Überzeugendes Gesamtpaket

Belastend: Rockboard RPA100 im Test

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(Bild: © Joris Henke)

Mit dem Röhren-Amp nachts um zwölf noch mal eben was aufnehmen oder eine Jam-Session abhalten? Was im Studio weniger ein Problem darstellt, wird spätestens in den eigenen vier Wänden dann doch eher schwierig. Der RPA100 schafft genau hier Abhilfe.

Je nach Verstärker kann es sehr charmant sein, wenn die Endstufe ihren (halbwegs) linearen Arbeitsbereich verlässt und mit eigener Sättigung oder gar Verzerrung zum Klang beiträgt. Bei einem Amp der 100-Watt-Klasse ist das allerdings in der Regel mit schädlichen, zumindest aber mit nachbarschaftsfeindlichen Lautstärken verbunden. Wird das Master-Volume am Amp heruntergedreht, verändert sich der Klang jedoch wieder. Also muss die Lautstärke erst hinter dem Amp verringert werden. Eine Möglichkeit dazu sind Iso-Cabs: massive, schallgedämmte Boxen, in denen der Lautsprecher unter „Schutzatmosphäre“ mikrofoniert wird. Funktioniert, ist aber aufwendig, teuer, sperrig und trotzdem nicht wirklich leise. Die deutlich einfachere Option ist ein Attenuator, auch Load-Box genannt.

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KURZER EXKURS

Bei Transistorverstärkern sind sie für gewöhnlich überflüssig, da solche Endstufen in der Regel zum einen stets linear (genug) arbeiten und zum anderen auch gänzlich ohne Box betrieben werden können. Wer nur den Line-Out benötigt, klemmt die Box einfach ab. Zu dieser Geräteklasse gehören auch Class-D-Verstärker, die mittlerweile in der Gitarrenwelt zunehmend Einzug halten. Vollröhrenverstärker bzw. Röhrenendstufen mit Ausgangsüberträger benötigen hingegen stets eine Box oder eine andere Form von elektrischer Last, um im Betrieb nicht beschädigt zu werden.

Bei Load-Boxen handelt es sich um Geräte, die Teile oder sogar die vollständige Leistung des Amps in Wärme statt Schall umwandeln und so je nach Modell auch gänzlich ohne zusätzliche Box auskommen. Hierbei kann man weiter grob in zwei Kategorien unterscheiden:

1) Reaktive Lasten bilden die Impedanzkurven eines (oder mehrerer) Lautsprecher nach, sodass der Verstärker quasi einen echten Lautsprecher an seinem Ausgang „sieht“ und sich aufgrund der Wechselwirkung zwischen Ausgangsübertrager und Last auch so verhält, nur eben ohne die Krach verursachende Pappe. Im Schnitt kosten diese Geräte etwas mehr. Ein bekannter Vertreter dieser Klasse ist z.B. die „Two Notes Captor“-Baureihe.

2) Rein ohmsche Lasten bestehen nur aus hoch belastbaren Widerständen und bieten der Endstufe eine frequenzunabhängige, konstante Last. Da die Wechselwirkungen zwischen Endstufe und Last hier ausbleiben bzw. geringer ausfallen, klingt diese Lösung im Ergebnis insbesondere im Bereich der Mitten anders. Dafür ist sie leicht umsetzbar und kostengünstig.

(Bild: © Joris Henke)

PRAXIS

Der RPA100 gehört zur Kategorie 2, bei einem Preis von rund 80 Euro ist auch kaum etwas anderes zu erwarten. Einen Eigenklang besitzt der RPA nicht, ohne Cab-Sim ist der Frequenzgang schnurgerade. Ausgestattet ist der schwarze Kasten mit einem dicken 100W-Drahtpoti sowie einer Handvoll Hochlastwiderständen, die insgesamt bei Bedarf auch die komplette Verstärkerleistung bis 100Wrms aufnehmen können. Wie viel Leistung, also Pegel im RPA verbrannt werden soll, wird unkompliziert über das Poti eingestellt.

An einem der Parallel-Out-Ausgänge kann eine gewöhnliche Gitarren- oder Bassbox angeschlossen und der RPA so auch nur zum Verringern, aber nicht zum gänzlichen Stilllegen des Signals verwendet werden. So lässt sich ein 100W-Amp bis zur Schmerzgrenze treten und die Raumlautstärke frei kontrollieren. Soll der RPA das Signal unvermindert durchlassen, muss der angeschlossene Lautsprecher natürlich in der Lage sein, die volle Leistung zu verarbeiten.

Um Verstärker und RPA zu schützen, signalisiert eine rote LED an der Gerätefront, wenn die Eingangsleistung zu hoch ist. Bei dem Testexemplar springt diese allerdings bereits bei ca. 35 Watt an, obwohl die verbauten Widerstände mit der automatisch laufenden Luftkühlung deutlich mehr abkönnten. Der Hersteller hat mir jedoch mitgeteilt, dass man den Schwellwert für die LED in der Zukunft anpassen wird. Sowohl LED als auch Lüfter speisen sich aus dem Tonsignal und benötigen keine weitere Stromversorgung. Wozu dient dann die 9V-Anschlussbuchse, möchte man fragen.

Hier spendiert der Hersteller ein paar äußerst praktische Zusatzfunktionen, wie Line-Ausgänge und einen Kopfhörerausgang samt AUX-Input. Während die beiden letztgenannten eine gute Möglichkeit sind, einen vorhandenen Verstärker zum stillen Üben zu nutzen, bieten die Line-Outs die Option, das Signal direkt aufnehmen oder an eine PA schicken zu können, ohne sich mit Mikrofonierung abmühen zu müssen. Weil das gerade bei verzerrten Sounds meist nicht gut klingt, bietet der RPA100 zwei analoge Cab-Sims auf den Ausgängen, die das Signal abmildern. Hierbei handelt es sich im Grunde nur um eine Beschneidung der Höhen und Tiefbässe. Der Wahlschalter für die 2×12“- bzw. 4×12“-Cab-Sim sorgt hierbei je nach Stellung für einen unterschiedlich stark ausfallenden Boost im Bassbereich. An der Gerätefront kann der Pegel des Line-Signals eingestellt sowie die Cab-Sim komplett deaktiviert werden. Das ist insbesondere dann praktisch, wenn zusätzliche Cab-Simulationen, z.B. in Form eines IR-Loaders genutzt werden sollen. Soll mit dem RPA aufgenommen werden, bevorzuge ich diese Variante eindeutig.

(Bild: © Joris Henke)

RESÜMEE

Insgesamt macht der RPA100 einen guten Eindruck, ist für den Einsatzzweck ausreichend dimensioniert und bietet wirklich praktische Zusatzfunktionen. Dass die Kernfunktion dabei ohne zusätzliche Stromversorgung auskommt, ist ein großer Pluspunkt. An die klangliche Güte einer reaktiven Last reicht eine ohmsche Last nicht heran, für den aufgerufenen Preis ist das Gesamtpaket jedoch sehr überzeugend.

PLUS

  • Funktionalität
  • Preiswert


(erschienen in Gitarre & Bass 08/2024)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Also nach dem ersten Kauf war schnell klar, das Gerät ist ein absolut gutgemachtes und neutral arbeitendes Superschnäppchen!!! Nach kompletter Neuverdrahtung mit Kupfer-Massivdraht bei drastischer Verkürzung der Signalwege fehlte nur noch ein 4,7 uF Folienkondensator über dem Lastpotentiometer und ~~~ die Sonne ging auf.
    Ob am Fender Redknob Twin Reverb, Fender 75, 1976 Marshall JMP SuperLEAD 100 oder 1978 PEARL Transistor DuoReverb 100 – beste Performance und TONE. Deshalb hab ich jetzt zwei Rockboard RPA100 …

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    1. Hallo Verne,
      “komplette Neuverdrahtung”, heißt das, dass du das Teil umgebaut hast?
      Und dass du jetzt zwei hast, einer original, einer von dir verändert?

      lg Frank

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