(Bild: Matthias Mineur)
In der deutschen Rock- und Metal-Szene genießt der Nürnberger Gitarrist und Sänger Oliver Hartmann einen exzellenten Ruf. Als Frontmann der Hardrock-Band At Vance (mit dem großartigen Leadgitarristen Olaf Lenk), mit der er zwischen 1999 und 2002 vier Alben aufgenommen hat, startete Hartmann eine internationale Karriere, die mittlerweile zahlreiche Beteiligungen und Tourneen für so prominente Bands/Projekte wie Avantasia, Hammerfall, Helloween, Edguy oder Rhapsody ziert.
Auch unter eigenem (Band-) Namen Hartmann ist der 52-Jährige seit vielen Jahren aktiv, produzierte und veröffentlichte mit der Gruppe mehrere Scheiben – zuletzt kam im September 2022 das Album ‚Get Over It‘ auf den Markt – und schloss sich im Sommer 2012 erstmals dem mit internationalen Gästen prominent besetzten Orchester-Projekt ‚Rock Meets Classic‘ an. Zu seinen aktuellen und seit Jahren sehr erfolgreichen Aktivitäten gehört zudem die Pink-Floyd-Tribute-Band Echoes, mit der Hartmann regelmäßig tourt.
Oliver, würdest du dich angesichts deiner heutigen Vorlieben als typischer Les-Paul-Spieler bezeichnen?
Sagen wir es mal so: Ich bin 1970 geboren und dadurch natürlich mit Strat-Gitarristen wie Yngwie Malmsteen oder Tony MacAlpine aufgewachsen. Deswegen war meine erste Wahl als junger Musiker die sogenannte Superstrat, also mit Humbucker und Floyd-Rose-System. Aber in den letzten Jahren bin ich immer stärker zum Les-Paul-Spieler geworden, da die Short-Scale-Mensuren für mich besser geeignet sind und ich auch die Kombination aus Mahagoni mit Ahorndecke sehr mag. Im Studio, ebenso wie bei meiner Pink-Floyd-Tribute-Band sind es natürlich auch Strats, mitunter sogar Teles.
Wie muss eine Gitarre beschaffen sein, damit du dich mit ihr wohlfühlst?
Die Ergonomie spielt natürlich eine große Rolle. Wobei: Zu bequem darf es auch nicht sein, denn dann verliert es für mich an Reiz. Ich erinnere mich noch gut daran, dass mir Joe Knaggs von Knaggs Guitar, als er noch für PRS arbeitete, mal eine an sich sehr schöne Gitarre gebaut hat, die mir dann auf Dauer aber doch zu nett war. Ich stehe hauptsächlich auf gute Allround-Gitarren.
Welche Pickups bevorzugst du generell? Und lieber passiv als aktiv?
Generell bin ich ein Vintage-Freund und mag deshalb PAF-Sounds. Derzeit bin ich mit den Tonabnehmern von Häussel sehr glücklich. Aktive Tonabnehmer findet man bei mir derzeit nicht. Natürlich haben damals die 81er EMGs mächtig geknallt, vor allem im Bassbereich sind mir ihre Stärken sehr wohl bewusst. Aber insgesamt klingen mir aktive Pickups zu kalt, ich bevorzuge eher warme PAF-Sounds in Verbindung mit einem Marshall Plexi oder einem JCM 800.
TOP GEAR CHECK
Nach unserem kurzen, aber sehr interessanten Interview hat Oliver dann auch noch seine Empfehlungen für unsere ‚Top Gear Check‘-Serie ausgesprochen:
„Fangen wir ganz vorne an, bei meinem BluGuitar Amp1 Mercury. Ich kenne Thomas Blug schon seit vielen Jahren und ich liebe den Amp1 schon seit der ersten Generation, weil er mir einfach alle Sounds und Features bietet, die ich für Liveshows benötige. Und dies im handlichen Pedalboard-Format mit gerade mal zwei Kilo, was ihn für Touren, Reisen und Flugshows optimal macht, ohne dass Equipment angemietet werden muss.
Lediglich bei meiner Pink-Floyd-Tribute-Band Echoes kommt, wie gerade erwähnt, noch ein toll klingender Mesa/Boogie Electra Dyne mit einem 4×12 Recto Cab zum Einsatz, den ich dort schon seit Jahren spiele. Aber auch da will ich in Kürze auf ein kleineres Setup umstellen.
Aktuell habe ich für Hartmann sowie für die derzeit laufende Tour mit Avantasia den Amp1 als Mercury-Edition auf dem Board. Allerdings hat mir Thomas auf meinen Wunsch hin ein paar Dinge leicht modifiziert. Der Boost ist hier etwas engbandiger, ähnlich wie bei seiner Iridium-Edition, was für mich und meine Solo-Sounds besser funktioniert. Der Clean-Channel hat zusätzlich ein Bright-Cap, das ihn etwas höhenreicher und „kalifornischer“ macht. Als Freund klassischer Marshall-Sounds ist bei mir fast immer der Classic- oder der Vintage-Channel im Einsatz.
Zu den Effekten: Wie erwähnt habe ich im Laufe der Jahre den Einsatz von Effektpedals stark reduziert. Einfach aufgrund der Tatsache, dass ich mich als Sänger auch darauf konzentrieren muss zu singen und kein „Raumschiff“ vor mir brauche, bei dem ich in fünfzig Prozent aller Fälle danebentrete. Im Moment habe ich als Delay ein gut klingendes Halo von Keeley in der Effektschleife, je nach Einsatzgebiet auch manchmal ein Reptile von T-Rex oder das neue Replica, sowie einen billigen, aber guten 5-Band-EQ im Miniformat von Harley Benton, der neben einem recht selten zu findenden 600Hz-Regler auch einen Volume-Regler besitzt, mit dem ich für Soli auch parallel die Lautstärke anheben kann.
Das Wah-Pedal ist ebenfalls von T-Rex, das mir der Chef Lars Dahl auch leicht modifiziert hat. Als zusätzlichen Booster beziehungsweise Verzerrer benutze ich schon seit Jahren einen Mesa/Boogie Tone Burst, der neben einem Bass- und Treble-Regler für die Boost-Sektion zusätzlich eine Drive-Stufe hat, die sehr subtil Verzerrung und Sustain hinzufügt, ohne den Sound allzu sehr zu verändern.
Ansonsten ist aktuell noch ein Phase 95 von MXR am Start, das meiner Meinung nach sehr gut klingt. Am Anfang der Signalkette ist noch ein Buffer, um eventuell längere Kabelwege und generelle Soundverluste bei Pedalen ohne True-Bypass auszugleichen. Als Sender für kleinere Shows benutze ich ein Shure GLX, der seit Jahren sehr gut und zuverlässig funktioniert.
Als Speaker-Simulator benutze ich meist ein OX von Universal Audio, der einer gut abgenommen richtigen Box sehr, sehr nahekommt. Wenn es auf Tour mal etwas kleiner, leichter und platzsparender sein muss, nehme ich den C.A.B. von Two Notes, der ebenfalls sehr gut funktioniert. Kommen wir – last but not least – zu meinen Gitarren.
Mein Hauptinstrument im Livebetrieb ist eine FGN LS20, ein Signature-Modell, das mir FGN vor einigen Jahren gebaut hat. Die Gitarre ist bestückt mit zwei Seymour-Duncan-SH-18-Pickups, die über einen Push-Push-Tonepoti auch splitbar sind. Ich bin seit mittlerweile zwölf Jahren FGN-Endorser und mehr als happy mit ihren Gitarren. Auch weil sie neben einer sehr hohen Fertigungsqualität immer ein offenes Ohr für Wünsche und Bedürfnisse haben.
Aktuell ist auch ein neues Signature-Modell in Arbeit, das sich an ihrer Expert-Flame-Serie orientiert und hoffentlich in den nächsten Monaten auf den Markt kommt. Meine schwarze FGN ist ein Prototyp, an dem ich seit einer Weile immer wieder in Sachen Hardware und Pickups herumbastele. Sie muss zwar am Ende in allererster Linie für mich gut funktionieren, soll aber natürlich gleichzeitig auch eine gute Allround-Gitarre für möglichst viele Gitarristen werden, egal ob im Studio- oder Livebereich. Diese ist – neben einer weiteren Expert Flame – auch meine Hauptgitarre auf der aktuellen Avantasia-Tour.
Im Studio habe ich übrigens oft für Soli noch eine 2012er Gibson R7 Custom Shop mit Burstbuckern im Einsatz, die sehr leicht und super resonant ist und diese typisch süßlichen Höhen und den Schmatz einer guten alten Les Paul hat. Genauso wie meine Tandler Beauty, bestückt mit Häussel-1959-PAFs, die mir Jörg Tandler vor vielen Jahren gebaut hat. Wir kennen uns witzigerweise seit unserer Kindheit, sind im selben Ort aufgewachsen, und er gehört wirklich zu den weltweit besten Gitarrenherstellern, die ich kenne, speziell für Vintage-Repliken.“
(Story: Matthias Mineur)