AmberPickups Holy 50, Big 60 & Vintage 75 Singlecoils im Test
von Michael Dommers,
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Im schönen Bundesland Meck-Pomm steht in Ribnitz-Damgarten, rund 25 km nordöstlich von Rostock, die Werkstatt von AmberPickups. Inzwischen zählt die kleine Firma von Wolfgang Damm auch über unsere Grenzen hinaus zu Deutschlands Top-Adressen für E-Gitarren-Pickups.
Gleich drei neue Singlecoil-Sets für Stratocaster und artverwandte Gitarrenmodelle, die bei AmberPickups unverfänglich „Surf-Style“ heißen, trafen kürzlich auf komplett bestückten Pickguards bei mir ein. Schon die Verdrahtung der High-End-Komponenten ist eine echte Augenweide und zeugt von Akribie, sorgfältigster Verarbeitung und Liebe zum Detail. Da sich AmberPickups als Custom Shop versteht, können Kunden die bestellten Tonabnehmer selbstverständlich inklusive der bevorzugten Bauteile auch auf betriebsbereiten Schlagplatten beziehen.
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Konstruktion
Wie gewohnt werden Amber-Pickups aus bewährten, historisch korrekten Materialien handgefertigt. Daher finden technisch gealterte Alnico-5-Stabmagnete mit gefasten Umlaufkanten (beveled edges) und abhängig vom angedachten Jahrgang 42 Gauge Heavy Formvar oder 42 Gauge Plain Enamel Spulendrähte Verwendung. Gegen Aufpreis erhält der Kunde die Magnete und Pickup-Kappen auch optisch gealtert, wie hier beim Big 60 Set zu sehen. Um in den Zwischenpositionen des Schalters Brummgeräusche zu unterdrücken, ist der mittlere Einspuler entgegengesetzt gewickelt und polarisiert. Als Testgitarre dient eine (schwingfreudige) 1960 Relic Strat aus dem Fender Custom Shop.
Praxis
Mit seinen Holy 50 Singlecoils reagiert AmberPickups auf die Wünsche von Gitarristen, die nicht ganz so viel Output und damit einen etwas schlankeren, luftigeren Ton bevorzugen, damit jede Nuance von Spielweise, Dynamik und Artikulation besonders präzise abgebildet wird. Realisiert hat Wolfgang Damm dies durch geringere Wicklungszahlen des 42 Gauge Heavy Formvar Spulendrahtes. Erstaunlicherweise klingen die Holy 50s keineswegs dünn, und der Steg-Pickup schon mal gar nicht schrappig oder scharf wie der berüchtigte Glasschneider. Mit straffen, runden Bässen, glockig perkussiven Mitten, klaren Höhen und schon fast samtiger Brillanz tönt er knackig aber dennoch rund und lässt sogar eine gewisse Wärme durchscheinen.
Der mittlere Einspuler punktet mit einem ausgewogenen glockigen Klangbild, beim Hals-Pickup kommt noch deutlich mehr Bauch hinzu, sodass ein wunderbar bluesiger Ton mit warmem aber dennoch definiertem Bass, singenden Mitten und spritzig perlenden Höhen ans Ohr dringt. Oftmals klingen die Zwischenpositionen, in denen ja die benachbarten Pickups paarweise aktiv sind, ein wenig belegt und höhenarm. Hier verleihen jedoch fein dosierte Höhen den näselnden Sounds Luft und Transparenz. Obgleich die Holy 50s output-mäßig eher im unteren Bereich angesiedelt sind, liefern sie exzellente Crunch- und Lead-Sounds, die sich durch hohe Transparenz und gutes Durchsetzungsvermögen auszeichnen. Sie unterstützen das Sustain der Gitarre und bilden mit allerbester Dynamik jede Nuance des spielerischen Ausdrucks ab. Hinsichtlich Pegel als auch Klang perfekt auf einander abgestimmt, präsentiert sich ein ausgewogenes Holy 50 Set.
Das Surf Style Big 60 Trio wurde zur (optischen) Demonstration von Wolfgang Damm mit authentisch geagten Kappen und Magneten ausgestattet. Klanglich und leistungsmäßig standen hier offenbar Fenders Texas Specials Pate, die mit ihrem stärkeren Mittenanteil dem Sound von Texas-Bluesern und -Rockern mehr Aggressivität und Punch verleihen sollen. AmberPickups spendiert seiner Version nicht nur bessere Balance, sondern auch irgendwie mehr Klangkultur. So klingen die Big 60s ebenso kraftvoll aber insgesamt runder, harmonischer und nicht ausschließlich aggressiv. Sie (re)agieren überaus dynamisch und kommen damit ausdrucksstarkem, filigranem Spiel entgegen. What you play is what you get, sozusagen.
Bild: Dieter Stork
Bild: Dieter Stork
Bild: Dieter Stork
Trotz Mittenanhebung sorgen seidig brillante Höhen und ein breites reichhaltiges Obertonangebot für Transparenz und Spritzigkeit, während die straffen Bässe sowohl am Hals als auch am Steg ein stabiles Fundament hinlegen. Trefflich näseln die Zwischenpositionen, die trotz verstärkter Mitten dem Klangbild ausreichend Luft lassen. Selbstverständlich zeigen die Big 60s auch im Crunch- und High-Gain-Einsatz ihre Klasse, verlieren dabei kaum an Dynamik und Durchschlagskraft und lassen jeden einzelnen Ton, der sich gerne vom Fingervibrato und vom Sustain der Gitarre tragen lässt, singen. Erst kürzlich hatte ich das AmberPickups Screaming ‘69 Set im Test, das unseren Vintage 75s als Vorbild diente. Ebenfalls mit #42 Plain Enamel Draht gewickelt, besitzen dessen Spulen nicht nur weniger Windungen, sondern auch gleich hohe Magnete (flat bzw. non-staggered).
Warum? Hierzu ein kurzer historischer Exkurs. Von Beginn an besaßen Fender Strat Pickups unterschiedlich hohe Magnete, um nämlich die Lautstärkedifferenzen der Gitarrensaiten zu kompensieren. Schließlich gab es damals weder Light-Gauge- noch Roundwound-Saiten, zudem war die G3-Saite stets umwickelt und damit deutlich leiser. Außerdem musste die Saitenlage dem Griffbrettradius angepasst werden. Erst ab 1974 stattete Fender seine Strat-Pickups mit „flat polepieces“ aus, die bei den damals angesagten Saiten die Pegelbalance verbesserten. Im Zuge des Vintage-Booms zu Beginn der 80er-Jahre stieg jedoch wieder die Nachfrage nach Pickups mit gestaggerten Magneten. Daher sind heute die unterschiedlichsten „Stagger Layouts“ erhältlich.
Da die Vintage 75 leistungsmäßig auf dem Level der Holy 50 rangieren, lassen sie sich klanglich gut vergleichen, zumal sie ja bei diesem Test, wenn auch wech selweise, auf der selben Gitarre installiert sind. Wie schon vorher, greifen Mehrspuraufnahmen mit (möglichst) identisch eingespieltem Audiomaterial meinem akustischen Gedächtnis unter die Arme. Schon am cleanen Amp liefern die Einspuler sehr klare, luftige Klangbilder, deren Spektren etwas breiter aufgestellt erscheinen, also in den Bässen und Höhen prägnanter und damit insgesamt ausgewogener tönen. Während die Bässe straff, kompakt und definiert klingen, dringen die Höhen niemals schrill ans Ohr, sondern punkten mit einer eher angenehm seidigen Brillanz.
Die luftigen Höhen und das offene, vitale Klangbild zieht sich quasi wie ein roter Faden durch alle vier weiteren Schaltungsvarianten, und selbst das Näseln der Zwischenstellungen profitiert davon. Im Zerrbetrieb setzen die Pickups die Mitten gekonnt in Szene, wobei Bässe und Obertöne erhalten bleiben. In diesem Fall erhalten Höhen und Brillanz noch einen leichten Schub, der dem Sound zu mehr Aggressivität verhilft, erst recht bei zunehmender Anschlagsintensität. Die Vintage 75 meistern den Crunch-Bereich ebenso wie High Gain Sounds ohne an Transparenz, Dynamik und Durchsetzungskraft zu verlieren. Selbst am intensiv zerrenden Amp inspirieren die brummarmen Zwischenpositionen zum kultivierten Solospiel. Alle drei Singlecoil-Sets reagieren vorbildlich auf die Arbeit mit dem Volume-Poti.
Bild: Dieter Stork
Bild: Dieter Stork
Plus
Sound-Ästhetik
Transparenz & Dynamik
Durchsetzungskraft
Verarbeitung
Resümee
Es ist immer wieder spannend, wenn Tonabnehmer von AmberPickups in die Redaktion flattern. Auch diesmal hat Wolfgang Damm interessante Sets ausgetüftelt. Während das gleichermaßen überzeugende wie inspirierende Big 60 Trio das Herz eines jeden Texas-Bluesers und -Rockers höher schlagen lassen wird, entpuppen sich die „underwound“ Holy 50s und Vintage 75s als echte Leckerbissen für den 5-Sterne-Sound-Gourmet, der weniger Wert auf hohen Output legt, dafür aber eine ehrliche Umsetzung seines spielerischen Ausdrucks in Verbindung mit dem authentischen Strat-Ton der 50er- respektive der mittleren 70erJahre erwartet. Dabei versteht es sich natürlich von selbst, dass erst eine der Qualität der Pickups angemessene Gitarre zum erwarteten Aha-Erlebnis führt.