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TopGearCheck! mit Matthias Krämer (Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld)

(Bild: Simon von der Gathen)

Der 1983 in der Nähe Dortmunds geborene Gitarrist Matthias Krämer ist Mitglied des Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld im ZDF Magazin Royale (vorher Neo Magazin Royale) mit Moderator Jan Böhmermann. Im Kosmos der Sendung ist er gelegentlich auch Komponist, Arrangeur und Sound-Designer. Außerdem spielt Krämer Gitarre und Synthesizer bei der Elektro-Punk-Band Kochkraft durch KMA.

Den Death Metal und Punk, mit dem er ganz früher mal sozialisiert wurde, hat er nach eigenen Angaben zwar im Herzen bewahrt, heute inspirieren ihn jedoch eher Musiker wie John Scofield, Afie Jurvanen aka. Bahamas, Nile Rodgers, Tom Misch, Julian Lage oder Dave Biller.

RUNDFUNK-TANZORCHESTER EHRENFELD

Zu seiner Rolle im Rundfunk-Tanzorchester sagt Krämer: „Unser musikalischer Leiter Lorenz Rhode kommt stilistisch aus einer 70er/80er-Synth-Funk-Richtung und operiert in den Demos seiner Arrangement-Ideen oft mit einem ganz bestimmten Gitarrensound, einem ganz bestimmten Sample, keine Ahnung, woher er es hat, irgendein Chaka-Khan-Track vielleicht. Ich frage ihn extra nicht, um den Zauber nicht zu zerstören.

Es ist der härteste Single-Note-Strat-Draht, den man sich vorstellen kann, im Demo oft auf Tasten in markantem Keyboardvirtuosen-Style eingespielt. Ich mag das total, ein Gitarrenklischee, irgendwie durch den Wolf gedreht, so dass man es auf einer echten Gitarre neu erfühlen muss, spielerisch wie klanglich. Zu hören ist das Ganze zum Beispiel im Hauptteil des Titelstücks beim Vor- und Abspann des ZDF Magazin Royale, immer das 16tel-Ostinato ab der „eins-und“.

Das Setup zum „Strat-Draht-Sound“ (Bild: Matthias Krämer)

Das Setup dazu: Meine 2010er American Standard Strat, die eigentlich furchtbar langweilig ist, aber genau für diesen einen Sound von mir gesucht und in einem Second-Hand-Laden gefunden wurde. Die regulären PUs habe ich gegen BillLawrence-L200-Singlecoils an Hals und Mitte sowie einen schmalen L45-SHumbucker an der Bridge ausgetauscht. Der gesuchte Sound entsteht in der vierten Pickup-Position, also Hals plus Mitte.

Die Saiten dazu sind beschichtete 10er mit dicker E-Saite, meist Elixir, zuletzt öfter Ernie Ball. Ich habe gelesen, dass beschichtete Saiten ökologisch ziemlich problematisch sind, deshalb muss ich vielleicht schweren Herzens doch wieder zurück zu unbeschichteten.

Wichtig ist auch das Plektrum, woraus ich eine ziemliche Wissenschaft gemacht habe und definitiv immer bei steinharten Picks gelandet bin: Dunlop Jazztone 208, manchmal Pick Boy Carbon Nylon.

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Auf einem Resteposten einer Musikladenkasse habe ich mal beiläufig Chicken Picks entdeckt, aus weißem, sehr leichtem aber dennoch hartem Kunststoff. Ich nehme immer die dünnsten, so genannte „light“, was aber in die Irre führt, denn sie sind saftige 2,2 mm dick. Name und Artwork sind also ein bisschen albern, ebenso die Tatsache, dass jedes Pick einzeln in Plaste verpackt ist. Aber ich liebe die Dinger, man kann mit ihnen den Ton fantastisch in jede Richtung formen, für warme Jazz-Lines, Powerchords und eben den hier gefragten Draht. Chicken Picks sind nicht ganz billig, dafür halten sie ewig und man passt besser darauf auf, wenn man weiß, dass ein Pick acht Euro kostet.

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Wichtig für den Draht-Sound sind auch ein Xotic EP Booster – immer an, Poti ganz runtergedreht, die Höhenanhebung per Dipswitch innendrin an – und dahinter ein Keeley C4 Compressor, der wieder etwas Ton und Körper in den Sound zurückholt und sehr musikalisch mit den Transienten umgeht.

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Je nach Stimmung verpasse ich dem Sound mit dem oft unterschätzten Detune eines Digitech Whammy oder dem günstigen, aber schicken Afterglow Chorus von TC Electronic manchmal einen schaurig-schönen Fusion-Touch.

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Am Ende der Kette sitzt ein alter, verbeulter Keeley Time Machine Boost, der als Buffer einen nicht zu verkennenden Unterschied macht. Das Ganze geht in einen Vox AC15 HW, vor dem ein Shure SM57 und ein Beyerdynamic-M160-Bändchenmikro stehen, so dass sich unser Mischer aussuchen kann, was er gerade braucht.

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Wenn es nach Gitarre und nicht nur nach Draht klingen soll, nehme ich die sagenhafte PJD Guitars Carey aus Mahagoni mit Bare-Knuckle-Humbucker, quasi als Komplementärgitarre zur Strat. Die PJD Carey hat nicht den kompromisslosen Knack der Strat, aber dafür Universen an Ton, Dynamik und Leben. Da wir ja stilistisch viel Verschiedenes bedienen müssen, reicht die Zerr-Auswahl – von mild nach schlimm – von einem selbstgelöteten OCD-Klon über Friedman BE-OD, KMA Audio Machines Fuzzly Bear bis zum Boss DS-1.

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Von fest zusammengebauten Pedalboards habe ich mich grundsätzlich verabschiedet, stattdessen erschaffe ich von Anlass zu Anlass neue Signalketten. Akustisch schwöre ich bei Stahlsaiten auf meine putzige kleine Furch OM-SR, die vor allem bei Fingerstyle-Sachen regelrecht zu Tränen rühren kann und deren L.R.-Baggs-M1A-Pickup alle mir bekannten Piezo-Pickups weit hinter sich lässt.“

KOCHKRAFT DURCH KMA

Neben dem Engagement im Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld spielt Matthias auch in der Band Kochkraft durch KMA. Dies sei, so erklärt er, „ein ganz anderer Schnack. Hier besteht der Grundsound aus einem meist bitterbösen Synth-Bass in der Mitte und einer Stereo-Gitarre auf den Außenpositionen. Das Tuning ist zwar tief und die Gangart zuweilen hart, trotzdem hat das Ganze nur wenig mit echtem Heavy-Sound zu tun, sondern geht vielmehr in die Indie-Richtung, ein bisschen verschroben, ein bisschen kaputt, im Zweifel lieber zu speziell als zu traditionell, und stets ohne die Pommesgabel im Geiste.

PJD St. John Standard (Bild: Matthias Krämer)

Die Gitarren der Wahl sind eine Petrol-farbige PJD Guitars Classic aus Pappelholz mit Bare-Knuckle-P90 und eine PJD St. John Standard aus Sumpfesche in hinreißendem Hellrosa.

PJD Classic mit Orange Rocker 32 (Bild: Matthias Krämer)

Die Tunings sind oft haarsträubend, meist aber mit tiefer Ab-Saite, also eine kleine Sexte tiefer als Standard E. Dazu nehme ich etwas zu dünne Saiten, nämlich eine Mischung aus 11er- und 12er-Satz, was einen fantastischen, schmatzig-schlabberigen Twang ergibt, allerdings mit der Maßgabe, das Tuning der tiefen Saiten immer gut in Auge und Ohr zu behalten und gegebenenfalls durch geschicktes Spiel gegenzusteuern. Bei manchen Songs spiele ich auch einen Fender-VI-Bass.

Pedalboard bei Kochkraft durch KMA u. a. mit KMA Audio Machines Dead Stag & Minos Germanium Fuzz, Dunlop UniVibe, EHX Micro POG, Boss RE-20 Space Echo und Digitech Whammy DT (Bild: Matthias Krämer)

Herzstück meines Sounds sind zwei Fuzz-Pedale von KMA Audio Machines, und zwar ein Dead Stag und ein Minos Germanium Fuzz.

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Richtig breit wird es durch einen alten Dunlop UniVibe, der ein unglaubliches, tontechnisch bedenkliches Weltraum-Stereo anzettelt – eine Seite Chorus, die andere Seite Vibrato – oder indem die eine Stereo-Seite vor dem Germanium Fuzz eine hohe Oktave dazu bekommt. Dies geschieht mit dem Electro Harmonix Micro POG oder dem Digitech Ricochet, der DropTune-Sektion des Whammys als eigenes Pedal, quasi die erweiterte Version des The Drop. Die hohe Oktave verschmilzt im Fuzz wunderbar mit dem Originalsignal, die Latenzen der Wandlung im POG wie im Ricochet sorgen zusätzlich für Stereobreite.

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Als handliche und megamäßig klingende Stereo-Amp-Lösung bin ich gerade bei einem Orange Rocker 32, da passieren Stereo-Split und Pedal-Zerrerei erst in der FX-Schleife. Steht wahrscheinlich nicht so im Handbuch, macht aber Spaß. Außerdem bin ich bei gezerrten Sounds großer Fan von nicht-12″- Speakern, in diesem Fall 10″. Davor ganz schnöde ein Shure SM57 pro Seite.

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Und noch eines: Während der Pandemie habe ich mich meinem Solo-Projekt Taco Truck gewidmet, zwischen Jazz, Pop und Elektro. Da suche ich meist jazzig-bluesige Sounds, wobei meine erste Wahl die bereits genannte PJD St. John Standard ist. Ich war lange Zeit kein großer Esche-Spieler, aber dieses Instrument dringt richtig tief in die Gitarristenseele ein und entlockt ihr die tollsten Dinge.“

matthias-kraemer.net
tacotruck.band
kochkraft.band
facebook.com/rtoehrenfeld

(Story: Matthias Mineur)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Tja, so kann es einem ergehen, wenn man sich allen möglichen Kram aufschwatzen lässt. Immerhin muss man das ganze Zeug ja auch durch die Gegend schleppen. Und der Zwang partout anders sein zu müssen ist ebenfalls eine nicht zu unterschätzende Heimsuchung. Nun gut, erlaubt ist, was gefällt.

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