(Bild: Dieter Stork)
Wie schon bei Kraftfahrzeugen von BMW, Mercedes und Co. sind Hybridbauweisen auch bei E-Gitarren-Verstärkern zum gängigen, modernen Standard bei den neu entwickelten Produkten geworden, und ultraleichte Class-D-Endstufen, kombiniert mit den unterschiedlichsten Vorstufentypen, liegen derzeit voll im Trend.
Der Hersteller Baroni aus Italien zielt mit den hauseigenen Produkten schon länger auf diesen derzeit stark von verschiedensten Herstellern, wie zum Beispiel BluGuitar, Hughes & Kettner Blackstar oder auch Kemper umkämpften Gitarrenverstärker-Bereich ab. Schon der Baroni DLA 120 konnte im Test (Ausgabe 08/2022) durch seinen druckvollen Clean-Kanal überzeugen, und nun liegt uns der AFK150-Hybridverstärker zum Test vor den Füßen.
TECHNIK
Um einen „echten“ Amp für das Pedalboard soll es sich beim AFK150 handeln – mit richtiger Röhrenvorstufe, mitsamt Fender-Blackface-Clean-Kanal und britischem Crunch-Kanal, einem seriellen oder wahlweise parallelen Einschleifweg, DI-Out mit oder ohne Cabinet-Simulation und satten 150 Watt Endstufenleistung an 4 Ohm, immerhin 75 Watt an 8 Ohm oder etwas knappen 40 Watt an 16 Ohm. Eine echte Röhrenvorstufe? Das klingt spannend. Tatsächlich leuchtet eine ECC81 dezent aus dem Inneren des Amps.
Sofern man im Internet Informationen über den AFK150 recherchiert, wird man übrigens hier und da auch von einer ECC82 in der Vorstufe des AFK150 lesen. Da scheint sich der Fehlerteufel im Manual von Foxgear eingeschlichen zu haben, in unserem Testgerät befindet sich jedenfalls definitiv eine Psvane ECC81, und die ergibt in dem Schaltkreis absolut Sinn, wie wir später noch feststellen werden. Nur so richtig hell wird diese Röhre im Betrieb nicht, das liegt nicht zuletzt auch am Röhrentyp – ECC81 leuchten oftmals weniger aufdringlich als die bei Vollröhrenverstärkern häufiger verwendeten ECC83-Typen. Daher hilft Baroni mit einer stilvollen Unterbodenbeleuchtung mit blauer LED im Röhrensockel etwas nach.
Auch die beiden unabhängigen Drei-Band-Equalizer der beiden Kanäle leuchten in blau oder orange auf, nachdem man den AFK150 aus dem Standbybetrieb genommen hat und entweder den blauen Clean-Kanal oder den orange leuchtenden Overdrive-Kanal mit dem Kanalwahlschalter per Fußtritt ausgewählt hat. Einen An-/Ausschalter haben sich die Italiener übrigens gespart, aber das dürfte mit dem, mit 100 bis 240 Volt bei 50 bis 60 Hertz betreibbaren Schaltnetzteil in der Praxis kein Problem sein.
Bei der Ausstattung der Kanäle gibt es keine nennenswerten Innovationen zu vermelden. Der Baroni hat je einen Gain-, Level-, Treble-, Middle- und Bass-Regler pro Kanal. Beide Kanäle teilen sich ein Master-Volume und ein Presence-Poti. Zudem befinden sich frontseitig noch drei Kippschalter zwischen den beiden Equalizern. Der linke ist ein Groundlift-Schalter, der mittlere dient zum Aktivieren und Deaktivieren der Cabinet-Simulation am Line Out und der rechte der drei Schalter stellt den Einschleifweg des AFK150 entweder seriell oder parallel zur Verfügung.
(Bild: Dieter Stork)
Auf der Stirnseite befinden sich der Anschluss für das Kaltgerätekabel, eine Buchse für einen externen Fußschalter zur Kanalumschaltung – sofern man den AFK150 nicht auf dem Board befestigen, sondern auf dem Cabinet ablegen möchte – und die Klinkenbuchsen für den Instrumenteneingang. Außerdem sitzen hier Send und Return des Einschleifwegs, sowie die Line-Out-Buchse und gleich zwei Lautsprecheranschlüsse für 4 bis 16 oder 8 bis 16 Ohm Primärimpedanz der verbundenen Boxen.
Im Lieferumfang befinden sich neben dem Kaltgerätekabel zudem zwei hölzerne Seitenpanels, die mit jeweils zwei Schrauben an das Gehäuse montiert werden können und den AFK150 in einem etwas bequemeren Winkel zum Fuß auf dem flachen Boden stützen, sofern man den Verstärker nicht auf ein abgeschrägtes Pedalboard montieren möchte. Der gediegene Holz-Look kommt richtig gut und erinnert etwas an Moog Synthesizer und diverse Studioprodukte.
Sounds, Alternativen & Resümee auf Seite 2 …
(Bild: Dieter Stork)
SOUNDS
Der Baroni AFK150 orientiert sich nicht nur vom Look an dem bereits etablierten Gurus Doubledecker MkII Preamp aus gleichem Haus, der ebenfalls von Foxgear Distribution in China produziert wird. Der Overdrive-Kanal entspricht nahezu eins zu eins dem Crunch-Kanal des Doubledeckers im Normal-Modus. Beide Produkte sollen laut Herstellerangaben und Werbetexten einen Britischen Crunch bis Overdrive abliefern und tatsächlich verhält sich der AFK150 in dieser Disziplin sehr ähnlich wie ein Marshall 1987 50 Watt Plexi späterer Baureihen. Allerdings hat der Baroni, und das dürfte der Endstufenbeschaltung geschuldet sein, etwas weniger Kompetenz und Kraft in den für 68/69er Marshall Plexi- und JTM-Fans so wichtigen Tiefmitten und erinnert sowohl mit Singlecoils, als auch mit Humbuckern gespielt, etwas an die Marshall Advanced Valvestate Sounds der frühen Zweitausender, nur dass sich der AFK150 erheblich dynamischer, konturreicher und dabei nebengeräuschärmer zeigt.
Auch der Clean-Kanal des AFK150 klingt richtig gut und keineswegs unterkühlt oder gar steril. Hier federt alles angenehm und die klanglichen Kanten wurden geschliffen. Das Ergebnis ist ein „Weichzeichner 65 Deluxe Sound“, der durchaus charmant ist und darüber hinwegtäuschen kann, dass hier keine Röhrenendstufe am Klangdesign beteiligt ist. So baut man also heutzutage Hybrid-Amps. Das ist beeindruckend!
Das positive Bild setzt sich auch beim DI Out fort, denn die Cabinet Simulation des Baroni klingt schlüssig und es fällt mir schwer, bei ausgeschalteter Simulation, eine Impulsantwort im Rechner zu finden, die objektiv besser klingt.
Einzig der Einschleifweg des AFK150 hat einen kleinen Konstruktionsfehler, denn hier fällt auf, dass die Send-Buchse auch als Return auf die Endstufe wirkt, sofern dort fälschlicherweise ein Signal anliegt. Das könnte im Bühnenalltag eine fiese Fehlerquelle sein, wenn man nicht genau beim Verkabeln des Effektloops aufpasst.
ALTERNATIVEN
Der BluGuitar Amp1 Mercury Edition ist eine sehr naheliegende Alternative zum Baroni AFK150. Der Amp1 Mercury kostet zwar derzeit etwa 200 Euro mehr als der AFK150, liefert aber eine breitere Palette an Sounds, einen jeweils fußschaltbaren Hall und Gain-Booster, sowie ein sehr amtlich funktionierendes Noise Gate für die Crunch- und Overdrive-Kanäle. Im direkten Vergleich klingt der Amp1 Mercury Edition etwas kerniger in den tiefen Mitten und aggressiver in den oberen Mitten.
Weiterhin bietet die Firma Milkman mit dem The Amp 100 und dem The Amp 50 gleich zwei Alternativen zum Baroni, die interessant sein können, sofern man eine Clean-Kanal-Plattform für ein Pedalboard sucht oder einfach total auf Fender-Princeton- oder 65-Deluxe-Sounds steht und gar nicht so sehr der typische Marshall-Sound gefragt ist.
RESÜMEE
Der Baroni AFK150 ist ein beeindruckender Gitarrenverstärker. In der Preisklasse unter 600 Euro gibt es derzeit kein mir bekanntes Produkt, das ähnlich gutmütig klingt und so viel Spielspaß garantiert, wie dieser kleine und leichte Italiener. Lediglich bei dem etwas lapidar konstruierten Einschleifweg mit seinem Bauteilübersprechen auf der Send-Buchse und der etwas knapp bemessenen Endstufenleistung von nur 40 Watt an 16 Ohm kann man überhaupt kleinere Unzulänglichkeiten erkennen, und das ist wirklich Meckern auf hohem Niveau.
Wer auf der Suche nach einem richtig guten, modernen Verstärker mit klassischen Sounds für sein Pedalboard ist, kommt nicht daran vorbei, den AFK150 zumindest auszuprobieren – und auch der Schreiber dieser Zeilen überlegt bereits angestrengt, wie er das Testmuster unauffällig verschwinden lassen kann.
PLUS
- klein und leicht
- glaubwürdiger Marshall-1987-Sound
- angenehmer Fender-Style-Clean-Sound
- Cabinet-Simulation
MINUS
- Leistung an 16 Ohm
- Übersprechen im FX-Loop
(erschienen in Gitarre & Bass 02/2023)