(Bild: Dieter Stork)
Alleine der Name des Herstellers dürfte Rockfans und Gitarristen gleichermaßen in Verzückung versetzen. Schließlich handelt es sich bei Maestro um eine der Firmen, ohne die sich die Geschichte der Rockmusik vielleicht anders entwickelt hätte. Fragt sich nun, was Gibsons Neuauflage dieser Marke im 21. Jahrhundert zu suchen hat.
Es gibt in der Welt der Effektpedale gewisse Hersteller, die einfach schon immer da waren, an denen aber der staubige Muff der Jahrzehnte irgendwie doch etwas haften geblieben ist. Gibson krempeln also die Ärmel hoch, um die Marke „Maestro“ unter ihrer Ägide mit ordentlich Schwung in die Gegenwart zu holen und dabei etwas aufzupeppen. Zu dem bereits bestehenden Portfolio, gesellen sich nun gleich fünf neue Pedale.
Wie man es von solch einem Giganten der Branche erwarten kann, greifen in diesem Fall das Produkt-Design, die Homepage sowie das Marketing nahtlos ineinander, was für einen eindrucksvollen Markenauftritt sorgt. Dabei könnte das Erbe, das es hier zu verwalten gilt, kaum schwerer wiegen: Jimi Hendrix, Pete Townshend, Keith Richards, George Harrison, Brian May, you name it … die Liste von Gitarristen, die mit Maestro über die Jahrzehnte in Verbindung standen, ist praktisch endlos. Umso interessanter zu hören, was die neuen Pedale zu bieten haben. Los geht’s.
FRISCH & BUNT
Alle unsere fünf Testgeräte sind im Grunde identisch aufgebaut – lediglich die farbliche Zusammenstellung variiert. Das Gehäuse besteht aus zwei ineinandergreifenden Teilen und bietet im Inneren Platz für eine große Platine. Leider zeigt sich diese nur von der Unterseite – einzelne Bauteile gibt es leider nicht zu sehen. Erfreulicherweise wurde eine kleine Halterung für eine 9V-Batterie verbaut, was vor allem Vintage-Puristen freuen dürfte.
Auf der Oberseite des angeschrägten Gehäuses, wurde eine Platte aus gebürstetem Aluminium angebracht, die wiederum farbig bedruckt wurde. Alle Testgeräte haben drei verschiedene Potis, einen Mini-Switch sowie einen Bypass-Schalter. Stirnseitig angebracht befinden sich die Anschlüsse für das Eingangs- und das Ausgangssignal sowie die Buchse für das Netzteil. Optisch orientieren sich die Maestro-Pedale klar an ihren historischen Urahnen aus den 60erund 70er-Jahren. Vor allem das ikonische Firmenlogo wurde hier hübsch umgesetzt: die Dreiecke in rot, grün und blau dienen gleichzeitig als Status-LEDs, was den Look der Pedale aufpeppt. Zusammen mit dem typischen 70er-Jahre-Design, dem alten Maestro-Schriftzug sowie den haptisch sehr hochwertigen und historisch akkuraten Potikappen, machen die Testgeräte richtig was her.
VINTAGESOUNDS
Arcas Comp Sustainer
Für den Test habe ich alle Pedale vor einem völlig clean eingestellten Verstärker geschlossen. Beginnen darf der Arcas Comp Sustainer, der bereits mit allen Reglern in der Mittelstellung seinem Namen alle Ehre macht: ein ganz normaler Barré-Akkord schwingt hier bereits gefühlt endlos lange und über alle Register gleichmäßig hörbar aus.
(Bild: Dieter Stork)
Ausgestattet mit den drei typischen Reglern für Sustain, Level und Attack sowie einem Hi/Lo-Switch (zuständig für die Empfindlichkeit des Attacks), gehört der Arcas Comp Sustainer zu den beherzt zu Werke gehenden Compressor-Pedalen. Will sagen: Der Effekt ist sofort deutlich hör- und fühlbar.
Bereits in der oben erwähnten Poti-Stellung bekommt man ein knackiges Attack, gepaart mit einer ordentlichen Portion Sustain. Je nach Stellung des Level-Reglers, lässt sich der Verstärker völlig problemlos in einen satt komprimierten Crunch-Sound treiben, der vor allem bei Singlenote-Linien richtig gut klingt. Egal ob nun leicht angedickte Clean-Sounds, John Frusciantes super komprimierter Sound der älteren Red-Hot-Chili-Peppers-Alben oder eine Verlängerung des Sustains für einen ohnehin schon verzerrten Grund-Sound – all diese Disziplinen meistert der Arcas Comp Sustainer meisterhaft. Lediglich bei sehr hoher Kompression und hohem Ausgangspegel ist ein Rauschen zu hören, was den Genuss ein wenig trübt.
(Bild: Dieter Stork)
Titan Boost
Als zweites darf der Titan Boost antreten, der interessanterweise im Zusammenspiel mit dem Arcas Comp Sustainer hervorragend klingt – mehr dazu später. Dieser recht simpel aufgebaute Clean Boost verfügt neben einem Level-Regler und einer Tone-Blende über einen zuschaltbaren High-Pass-Filter. Während der Boost-Effekt bei voll aufgedrehtem Tone-Poti vor allem für eine deutliche Zunahme der Verzerrung in der Vorstufe des Verstärker sorgt, lässt sich durch den schaltbaren HPF-Regler, der Bassbereich massiv ausdünnen, sodass eine Art klassischer Treblebooster-Sound entsteht, der einem unweigerlich Rock-Riffs der 70er in die Finger zwingt.
In Kombination mit dem Tone-Poti, lässt sich nun eine genaue Anpassung des Boost-Effekts an die jeweilige Gitarre oder die Spielweise vornehmen. Will man beispielsweise einen etwas dumpf klingenden Fingerpicking-Sound etwas verschlanken, so lässt sich mit dem Titan Boost ein erstaunlich drahtiger und „glasiger“ Ton erzielen, der dann zusammen mit dem Arcas Compressor ein sehr knackiges Attack und sehr viel Sustain entwickelt. Jeff Beck hätte hier seine helle Freude. Die Kombination des High-Pass-Filters und der Kompression macht es möglich, dass sogar richtig zackige Rocksounds ohne die Verwendung eines Picks möglich sind – hier erweisen sich die beiden Pedale als Dreamteam!
Envelope-Filter und Phaser auf Seite 2 …
(Bild: Dieter Stork)
Agena Envelope Filter
Wer gerne etwas Bewegung in seinen Gitarren-Sound bringen möchte, der könnte den Agena Envelope Filter in Betracht ziehen. Hier geht es vor allem um funkig-fette (Auto-)Wah-Sounds, deren Dynamik durch die Anschlagsstärke gesteuert wird. Regelbar ist der Filter durch die Potis Sense (bestimmt die Empfindlichkeit), Decay (regelt, wie lange der Filter geöffnet bleibt) und Attack (hier wird festgelegt, wie schnell sich der Filter öffnet). Zudem gibt es noch einen MiniSwitch, der bestimmt, ob der Filter eher in einem tiefen (Lo) oder einem höheren (Hi) Frequenzbereich arbeiten soll.
Im Grunde funktioniert dieses Pedal wie ein sehr gutes, dynamisches Auto-Wah. Wer keine Lust auf die große, schwere Fußwippe hat, könnte den Agena Envelope Filter ernsthaft in Betracht ziehen. Egal ob nun cleane funky Filter-Sounds (auch hier passt die Kombination mit dem Arcas Comp Sustainer wieder ausgesprochen gut) oder dreckige Wah-Wah-Sounds, um ein Solo anzudicken – der Envelope Filter zeigt sich von einer erstaunlich flexiblen Seite. Natürlich ist die Arbeitsweise dieses Pedals nicht mit den modernen, oft programmierbaren, digitalen Filterpedalen vergleichbar – ganz in der Tradition der Marke, geht es auch hier um die typischen Filter-Sounds der 70er-Jahre. Als sehr effizient erweist sich der Hi/Lo-Switch: je nach Anwendungsbereich und Gitarre, kann man zwischen dem etwas feingeistiger klingenden Hi-Setting, bei dem sich der Effekt vor allem in den oberen Mitten abspielt, und dem etwas dreckigeren Lo-Modus wählen. Letzterer hat deutlich vokalere Mitten, die vor allem in Kombination mit einem Overdrive-Pedal einen rotzigen Wah-Effekt produzieren.
(Bild: Dieter Stork)
Orbit Phaser
Für noch mehr Bewegung im Klangbild sorgt der Orbit Phaser – selbstverständlich mit orangenem Aufdruck auf der Gehäuseoberseite. Laut Hersteller nimmt dieses Pedal Bezug auf den historischen Maestro PS-1 Phase Shifter – ein sehr früher Vertreter seiner Zunft. Anders als sein Urvater ist der Orbit Phaser mit drei Potis anstatt der drei Kippschalter ausgestattet. Regelbar sind Width, Rate und Feedback. Der Mini-Switch bestimmt, ob das Gerät als Fourstage- oder als Sixstage-Phaser arbeitet, was einen ganz erheblichen Einfluss auf den Gesamt-Sound hat.
Bereits ohne dieses Feature entpuppt sich dieser Phaser als ziemlich vielseitiges Pedal. Das liegt zum einen an der breiten Range der Modulationsgeschwindigkeit, zum anderen am Feedback-Regler, der bestimmt, wie groß der Signalanteil ist, der zurück durch den Schaltkreis geführt wird. Das Voicing des Effekts verändert sich von einem dezent an der Oberfläche säuselnden Phaser bis hin zu einem tief modulierenden, fast Wah-Wah-artigen Sound. Besonders gut klingt der Orbit Phaser bei hohem Feedback-Anteil und schneller Modulationsgeschwindigkeit.
Hier entstehen tolle Robin-Trower-Sounds, die ein wenig an ein altes Uni-Vibe erinnern und sowohl clean als auch in Kombination mit einem Overdrive richtig gut klingen. Für etwas mehr Biss hat sich im Praxistest die Kombination mit dem Titan Boost als hervorragend erwiesen: Dank des High-Pass-Filters lässt sich der Phase-Effekt noch ein klein wenig mehr herauskitzeln und der Retro-Charme des Orbit Phasers noch etwas in den Vordergrund stellen. Während im Sixstage-Modus der Grund-Sound der Gitarre wenig angetastet wird, verschiebt sich das Mitten-Voicing im Fourstage-Mode doch sehr: Der Sound wird hier in den Mitten deutlich „hohler“ und auch in den Bässen dünnt sich der Ton etwas aus. Das ist jedoch keinesfalls schlecht – steht dieser Klang doch ganz in der Tradition alter Vintage-Schätzchen wie beispielsweise dem MXR Phase 90.
Tremolo und Resümee auf Seite 3 …
(Bild: Dieter Stork)
Mariner Tremolo
Last but not least kommen wir zum Mariner Tremolo: Auch hier ist es der Mini-Schalter, der einen ganz entscheidenden Unterschied macht. Doch der Reihe nach: Das mit den Reglern Depth, Speed und Wave (hier kann von einer sanften Welle bis hin zu einem harten Sägezahncharakter übergeblendet werden) ausgestattete Pedal, ist, ähnlich wie der Phaser, ein gleichermaßen simples wie vielseitiges Gerät, mit dem sich eine breite Palette verschiedener Tremolo-Sounds abdecken lässt.
Richtig praktikabel erweist sich das Wave-Poti, mit dem sich der Grundcharakter des Mariner Tremolos fundamental verändern lässt. Während am Linksanschlag des Reglers butterweiche Tremolo-Wellen zu hören sind, wird der Effekt beim Aufdrehen des Potis immer härter, bis schließlich ganz rechts ein harter Sägezahneffekt zu hören ist, der das Signal in gewünschter Geschwindigkeit zerhackt. Während im Classic-Modus ein völlig klangneutraler Effekt zu hören ist, kommt in der „Harmonic“- Stellung des Mini-Schalters eine gewaltige Portion Mojo ins Spiel.
Der Effekt erhält hier ein samtiges Schimmern mit einer minimalen Modulation der Tonhöhe, was dem Sound eine größere Tiefe gibt und den Tremolo-Effekt plastischer erscheinen lässt. Auch hier ist es wieder die Kombination mit dem Arcas Compressor, welche das Bild perfekt macht. Zusammen liefern die beiden Testpedale unheimlich satte und harmonisch klingende Sounds, wie man sie sonst nur von alten (und gut erhaltenen) Fender-Verstärkern kennt.
RESÜMEE
Selbstverständlich läuten Gibson mit dem Maestro-Label nun nicht gerade die Neuerfindung des Effektpedals ein. Man könnte sogar die Frage stellen, ob die Welt wirklich auf noch eine Reihe Vintage-Effektpedale gewartet hat. Also doch nur öde Nachlassverwaltung eines längst in die Jahre gekommenen Erbes, von dem der Lack dann doch ein wenig ab ist? Nein! Gibson haben es vielmehr geschafft, die historische Bedeutung von Maestro so zu übernehmen, dass sie im Jahre 2022 noch immer eine Rolle spielt. Alle fünf Testgeräte konnten in ihrer Machart und dank toller Retro-Sounds voll überzeugen. Mal ehrlich: Wer will denn von einer Marke wie Maestro wirklich neuartige, innovative Pedale hören? Richtig, niemand! Hier werden ganz klar Vintage-Fans angesprochen, die hier simple aber wirklich gut klingende Effektpedale in hoher Qualität und mit tollem Vintage-Look geboten bekommen. Vor allem der Titan Boost, der Agena Envelope Filter sowie der Arcas Comp Sustainer seien hier besonders positiv erwähnt. Freunden der Marke sowie Retrorock-Fans im Allgemeinen, kann ich hier bedenkenlos zum Antesten raten!
PLUS
- Konzept
- Optik
- authentische Vintage-Sounds
- Verarbeitung
- vielseitige Möglichkeiten
- intuitive Bedienelemente
MINUS
- leichtes Rauschen des Arcas Compressors
(erschienen in Gitarre & Bass 01/2023)