistung. Und dabei rangiert die SC-DLX Gotoh mit einem Street-Preis von € 349 schon in der Luxusklasse des Herstellers. Wie die gesamte Verarbeitung, so ist auch das seidenmatte Daphne Blue Finish perfekt ausgeführt. Okay, die Sattelkerbung und die von Thomann versprochene Endkontrolle ließe sich noch optimieren. Die Gitarre ist komfortabel bespielbar und liefert klasse Sounds für Blues, Rock und Funk und fühlt sich dank ihrer Split-Modes auch im Jazz, Pop und Country zuhause. Daher muss ich mich korrigieren: Die Harley Benton SC-DLX Gotoh geht weit über Einsteigerstatus hinaus und dürfte auch Semi-Pros gefallen.

PLUS

  • Sounds
  • Optik
  • Gotoh-Hardware
  • Spielbarkeit
  • Verarbeitung
  • Preis/Leistung


(erschienen in Gitarre & Bass 01/2022)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Die optische Erscheinung dieser neuen Elektrischen aus indonesischer Fertigung ist einfach mal Geschmackssache.Tesla Pickups wurden bereits damalig sogar in den sehr hochwertigen MINARIC „Goddess“ E.-Gitarren mit Hohlkammerbodies eingepflanzt,.-und sie klingen bis heute wirklich top! Da gibt es rein gar nichts zu meckern!
    Goldhardware und seidenmatter Lackauftrag gefällt wahrlich auch nicht jedem Einsteigergitarristen,doch die Verarbeitungsqualität scheint ja für schlaffe 349,-€uro gut zu sein.

    Und was sich die Gitarrenfabrikanten derzeit bezüglich der besonderen Nachhaltigkeit und Klangeigenschaft bestimmter Hölzer einfallen lassen,bleibt spannend.Mittlerweile wird ja schon Lorbeer- und Eukalyptusholz für das Griffbrett verwendet.Eingefärbte Pinie und holzähnliche Kunststoffe (z.B. bei Fa. Hagström/Schweden) für das aufgeleimte Fretboard,finden auch gerne Verwendung.Wie sich derartig neue Holzvarianten dauerhaft bewähren,bleibt wohl abzuwarten.

    Entscheidend ist am Ende ja doch immer das Resultat.Der Markt bleibt fast unüberschaubar,und die Preise momentan anscheinend noch günstig.

    Aber,es ist gut,daß es für Einsteiger/Anfänger billige Gitarren gibt,die mitunter gar nicht mal so schlecht klingen.

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  2. Wer kauft eigentlich diese Gitarren?

    Während der Trend in den Charts eindeutig weg von der Gitarre und hin zu elektronischer Musik geht (ob das eine Folge oder die Ursache der unbestreitbaren Tatsache ist, dass sich junge Musiker eher mit Ableton und Co. beschäftigen, als mühsam ein Instrument zu lernen sei mal dahingestellt) werden immer wieder neue Gitarrenmodelle in einen übersättigten Markt gedrückt.

    Diejenigen, die in den 80ern angefangen haben, haben in der Regel das Gitarrenspielen an den Nagel gehängt oder haben mittlerweile Sammlungen von 10,15 oder noch mehr Gitarren, von denen eine vielleicht 2x in der Woche für 30min gespielt wird.

    Und irgendwann verliert man die Lust, weil das mittelmäßige Geklimper Frau und Kindern auf die Nerven geht und dann landet der ganze Krempel bei Ebay.

    Dazu kommt, dass eine gute Gitarre ewig hält. Obwohl ich mittlerweile schon bei 30+ Gitarren bin, spielt meine Ibanez aus 1987 noch hervorragend. Lediglich die Bünde bräuchten mal wieder etwas Pflege. Aber selbst das sind noch die ersten.

    Also mein Fazit: Toll, was für wenig Geld heute möglich ist, aber braucht das wirklich jemand? Dazu noch aus Nato….

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