Modeling deluxe

Blackstar ID: Core Stereo 100 und Stereo 150 im Test

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Im ID:Core-Programm bietet Blackstar kleine, aber reichhaltig ausgestattete Combos an, die fürs Üben, Homerecording und kleine Sessions taugen. Wie wir hier sehen, gehören dazu nun aber auch große Modelle, die volle Bühnentauglichkeit versprechen.

(Bild: Dieter Stork)

Die beiden kleinen Combos ID:Core 10 und ID:Core 20 machten die Vorhut (Ausgabe 07/2014) und zeigten im Test viel Performance für kleines Geld, das lässt für die erst kürzlich auf dem Markt erschienenen Nachzügler hier einiges erwarten. Und ich verrate schon einmal: Die großen Combos geben sich ebenfalls keine Blöße.

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Viel Funktion …

Die Core-Combos sind im Grunde Ableger aus einer schon länger eingeführten Produktfamilie. Die ID:-Serie startete nämlich mit Combos/Amps, deren Modeling unter anderem auch das Nachbilden unterschiedlicher Röhrenendstufen einschließt. TVP lautet der Name der entsprechenden Funktionssektion, Tube Valve Power. ID:Core 100 und ID:Core 150 kommen ohne dieses aus. Dafür sind sie ihren Vettern an anderer Stelle überlegen: Unsere Testkandidaten haben eine Stereo-Endstufe mit Wide-Spread-Charakteristik, wovon natürlich die entsprechenden integrierten Effekte profitieren sollen. Im Zuge dessen wurde den Combos ein Stereo-Einschleifweg spendiert; ebenfalls ein Alleinstellungsmerkmal in der ID:-Familie.

Die weiteren Ausstattungsmerkmale: Es sind sechs Sounds/Voices, Grundklänge mit unterschiedlicher Gain-Intensität, anwählbar. Diese können mit je drei von insgesamt 12 Effekten kombiniert und abgespeichert werden: MOD/Modulation – neben Phaser, Chorus/Flanger und Tremolo jetzt neu mit Octaver, DLY/Delay (m. Tap-Eingabe-Taster) und REV/Reverb – halten je vier FX-Preset-Varianten bereit, die in ihrer Intensität (Level) frei abstimmbar sind. Die Sounds/Voices, die man im übertragenen Sinne auch als die Kanäle eines analogen Verstärkers betrachten könnte, sind abstimmbar mit Gain, Volume, der üblichen Dreibandklangregelung (Bass, Middle, Treble) und dem hauseigenen Special ISF (Infinite Shape Feature), das den Mittencharakter variiert.

Luxuriöse Ausstattung und alles drin & alles dran, was man so braucht (Bild: Dieter Stork)

Der USB-Anschluss als Schnittstelle zu Computern, dient neben der Audio-Übertragung – Stichwort Recording – auch dazu, mit der (kostenlosen) Edit-Software „Insider“ auf die Verstärker zuzugreifen. Ein Kopfhörerausgang mit Speaker-Emulation, wahlweise als analoger Recording-Out benutzbar, ein Line-Eingang zum Einspielen von Playbacks, sowie eine Tuner-Funktion runden das Konzept ab. Und als Zückerchen obendrauf haben beide Combos einen Looper im Gepäck. Leider verrät Blackstar nirgendwo, weder auf der Website noch in den Handbüchern, wie lang die Aufnahmezeit nominell ist; ich habe ca. 30 Sekunden gemessen. Looper-Funktionen und Presets können alternativ mit dem mitgelieferten Zweifach-Schaltpedal FS- 13 gesteuert werden.

Wer es luxuriöser haben möchte, greift zum optionalen FS-12 (fünf Taster), das mit dem FS-13 kombiniert werden kann: FS-12 für den Preset-Abruf, FS-13 zur Steuerung des Loopers. Äußerlich machen die hinten geschlossen ausgeführten Combos einen gediegenen Eindruck. Das Design steht dem der teuren Röhren-Amps von Blackstar in nichts nach. An einem Combo waren innen an der Schallwand zwei Schrauben nicht richtig fest angezogen, ab davon machte die Verarbeitung einen soliden, einwandfreien Eindruck.

… und guter Ton

Die Unterschiede zwischen den Probanden bilden sich in der Größe, Leistung, 100 bzw. 150 Watt, und Lautsprecherbestückung ab. So ist der ID:Core 100 mit zwei Zehnzoll-Lautsprechern bestückt, im ID:Core 150 machen zwei 12″-Chassis Druck – der größere Combo hat in der Lautstärke etwas mehr Headroom zu bieten und er klingt etwas fülliger. Grundsätzlich liegen die beiden im Sound aber nicht weit auseinander.

Das Spektrum ist breit, reicht von absolut unverzerrt bis hinein in modern klingende High-Gain-Distortion, gesund komprimierend mit angenehmer Sustain- Unterstützung. Die Clean-Sounds verbreiten reichlich Wärme und Fülle. Ein Highlight sind definitiv die beiden Crunch-Voices, weil sie harmonische und durchsichtige Verzerrungen liefern und lebendig auf den Spieler reagieren. Damit kann man ausdrucksstark seinen Blues ausleben. Überhaupt ist das eine Stärke der ID:Core-Combos, trotz einer gewissen Überzeichnung des Mittenspektrums, die verbindliche, der analogen Welt doch ziemlich nahe stehende Klangqualität: Geringe Latenz, quasi nicht „fühlbar“, gut entwickelte Dynamik, die Distortion „natürlich“, recht frisch in den Obertönen.

(Bild: Dieter Stork)

Die Klangregelung reißt keine Bäume aus, erreicht aber bei gezielter Nutzung aller Parameter einiges an musikalischer Effizienz. Damit darf man jedenfalls sehr zufrieden sein. Schlussendlich punkten die Combos positiv wegen der Leistungsfähigkeit des Pakets insgesamt. Hierbei werfen die Effekte viel Gewicht in die Waagschale. Alles da, was man so in der Grundausstattung braucht, mit dem Plus des gut, weil in der Tonhöhe präzise ansprechenden Octavers. Der Looper funktioniert im Prinzip mit hoher Signalqualität, lässt sich aber leider nur mit Mühe Timing-genau steuern.

Dass sich die Stereo-Effekte extrem breit und luftig im Raum verbreiten, hat natürlich einen speziellen Charme, dem man sich kaum wird entziehen können; klingt groß, sehr groß. Kleines Manko, die Anzeige des Tuners geht etwas zu großzügig mit Stimmungsdifferenzen um, ist aber durchaus brauchbar. Der niederpegelig ausgelegte Einschleifweg (ca. – 10dBV) und die weitere Peripherie funktionieren bestimmungsgemäß und unauffällig. Gemessen an analogen Amps wirken die 100 bzw. 150 Watt der Combos weniger laut und voluminös. Trotzdem sind sie allemal Band- bzw. Live-tauglich. Der ID:Core 100 geht im Bassbereich ziemlich schlank mit dem Gitarrensignal um. Wer Bässe von seiner Vintage-Strat u. Ä. hören will, sollte lieber zum ID:Core 150 greifen.

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Alternativen

Das ist genau die Preisklasse, in der die größeren, leistungsfähigeren Modeling- Produkte um die Gunst des Gitarristen werben. Nur wenige sind allerdings stereo ausgelegt. Von daher ist die Auswahl an Optionen karg. In erster Linie kommen von Line6 der Spider IV 150 und von Fender der Mustang IV in Frage.

Resümee

Respekt, es ist schon beeindruckend, was Blackstar mit den beiden Combos für doch relativ kleines Geld auf die Beine stellt. Luxuriöse Ausstattungen mit hohem Praxiswert, kultivierte Sounds mit breitem Einsatzspektrum, und vor allem auch eine solide, quasi latenzfreie Ansprache und gesunde Dynamik zeichnen sie aus. Daran können nicht nur Beginner viel Spaß haben. Im Preis ist der ID:Core Stereo 100 besonders lukrativ. Aber auch beim ID:Core Stereo 150 stimmt das Verhältnis von Kosten und Nutzen. Fazit: Daumen hoch, wirklich empfehlenswert.

Plus

  • Sound, Variabilität
  • Dynamik u. Transparenz, gutes Durchsetzungs vermögen
  • Zerrverhalten harmonisch
  • Wide Spread Stereo, FX-Qualität
  • befriedigende Darstellung der Instrumentendetails
  • Edit-Software
  • Allroundtalente
  • Verarbeitung, Qualität der Bauteile

Minus

  • kurzes Fußschalterkabel
  • Looper schwierig Timing-genau zu steuern
  • Tuner etwas zu „tolerant“

Soundfiles

Hinweise zu den Soundfiles

Sie sind stereo ausgelegt. Für die Aufnahmen kamen zwei Kondensatormikrofone mit Großflächenmembran zum Einsatz, der Typ C414 von AKG, nahe platziert (ca. 30 cm)  vor den Lautsprechern. Alle Clips sind mit dem „kleineren“ ID:Core Stereo 100 eingespielt.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und gemastert. Wenn Effekte zu hören sind, erzeugt sie der Combo selbst.

Die Instrumente sind eine Steinberger GL4-T und eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg).

Bedeutung der Buchstabenkürzel:

Clip #1 und #2: Die Combos geben die entsprechenden Effekte mit einem Wide-Spread-Effekt wieder, einer so genannten Stereobasisverbreiterung. Im Raum klingt das noch weiter und räumlicher als es die Mikrofone einfangen können. Trotzdem verfehlen die beiden Clips nicht ihre Wirkung, oder?! Sehr präsent im Klang, und erfreulich voluminös, die beiden Clean-Beispiele.

Clip #3 und #4 zeigen wie artikuliert der Crunch-Bereich abgebildet wird. Dynamische Reaktion, spielt sich angenehm und ausdrucksstark. Dafür, dass wir es mit Modeling-Technik zu tun haben, doch ziemlich gut.

Die Clips #5 bis #7 sind mit den beiden High-Gain-Voices OD 1 und OD 2 eingespielt. Schöner Toncharakter, präzise im Attack, aber durchaus freundlich, nachgiebig im Spielgefühl. Viel Kompression, das Sustain wird spürbar unterstützt. Erneut: Möchte man meinen, dass digitales Modeling den Ton erzeugt?!

 

Um einen Eindruck von den tonalen Unterschieden zu vermitteln, hören wir im Clip #8 der Reihe die vier Distortion-Modes (Crunch, Supercrunch, OD 1, OD 2), bei gleichbleibender Einstellung der Klangregelung.

Clip #9 präsentiert mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den (Verzerrungs-) Charakter der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann.

Ich wünsche viel Vergnügen, und…,  wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).

Fragen, Anregungen  und  ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de.  Es klappt nicht immer,  aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.


Aus Gitarre & Bass 01/2017

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