In Greven bei Münster, in einem stillgelegten Badehaus einer herrschaftlichen Biederlackvilla, hat sich Multitalent Michael Voss das ‚Kidpool Studio‘ eingerichtet, den Nachfolger seines bei einem Brand zerstörten ‚Kidroom Studios‘. Hier residiert der Gitarrist, Sänger, Komponist und Produzent seit fünf Jahren mit steigendem Bekanntheitsgrad.
Sein aktueller und zugleich auch prominentester Kunde ist Ausnahmegitarrist Michael Schenker. Anlässlich einer Listening-Session zu dessen neuen Album ‚Revelation‘ (mehr dazu in einer unserer kommenden Ausgaben) haben wir Voss in seinem hochtechnisierten „Schwimmbad“ besucht und ihn zu seiner Karriere befragt.
Michael, wie hat alles angefangen, deine Liebe zur Musik, deine ersten Gehversuche, die ersten Konzerte?
Ich werde in diesem Jahr 54 und habe im Alter von 14 Jahren angefangen, Gitarre zu spielen.
Was war deine allererste Gitarre?
Meine Tante hatte mir eine Akustikklampfe geschenkt, mit der ich allerdings nicht allzu viel anfangen konnte. Dann kam meine BRAVO-Zeit, in der ich Bands wie The Sweet, Gary Glitter oder Slade entdeckte und total drauf abfuhr. Daraufhin habe ich mir 1978 eine E-Gitarre gewünscht, und zwar eine weiße Framus Stratocaster. Die hat mir der jetzige Manager von Mickie Krause damals in einem Instrumentenshop der Stadt für 330 DM verkauft. Meine erste wirklich wertige Gitarre, eine schwarze Jackson, habe ich mir erst zugelegt, als ich 1986 nach Florida geflogen bin, um eine Scheibe meiner Band Mad Max zu mastern. Irgendwann eröffnete hier in der Nähe der erste ESP-Laden, sodass ich anschließend auch zwei oder drei ESP-Modelle gespielt habe.
Wie sah dein allererste Amp aus?
Ich habe ganz klein angefangen: Mein erster Verstärker war ein Marlboro, ich glaube, die Firma gibt es heutzutage gar nicht mehr. Der Amp hatte nur einen Kanal, also musste man ihn eigentlich voll aufdrehen, damit er eine einigermaßen brauchbare Verzerrung hatte. Das habe ich nicht gemacht, sondern mir die Zerre aus dem Mikrofon-Klinkeneingang eines Kassettenrekorders geholt, den ich einfach voll aufgedreht habe.
Von Mad Max bis zu deiner heutigen Produzententätigkeit war kein allzu großer Schritt, oder?
Ja und nein. Nach drei Alben mit Mad Max ging es einfach nicht mehr weiter. 1987 habe ich mit Michael Eurich und Niko Arvanidis von der Band Warlock ein paar Songs geschrieben, bekam dann aber einen Anruf von Angel Schleifer, der mich zu Bonfire holte. Nach zwei Jahren und zwei großen Bonfire-Tourneen haben Eurich und ich dann unter dem Bandnamen Casanova bei Warner Brothers unterschrieben. Doch dann kam der Grunge, und damit war meine Hardrock-Karriere bereits mit 27 wieder zu Ende. Deshalb habe ich mithilfe meiner Eltern einen Kredit aufgenommen und mit dem Produzieren begonnen.
Vorher bin ich für einige Zeit nach Hamburg gegangen, um von Andreas Bruhn, den man von Sisters Of Mercy kennt, dieses Geschäft zu lernen, mit Samplern, ADATs und all dem Zeugs, das damals neuester Stand der Studiotechnik war. 1996 bin ich wieder zurück nach Greven, habe mir mein eigenes Studio eingerichtet und als erstes ein Comeback-Album von Mad Max produziert.
Klingt nach einem reibungslosen Übergang!
Das Gegenteil ist der Fall. Es war sehr mühsam, die wichtigen Kontakte aufzubauen. Doch seit einigen Jahren wird es besser, unter anderem auch durch die nun schon seit zehn Jahren existierende Zusammenarbeit mit Michael Schenker. Angefangen hat es mit einer Produktion von Gary Barden, einem von Michaels Sängern, und der Möglichkeit, ein Studio von Steffi Stephan zu übernehmen …
… dem Bassisten von Udo Lindenbergs Panikorchester.
Exakt. Das Studio war im Gebäude des Münsteraner Live-Clubs Jovel, in dem unten immer die Konzerte mitgeschnitten wurden. Unter anderem habe ich das letzte Konzert von Robert Palmer aufgenommen, aber auch mit Rosenstolz und mit Steffi selbst gearbeitet. Steffi ist einer der besten Bassisten, die ich kenne, ein musikalisches Genie und ein absolut liebenswerter Kollege. Sein Studio war allerdings auf lange Sicht zu groß, deshalb habe ich mir meine eigenen Räumlichkeiten eingerichtet und mich selbständig gemacht.
Ist die Zusammenarbeit mit Michael Schenker der vorläufige Höhepunkt deiner Tätigkeit als Studiobetreiber und Produzent?
Ja, ohne Wenn und Aber. Übrigens auch, weil ich seit ‚Into The Arena‘ ein riesiger Schenker-Fan bin. Wie schon erwähnt, habe ich eine Handvoll Alben mit Gary Barden produziert, unter anderem das Barden/Schenker-Werk ‚Lady Gipsy‘ mit Songs von Michael. Und so stand eines Tages auch er in meinem Studio. Damit fing alles an.
Bei der nächsten Scheibe kam Michael zu mir, hatte aber gerade keinen Sänger. Deshalb habe ich ihm die Songs Demo-mäßig eingesungen. Das gefiel Michael so gut, dass wir meinen Gesang auf dem Album draufgelassen haben. Für mich wurde natürlich ein Traum wahr, mit meinem Lieblingsgitarristen kooperieren zu dürfen. Und jetzt, nach zehn Jahren Zusammenarbeit, muss ja offenbar etwas dabei herausgekommen sein, wovon beide Seiten profitiert haben.
Hast du eine Erklärung dafür, weshalb ihr beide so gut miteinander harmonisiert?
Ich denke, dass ich aus Menschen, die mir freundlich entgegentreten, sehr viel herausholen kann. Ich habe eine Idee, eine Vision, und die kann ich auf mein Gegenüber projizieren. Ich habe gelernt, dass man Menschen, die dir nicht freundlich entgegentreten, niemals davon überzeugen kann, dich nett zu finden. Entweder die Chemie stimmt und man bekommt etwas zurück, oder eben nicht.
Michael Schenker bekommt etwas zurück, nämlich fertige Songs, die aus seinen nur rudimentären Ideen entstehen, oder?
Richtig. Michael kommt mit einem Demo an, auf dem nur ein Clicktrack und seine Gitarre zu hören sind. Und dann fangen wir beide an, daraus Songs zu basteln. Wir nehmen die Rhythmusgitarre so gut auf, dass wir sie nicht wieder austauschen müssen, programmieren dazu das Schlagzeug, ich spiele einen Bass drauf, und dann schicken wir es zu den Schlagzeugern und Sängern des Michael Schenker Fest, die das Material komplettieren. So entsteht Stück für Stück, bis die neue Scheibe fertig ist.
Danke für das Interview und weiterhin viel Erfolg!
Vossis Top Gear
Zum Schluss hier noch eine Auswahl an Equipment, das Michael Voss seit Jahren nutzt und das er allen Sound- und Studiotüftlern wärmsten ans Herz legen möchte:
„Da wären zunächst einmal KRK-V6-Speaker, die in ihrem Preis-/Leistungsverhältnis einfach unschlagbar sind. Auf denen kann ich im Studio perfekt abhören. Außerdem haben sie genug Power, um die Wände wackeln zu lassen.
Ebenso empfehlenswert ist das Universal Apollo UAD Audiointerface, eine latenzfreie Digitale Audio Workstation mit fantastischem Klang und top-modeled Plug-Ins und Sounds.
Kommen wir als nächstes zum EMI TG-2, einem vorzüglichen Röhren-Preamp aus den legendären Londoner Abbey Road Studios, den ich speziell für Gitarrenklänge einsetze.
Ebenso bewährt und wichtig für mich: Der Tube-Pre-Amplifier und Optical-Compressor Universal UA LA-610 MkII. Bei mir laufen sämtliche Gesangsaufnahmen, oder besser gesagt: Mikrofonaufnahmen, durch dieses Hammerteil.
Kommen wir zu den von mir seit Jahren bevorzugten Gitarren. Ich liebe die Modelle von Knaggs Guitars. Firmeninhaber Joe Knaggs und sein wichtigster Mitarbeiter Peter Wolf sind ein unschlagbares Team und unterstützen mich mit ihren Instrumenten, sowohl auf der Bühne als auch im Studio.
Dazu passend empfehle ich als Amp den Randall T2. Seine Stärken: glasklare cleane Sounds und brettharte Metal-Verzerrung, und das alles auch noch programmierbar.
Ähnliches lässt sich über den Toontrack Superior Drummer 3 sagen, ein virtuelles Drum-Production-Studio, das ich seit Jahren verwende und dadurch über ein großes Angebot an tollen MIDI-Files verfüge.
Und last but not least: das Torpedo Reload, ein einzigartiger Power Soak, mit dem ich meine Amps zähme, wenn die Gitarren zu laut werden. Das alles ohne Soundverlust und dazu noch mit der Möglichkeit, eine Mischung aus modern und vintage zu bekommen. Einfach hervorragend. Zudem kann man noch ein trockenes Signal simultan fürs Re-amping mit aufnehmen. Exzellent!“