Lauschangriff!

Bigtone: Studio Plex MKII im Test

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Schniekes Outfit, edle Anmutung, dieser Amp verströmt die Aura des Besonderen. Boutique, Boutique… kommt einem da gleich in den Sinn. Und in der Tat deuten die Leistungsmerkmale, z. B. die Ausstattung mit Trafos vom US-Kulthersteller Mercury Magnetics, klar darauf hin, dass es Bigtone mit den Besten der Amp-Szene aufnehmen möchte. Die Zeichen stehen gut: Wer sonst kann im Amp-Business so einen Guitar-Promi wie Billy Gibbons als User vorweisen?!

(Bild: Dieter Stork)

Zwei, drei Jahre erschien Bigtone auf der Messe in Frankfurt, ohne dass ein Vertriebspartner gefunden werden konnte. Etwas überraschend für mich, denn nachdem was man dort hören konnte, war klar, dass da einiges Potential schlummerte. Jetzt hat sich aber Pro Guitar, sprich Ron Mehl, der Marke angenommen. Das passt zu seinem Portfolio, als Fachmann für exklusive Pretiosen. Der Test wird zeigen, ob er mit Bigtone ein weiteres heißes Eisen im Feuer hat. Hinter dem „großspurigen“ Namen verbirgt sich im Übrigen keine US-Company. Bigtone hat seinen Sitz in Valencia, Spanien (… yeah EUR rules, liebe Briten ;-). Gegründet 2009, steckt das Unternehmen längst nicht mehr in den Kinderschuhen und wartet mit einem umfangreichen Programm auf. Allerdings sind Studio Plex 22, Studio Lux 22, Studio Lux (50 Watt) und Razor (100 Watt) Modelle, die weitgehend gleiche Technikkonzepte wie unser Testkandidat lediglich mit unterschiedlichen Endstufen kombinieren (6V6, 6L6, EL34). Eigenständiger steht das große, dreikanalige 100-Watt-Topteil (zwei EQ-Sektionen) namens Chameleon da.

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Die Preise liegen zwischen EUR 2400 bis 3500. Drei Cabinet-Modelle (1 x 12″, 2 x 12″, 4 x 12″, EUR 875 bis 1595), die in unterschiedlichen Bestückungen lieferbar sind, vervollständigen das Angebot (Customers Choice: Celestion V30s, G12H30s and G12M Greenbacks etc.; G12- 65, Alnico Blue usw. gegen Aufpreis). Als Custom Order ohne Preisaufschlag(!) kann man die Bigtone-Amps in anderen optischen Designs bekommen.

Konstruktion

Mit dem ersten Studio Plex, dem puristischen Vorgängermodell, fing alles an, sagt Bigtone. Die MKII-Version erweitert das ursprüngliche Konzept signifikant, allein schon mit dem Schritt hin zur zweikanaligen Auslegung. Name und Leistung des Amps beschreiben wohin die Reise geht. Der Begriff Plexi zitiert – wie wahrscheinlich viele wissen – die Marshall-Verstärker der späten 1960er-Jahre. Bei 50 Watt kann nur noch das Modell 1987 gemeint sein, der direkte Nachfolger des JTM45. Wir haben es hier aber keinesfalls mit einer schnöden Vintage-Replik zu tun, wie sie ja in großer Zahl auf dem Markt sind. Diverse Extras hieven die Technik in die Moderne. Der Hersteller behauptet aufgrund derer sogar, die Fähigkeiten seien so weit ausgereizt, dass man weiteres Modding/Tuning definitiv nicht brauchen wird. Selbstbewusste Ansage, der Praxisteil wird der auf den Zahn fühlen.

Wie gestaltet sich das Konzept des Studio Plex MKII also im Einzelnen? Die beiden im Charakter natürlich unterschiedlich ausgelegten Kanäle haben individuelle Regler für Gain (Vorverstärkung) und Volume (Lautstärke), teilen sich eine gemeinsame Klangregelung und bieten jeweils einen Sound-Preset-Schalter, der entweder die Brillanz anhebt (Bright) oder die Tiefmitten betont (Bold). Von entscheidender Bedeutung ist der dritte Mini-Switch an der Frontplatte, da er das Gain-Niveau insgesamt absenkt bzw. heißer macht. Dass der Amp einen Presence- Regler hat, ist selbstverständlich, hinten steht zusätzlich aber auch ein Deep-Poti zur Verfügung; damit lässt sich die Bassdynamik beeinflussen, ein typisches Detail moderner Röhren-Amps. Ein serieller Einschleifweg mit umschaltbarem Signalpegel komplettiert das Konzept. Doch es kommt noch mehr. Mit dem Schalter –FB+ ist die Gegenkopplung der Endstufe umschaltbar. Und über zwei Stereo- Klinkenbuchsen sind drei Funktionen fernsteuerbar: Der Kanalwechsel, eine intern statisch eingestellte Boost-Funktion (Lautstärke, nicht Gain) und der Status des FX-Weges. Ein entsprechendes Schaltpedal mit LEDs als optische Anzeigen gehört zu Lieferumfang. An der Frontplatte wird nur der Kanalwechsel optisch angezeigt. Mini-Switches an der Rückseite erlauben manuelles Schalten der Funktionen Channel und Boost.

Modulbauweise, exzellente Verarbeitung (Bild: Dieter Stork)

Soweit die Features. Na, dann stoßen wir mal vor ins Allerheiligste. Demontage, Begutachtung der Innereien, die Messgeräte ein bisschen in Aktion bringen, um zu sehen, wo sich vielleicht besondere technische Details auftun. Aber, abgesehen davon, dass im Netzteil mit moderner Technik gearbeitet wird und der Aufbau ebenso aktuellen Qualitätsrichtlinien folgt, präsentiert der Amp hier keine Überraschungen. Modulbauweise auf Basis besonders solider, weil dickwandiger Platinen mit dicken Kupferleitbahnen, die typisch in dieser Klasse verwendeten Bauteile, sauberste Verdrahtung, der Studio Plex MKII steht seitens der Verarbeitung und Substanz 1A da. Nur ein kleines Detail fiel negativ auf: Dem an den Kanten verschweißten Alu-Chassis war der Netztrafo wohl beim Versand/Transport zu schwer geworden, es hat sich in dem Bereich etwas verbogen. Funktional nicht relevant, von außen nicht sichtbar, eigentlich egal? Nö, das auch wieder nicht. Schon eine große Unterlegscheibe hätte die Kaltverformung vermutlich verhindert. Wirklich ungünstig ist indes, dass hinten die Chickenheads am Impedanzwahlschalter und dem Deep-Poti erheblich überstehen. Das kann auch die gepolsterte Schutzhülle nicht wettmachen, die zum Lieferumfang gehört. Ich würde auf jeden Fall andere Potiknöpfe montieren.

Praxis

Bei Bedarf globaler Gain-Boost, angehobene Vorverstärkung, da vermutet man doch – nicht zuletzt angesichts der zwei Sound-Sektionen – einen Amp mit reichlichen Verzerrungsreserven. Und, Katze aus dem Sack, genau dieses Modell hier, der Studio Plex MKII fand die Gunst des ehrenwerten Reverend Billy G.!? Jetzt kommt Grübeln auf, oder? Der Texas- Blues-Man ist ja nicht gerade bekannt als High-Gain-Player vor dem Herrn. Na gut, man muss ja nicht an den Anschlag gehen, Gain-Regler sind ja nicht dazu da, einfach voll aufgedreht zu werden. Das Rätsel löst sich aber auf andere Art. Der Studio Plex MKII ist halt gar kein so heißes Distortion-Monster. Im Maximum liegt der Amp etwas über dem, was der Nachfolger des Marshall 1987, das Modell 2204 leistet. Das ist nach heutigen Maßstäben moderat und deckt den Bereich des Blues bis Retro-Rock ab. Stilecht erzeugen die Verzerrungen auch wenig Kompression. Man wird nicht gerade auf einer Sustain-Welle getragen. Der Studio Plex MKII ist insofern der erdig ehrliche Geselle, den man von einem traditionellen Brit-Amp erwartet. Allerdings gewissermaßen in Reinkultur. Die Transparenz im Ton ist exzellent ausgebildet.

Details der Spielweise, der Charakter des Instruments, wichtige Faktoren für hohe musikalische Ausdruckskraft, beides stellt der Verstärker fein und präzise dar. Der Ton hat außerdem jederzeit Substanz, Energie, ist raumgreifend präsent. Doch braucht es dafür einigermaßen Schalldruck. Der Studio Plex MKII lebt erst auf, wenn man einigermaßen Gas gibt. Stramme Dynamik bei dennoch angenehmem Spielgefühl. Schöne Balance. Im Overdrive und selbst bei maximaler Distortion kommen Akkorde harmonisch zu Gehör. Sehr zu loben ist außerdem, dass der Amp den Tonumfang der Gitarre ausbalanciert verstärkt. Das heißt, zu den hohen Tönen hin, oberhalb des XII. Bundes behalten die Noten Kraft und Volumen (ein qualitativ adäquates Instrument vorausgesetzt). Das ist selbst in diesen hohen und höheren Preisklassen keine Selbstverständlichkeit.

Verbogen: Alu ist halt doch weicher als Stahl (Bild: Dieter Stork)

Nicht ganz wie erwartet erweist sich der Grundcharakter des Amps. Die echten alten Plexi-Marshalls besitzen eine eigentümliche Frische in den oberen Mitten und den Höhen, die der Studio Plex MKII nicht erzeugt. Er steht so gesehen dem JTM45 näher, aber ohne das tendenziell aufgeblähte Volumen in den unteren Frequenzen, das bei starker Übersteuerung für Interferenzen sorgt. Der Studio Plex MKII gibt sich diesbezüglich kultivierter, was ein eher schlankes Grundtimbre nach sich zieht. Das Deep- Poti dosiert die Bassdynamik nachhaltig und der Feedback-Schalter sorgt – wie es zu erwarten war – in der Minus-Position für ein luftigeres, brillanteres Klangbild und eine etwas andere Färbung der Verzerrungen bei höheren Lautstärken. Von daher ergibt sich eine respektable Variabilität im Sound, wobei schon berücksichtigt ist, dass die Klangregelung eher defensiv arbeitet, ohne große Effizienz.

Der Gain-1-Kanal verändert seinen Sound, also das Frequenzbild, bei der Benutzung des High-Gain-Schalters kaum. Der Unterschied liegt hauptsächlich darin, dass man entweder mehr Clean- Headroom zur Verfügung hat oder sich feinziselierter Overdrive ergibt. Im Gain- 2-Kanal stellt sich die Sachlage anders dar. Ohne Gain-Nachschub entwickelt die Sound-Formung keinen nennenswerten Peak in den Mitten, wodurch sie klar in Richtung klassischer Marshall-Sound geht, man denke z. B. an Angus Young. High-Gain-On verdichtet dagegen die Distortion und die Mitten erheblich. Wer einen tragfähigen Leadsound möchte, wird diesen Modus favorisieren. Hhmm, man könnte glatt auf die Idee kommen, dass es ganz praktisch wäre, wenn sich die High-Gain-Funktion per Fußschalter kontrollieren ließe. Wie auch immer, das mitgelieferte Pedal (etwas störrisches PVC-Kabel) ist auch ohnedies zweckmäßig, wobei der Lautstärke-Boost mit praxisgerechtem Schub punktet. Die Schaltvorgänge (Relais) streuen nur wenig in den Einschleifweg ein. Der wiederum funktioniert exzellent, weil sowohl die Signalqualität als auch die Pegel stimmen und er vor den Master-Volume-Reglern angeordnet ist, sprich Signaldifferenzen lassen sich an dieser Stelle ausgleichen. Wer die FX-Loop-On/Off-Funktion nutzen möchte, muss allerdings darauf achten, dass seine Effektkette keine Pegelunterschiede erzeugt, sonst können Schwierigkeiten mit der Lautstärke entstehen, was dann wohlgemerkt nicht dem Amp anzulasten wäre.

Alternativen

Verstärker mit diesem britisch traditionellen Toncharakter gibt es qualitativ ebenbürtig in größerer Zahl auf dem Markt, in dieser Preisklasse und höher. Doch konzeptionell, in der Ausstattung, hat der Studio Plex MKII vielen Konkurrenten ein bedeutendes Quantum voraus. Z. B. dem Friedman Smallbox 50, der definitiv eine Alternative ist, einen Line-Out hat, aber bei den Switch-Optionen das Nachsehen hat. Will sagen, eine direkt vergleichbare Alternative kann ich nicht nennen. Für Sparfüchse sei aber erwähnt, dass in dieser Sound-Sparte Engls Retro 50, obwohl längst nicht so feingliedrig, eine sehr gute Budget-Empfehlung ist.

Resümee

Im Studio Plex MKII verschmelzen zwei Tugenden zu einem glanzvollen Ganzen: Resoluter, tendenziell offensiver Brit-Ton und feingliedrige Elemente in der Ansprache, Detaildarstellung und Abstimmung. Die charakterstarke Sound-Formung kann mithilfe der diversen Schaltoptionen quasi von der Tradition in die Moderne „modifiziert“ werden. Ergibt in der Summe einen Verstärker, der höchsten Ansprüchen gerecht wird. Und der dank des elegant funktionierenden FX-Weges universell nutzbar ist. Gravierende Schwächen förderte der Test nicht zutage. Nein, billig ist er nicht, der Studio Plex MKII, Preis und Leistung stehen aber allemal in einem unkritischen Verhältnis.

Plus

  • Sound, markant, sehr kultiviert
  • Dynamik, Transparenz, Durchsetzungsvermögen
  • Variabilität: Vintage- Style m. erhöhten Gain-Reserven etc.
  • Konzept/Ausstattung
  • geringe Nebengeräusche
  • Verarbeitung/Qualität der Bauteile

Minus

  • überstehende Potiknöpfe hinten

 


Soundfiles

Bedeutung der Buchstabenkürzel:

G1: Der Gain 1-Kanal des Amps.

G2: Der heißere Gain 2-Kanal des Amps.

Clip #1 bis #5: Ein kleiner Querschnitt durch das Spektrum des Gain1-Kanals. Clean kann er sehr fett sein. Man beachte wir transparent und präsent die Clean-Wiedergabe ist – in Memoriam JTM45.

Die Verzerrungsreserven halten sich selbst mit aktivierten High Gain-Schalter in Grenzen. Siehe/höre Clip #3, mehr kann die Strat nicht aus dem Kanal herauskitzeln. Es sei denn, man reißt den Amp gnadenlos auf.

Clip #1 bis #5: Ein kleiner Querschnitt durch das Spektrum des Gain1-Kanals. Clean kann er sehr fett sein. Man beachte wir transparent und präsent die Clean-Wiedergabe ist – in Memoriam JTM45.

Die Verzerrungsreserven halten sich selbst mit aktivierten High Gain-Schalter in Grenzen. Siehe/höre Clip #3, mehr kann die Strat nicht aus dem Kanal  herauskitzeln. Es sei denn, man reißt den Amp gnadenlos auf.

Clip #6 und #7: Der heiße Gain 2-Kanal übertreibt es nicht mit den Verzerrungen. Er bleibt im Territorium des Retro-Rock.

Clip #8 präsentiert mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den (Zerr-) Charakter der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann.

Ich wünsche viel Vergnügen, und…,  wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).

Fragen, Anregungen  und  ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de.  Es klappt nicht immer,  aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.

Text + Musik: Ebo Wagner (GEMA)


Aus Gitarre & Bass 12/2016

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