Back to the Eighties: Epiphone Noel Gallagher Riviera im Test
von Heinz Rebellius,
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(Bild: Dieter Stork)
Habe ich was verpasst, oder warum ist Noel Gallagher jetzt „in“? Oder war er vielleicht nie „out“? Mir ist er das letzte Mal in 2015 aufgefallen, als er mit seiner Band The Flying Birds im Rock Palast ein prima Konzert spielte. Wie auch immer – ich war recht erstaunt, als Gibson ihm dieses Jahr nicht weniger als gleich drei Signature-Instrumente widmete. Allesamt Repliken der Instrumente, mit denen er seinen Ruhm als Ikone des Brit-Pop begründet hatte: Gibson ES-355, Gibson J-150 und eben die Epiphone Riviera, um die es in diesem Artikel gehen wird.
Noel Gallagher spielte bekanntlich zu Oasis-Zeiten neben seiner Gibson ES-355 von 1960 vor allem eine 1983er Epiphone Riviera – damals schon lang nicht mehr in Kalamazoo, sondern bei Matsumoku in Japan gebaut. Man kann durchaus behaupten, dass Rivieras den Sound von Oasis geprägt haben, denn auch der zweite Gitarrist wurde oft mit einer roten Epiphone Riviera auf der Bühne gesehen.
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WONDERWALL
Die Epiphone Riviera formte zusammen mit der Sheraton und der Casino zu Anfang der 1960er-Jahre ein attraktives Trio – siehe auch den Textkasten zur Riviera-Shortstory unten. Ursprünglich mit Mini-Humbuckern und Frequensator-Saitenhalter ausgestattet, raubte man der Riviera Anfang der 80er-Jahre ihre Eigenständigkeit und stattete sie mit Humbuckern und Tune-o-matic/Stop-Tailpiece aus. Mini-Humbucker hatten noch nie eine große Lobby, vor allem nicht in den lauten Achtzigern, und mit einer Humbucker-Riviera erhoffte man sich sicherlich mehr Umsatz.
Wie auch immer – die Humbucker-Riviera kam Noel Gallagher als Gibson-Spieler jedoch gerade recht, um den Sound seiner Band passend zu gestalten. Die aktuelle Noel Gallagher Riviera, die seinem alten Original 1:1 nachempfunden ist, weist zu den eingangs erwähnten beiden anderen aktuellen Signature-Gitarren einen gravierenden Unterschied auf: Sie ist erschwinglich.
BAUWELTEN
Decke, Rücken und Zargen bestehen aus fünfschichtigem Ahorn-Laminat. Ein massiver Center-Block aus Ahorn und dazwischen verleimten Fichtenleisten verbinden Decke und Boden. Feedback tabu!
Der Hals ist mit dem Body über eine sogenannte „transitional tenon“-Verbindung verzahnt und verleimt, die kürzer als ein „long tenon“ ausfällt. Dank der PUR-Lackierung (Polyurethan) in leicht transparentem Weinrot, ist die dreistreifige Konstruktion des Mahagoni-Halses kaum auszumachen. Das Epiphone-Logo und eine klassische „crown“-Einlage zieren die Kopfplatte, beides ist in weißem Perloid ausgeführt. Die pure Eleganz dieser beiden Elemente wird durch das klobige, knallweiße Trussrod-Cover leider konterkariert, und das eher stumpfe Weiß des Kunststoffsattels von Graph Tech bringt auf 18 cm Strecke sogar noch ein drittes Weiß ins Spiel. Das hätte man optisch schicker lösen können, allerdings hielt man sich zumindest beim Trussrod-Cover an die historische Vorgabe.
Auch die Griffbrett-Einlagen, auffällige Parallelogramme, sind damals in der originalen Riviera verbaut gewesen, allerdings noch in einem Griffbrett aus Indischem Palisander. Heute verwendet Epiphone dafür Indischen Lorbeer und hat für Herrn Gallagher und seine Fans optisch ansprechende Stücke dieses leicht offenporigen Holzes ausgesucht. Sattelform und -kerbung sowie die Bundierung und Bundverarbeitung sind ausgesprochen gut, was in dieser Preisklasse nicht selbstverständlich ist. Zusammen mit dem Griffbrett-Binding, dem 12″-Radius und einem recht speziellen Hals-Profil wird eine sehr angenehme Spielbarkeit realisiert.
Dieses Halsprofil wird offiziell als „Slim Taper C“ bezeichnet, fühlt sich aber eher wie ein D mit ausgeprägt verrundeten Schultern an. Eine moderat geformte Volute verstärkt zudem den chronisch bruchgefährdeten Kopfplatten/Hals-Übergang, und ja, das war damals auch schon so.
KÖRPERWELTEN
Alles wie gewohnt! Einmal ES, und zurück. Denn Größe, Stärke und Anmutung sind bekannt und bewusst am Gibson-Klassiker ausgerichtet. Ebenso die Machart der Tonabnehmer, denn die verwendeten Epiphone Alnico Pro gehören dem beliebten PAF-Lager an. Tune-o-matic-Brücke und Stop-Tailpiece sind Teile der Epiphone-Locktone-Serie. Hier verhindern Federklammern in den Aufnahmen des Tailpieces z. B. ein Herausfallen desselben bei einem Saitenwechsel. Ein großes, ebenfalls schneeweißes Pickguard dominiert die optische Erscheinung der Riviera und steht auch hier in einem historisch korrekten Mismatch zum cremefarbenen Binding. Toggle-Dreiweg-Schalter, zwei Volume- und zwei Tone-Potis stellen das gewohnte Regel-Layout dar. Die Potis (große Bauform) tragen griffige „witch hat“- Knöpfe, und leider lässt sich einer der Volume-Regler nicht gleichmäßig durchdrehen, sondern muss zwischendurch einen in den Weg geratenen mechanischen Widerstand überwinden.
KLANGWELTEN
Rein akustisch fallen zwei Dinge sofort auf: Einmal die Lautstärke dieser Gitarre, dann das lange, breitbandig singende Sustain mit sehr tragfähigen Mitten. Dass die neuzeitlichen PAF-Pickups von Epiphone zurecht einen guten Ruf haben, bestätigen auch die Tonwandler dieser Riviera. Und ehrlich gesagt habe ich selten eine Gitarre erlebt, in der sich beide Pickups so optimal ergänzen. Sie stehen nicht nebeneinander als egoistische Selbstdarsteller, sondern arbeiten miteinander als vorbildliche Teamplayer. Der Hals-Pickup versprüht einen sonoren Charme, sehr satt, aber immer transparent und mit einer klaren Saitentrennung, auch noch bei angezerrten Sounds.
In der Mittelstellung wird der Bassbereich etwas gekappt, dafür kommt eine leichte Hochmitten-Nase vom Steg-Pickup ins Spiel, der für einen aufgehellten, klaren Sound sorgt, mit dem man sehr gut z. B. auch im Brit-Pop den Ton angeben könnte. Tja, und der Steg-Humbucker, der ist ein richtig guter Typ! Voll, satt und gar nicht knochig-kantig, aber dennoch recht breit aufgestellt in dem Frequenzbereich stark, der für eine gute Durchsetzungsfähigkeit sorgt. Hier klingen voll verzerrte Akkorde noch musikalisch ganz nach Gitarre, und dreht man den Tonregler ein gutes Stück zurück, erreicht man mit ihm alleine bereits einen richtig guten Jingle-Jangle-Sound. Gute PAFs wie diese Epiphone Alnico Classic Pro gewährleisten eine maximale Vielseitigkeit, was den Einsatzbereich der Gitarre angeht. Von Jazz bis Rock geht alles in top Klangqualität! Mit den logarithmischen Volume-Potis lassen sich zudem nicht nur die Lautstärke, sondern auch der Verzerrungsgrad bequem regeln: Ein kurzer Dreh von 10 auf 8, und schon klart sich der Sound auf. Damit lässt sich arbeiten.
History, Alternativen und Resümee auf Seite 2 …
DIE RIVIERA SHORTSTORY
Die Epiphone Riviera gehörte zu den Gitarren, die ab Ende der 1950er-Jahre beweisen sollten, dass diese Marke in der damaligen Moderne angekommen ist. Bis dahin galt Epiphone vor allem als Archtop-, aber auch als Banjo- und Mandolinen-Hersteller, der Gibson seit den 20erJahren ernsthafte Konkurrenz gemacht hatte, in den 50er-Jahren aber schwächelte. CMI, die Muttergesellschaft von Gibson, hatte Epiphone 1957 gekauft, und Gibson-CEO Ted McCarty ließ 1958 parallel zur neuen Gibson ES-335 die Epiphone Sheraton bauen, mit nahezu identischen Features.
Der Plan war, neben Gibson eine zweite Marke zu etablieren, die im Preisgefüge etwas unterhalb der Premium-Marke lag, mit der aber Händler, die aus territorialen Schutzgründen kein Gibson-Händler sein durften, mit Gibson-ähnlichen Instrumenten versorgt werden konnten. Wie viele Ideen McCartys war auch diese genial, denn der Bedarf war da und die Epiphone Sheraton so erfolgreich, dass zu Anfang der 1960er-Jahre eine kleine Serie im 335-Style installiert wurde. Zum einen 1961 die hohle Casino, zum anderen 1962 die Riviera. Um sich von der Sheraton abzusetzen, bekam die Riviera Mini-Humbucker und das sogenannte Frequensator-Tailpiece verschrieben und war damit eins der wenigen damals neuen Epiphone-Modelle, die eine gewisse Eigenständigkeit und Eleganz zeigten.
Bild: Vintage Guitars Oldenburg
1965 Epiphone Riviera
Bild: Vintage Guitars Oldenburg
1965 Epiphone Riviera mit Vibrola
Neben einem 12-saitigen Modell wurde ab ca. 1965 als Option die Riviera auch mit einem Vibrola angeboten, einem recht innovativen Vibratosystem. 1970 verlegte Gibson die Epiphone-Produktion nach Japan, hier wurde die Riviera aber erst einmal nicht mehr gebaut. Das änderte sich Anfang der 1980er-Jahre, aber nur für einen kurzen Zeitraum, bis etwa 1983. Erst 1990 wurde die Riviera dann wieder festes Mitglied des Epiphone-Kataloges, kam nun aus Korea und später dann aus China, so wie heute auch. Sieht man von einigen Ausnahmen wie z. B. den Gallagher- und Nick-Valensi-Signatures ab, darf sie sich nun auch wieder mit Mini-Humbuckern und Frequensator-Tailpiece vom Standard abheben.
ALTERNATIVEN
Mit der normalen Epiphone Riviera bietet der Hersteller selbst eine Art von Alternative, aber – wie gesagt – mit Mini-Humbuckern und Frequensator-Tailpiece. Sie kostet im Laden rund € 600 ohne Koffer. Ein originaler Epiphone-Koffer würde mit rund € 120 zu Buche schlagen. Damit wäre man schon fast in der Preisregion der wertstabileren Noel Gallagher Riviera (ca. € 900 inkl. Koffer). Die Epiphone Sheraton, genauso bestückt wie die Noel Gallagher Riviera, ist für ca. € 650 ohne Koffer erhältlich. Sie geht also auch als Alternative durch, genauso wie die diversen ES-335 Kopien von Epiphone (ab ca. € 600 ohne Koffer).
Eine starke Konkurrenz stellt die Larry Carlton H7 (ca. € 650) dar, wie auch baugleiche Gitarren von Ibanez, D‘Angelico, Stanford und PRS SE.
Wer übrigens mit dem Hintergedanken „80er-Jahre sind doch noch kein Vintage“ überlegt, eine Riviera aus dieser Japan-Ära anzuschaffen, der muss mit rund € 4000 rechnen – dank des Oasis-Faktors. Aber nur genau für dieses Modell in Wine Red. Rivieras in anderen Farben oder mit Mini-Humbuckern schlagen nur mit etwa € 2000 zu Buche und sind, falls man so viel gerade flüssig hat, eine Überlegung wert.
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Kurz und bündig: Die Epiphone Noel Gallagher Riviera ist eine der besten neuzeitlichen Epiphone-Gitarren! Von der Verarbeitung über die verwendeten Materialien und Bauteile bis hin zur Spielbarkeit und letztlich zum Sound ist das Ergebnis mehr als überzeugend. Da zudem der Bonus eines Signature-Modells bei der Werterhaltung nicht zu verachten ist, stellt die Epiphone Noel Gallagher Riviera eine richtig gute Empfehlung für die dar, die eine typische Semi-Akustik im Stil einer Gibson ES suchen, aber den Flair eines Signature-Modells und die elegantere Ausstrahlung einer Epiphone-Gitarre mögen.
Schön auch, dass den Linkshändern unter uns dieses Modell ebenfalls angeboten wird – das ist bei Signature-Gitarren ja eher selten der Fall.
Nicht umsonst ist diese Gitarre, während ich diese Zeilen schreibe, in den meisten Läden bereits ausverkauft. Da Epiphone aber keine Limitierung für sie vorgesehen hat, wird sie sicherlich bald wieder zur Verfügung stehen.