Bei einer Aufzählung der wichtigsten deutschen Rock- und Metal-Produzenten darf der Name Charlie Bauerfeind nicht fehlen. Der 61-Jährige war an vielen bedeutenden Produktionen beteiligt, unter anderem von Motörhead, Helloween, Blind Guardian, Angra, Saxon, Gotthard, Hammerfall, Rage oder Running Wild.
Derzeit arbeitet er mit den Melodic-Metallern Helloween an ihrem kommenden, für 2025 geplanten Studioalbum und kümmert sich um seine Drumsample-Library ‚Klangmacht‘. Wir haben Bauerfeind für ein Studio-Special unserer ‚Top Gear Check‘-Serie gewinnen können, here we go!
Interview
Charlie, kannst du bitte kurz skizzieren, wie du ins Musikbusiness gekommen bist und was deine ersten Schritte als Toningenieur waren?
Mein Vater ist gelernter Gitarrenbauer, meine Mutter stammt aus einer Schauspielerfamilie. Mit vier Jahren bekam ich im werkseigenen Musikkindergarten der Firma Framus Blockflötenunterricht, mit sechs bzw. zehn Jahren folgten klassische Klavier- und Schlagzeugstunden. Ab 16 hatte ich als Schlagzeuger meine ersten Bands und produzierte für sie gelegentlich Demos auf einer 8-Spur-Maschine.
Mit 24 habe ich mich in Boston am Berklee College Of Music für sechs Semester in den Fächern „Drums & Percussion“ und – eher zufällig – „Music, Production & Engineering“ immatrikuliert. Dabei habe ich in einem großen Recording-Raum unter anderem das Lenny Peterson Backbay Brass Ensemble mit sechs Bläsern, Schlagzeug, Bass, Gitarre, zwei Keyboardern, Backgroundchor und Leadgesang aufgenommen. Man bekam für den kompletten Aufbau, Mikrofonierung, Aufnahme und Abbau zwei Stunden Zeit pro Song.
Wie ist deine Meinung zu Digital vs. Analog bzw. Vintage vs. Modern, etc.?
Ein viel diskutiertes aber auch ziemlich überbewertetes Thema, denn die Technik sollte einem nie im Weg stehen. Wenn also bei einem Gitarrensolo das Rückkoppeln eines passiven Pickups vor einer laut aufgedrehten Box hilfreich ist, sollte man diesen Weg gehen. Allerdings spielen auch viele performance-technische Faktoren eine große Rolle, so dass mir ein großartiges Solo mit einem Plug-in lieber ist als ein mittelmäßiges Solo über einen teuren Amp.
Eddie Van Halen klang auf den billigsten Gitarren und Amps immer nach Eddie Van Halen, aber nicht jeder, der sich für 10.000 Dollar eine seiner Gitarren kauft, klingt nach Eddie. Andererseits kann ein guter Vintage-Micpre einer Stimme das letzte Quäntchen an Emotionalität und Tiefgang verleihen. Beim Thema analog oder digital wird’s natürlich nicht einfacher.
Zu Beginn meiner Laufbahn war ich noch mit rein analogem Equipment konfrontiert und kenne daher noch den einen oder anderen Kniff. 30-ips Bandgeschwindigkeit bedeuten schwammigeres Low-End, dafür schönere Hochfrequenzauflösung, 15-ips bedeuten tighteres Low-End, dafür aber ein etwas dumpferes High-End. Wenn man den analogen Weg gehen will, sollte man sich vorher über die Historie des Mediums informieren. Eine alte MCI-Bandmaschine würde ich einer moderneren analogen Studer-Bandmaschine immer vorziehen.
Viele junge Musiker und Produzenten kennen den Effekt von analogen Aufnahmen oder eines analog aufgenommen Drumsets im Mix gar nicht. Ich habe in den zurückliegenden eineinhalb Jahren meine eigene Drumsample-Library ‚Klangmacht‘ (Internet: klangmacht.rocks) aufgebaut, dort sind alle Samples parallel analog und digital aufgenommen, sodass man jederzeit hin- und herschalten kann, um den Unterschied zu hören.
Meines Erachtens bringt es wenig, einzelne Aufnahmespuren in einer DAW mit Analog-Tape-Simulations-Plug-ins zu belegen, denn die größten Effekte der analogen Tape-Aufnahme, die sogenannten Ghostsignale, die durch den Printthrough oder Übersprechungen von „nebeneinanderliegenden“ Spuren erzeugt werden, sind dabei gar nicht berücksichtigt.
Deswegen würde ich immer entweder direkt analog aufnehmen oder von einer dementsprechend hohen Sampling-Auflösung auf analog überspielen. Anschließend würde ich das Tape acht bis zehn Stunden in der Tailout-Wicklung ruhen lassen und dann, falls gewünscht, zurück überspielen, natürlich mit den bestmöglichen Wandlern, etc. Hier Bauerfeinds ‚Top Gear Check‘-Studioempfehlungen:
FIX CONSOLE BY PAUL WOLFF
Das analoge Mischpult mit dem besten Transientenverhalten, es ist Paul Wolffs (API- und Tonelux-Mastermind) vom Signalverlauf kompromisslos designte Modularkonsole (500er Serie, etc.). Unfassbar transparent, mit drei Mastersummen, die mit verschiedenen Summing-Amps (SSL-like, Neve-like, etc.) bestückt werden können und zusammen mit den frei bestückbaren 500er-Slots eine einzigartige Soundvielfalt ermöglichen.
(Bild: Charlie Bauerfeind)
IGS AUDIO RUBBER BANDS RB 500 SERIES EQ
Für Gitarrenaufnahmen ist dies die absolute Waffe. Ein passiv diskreter Pultec-Style-EQ im 500er Format mit Transformer-balancierten Ein- und Ausgängen. Extrem gutes Preis-Leistungsverhältnis, wie bei allen IGS-Produkten. Macht speziell bei Profiling-Amps á la Kemper, Neural DSP, Fractal Audio etc. sehr angenehme Höhen. Im digitalen Bereich Höhen raus und rein im RB 500.
API 2500 MASTERKOMPRESSOR
Mitunter erzeugt Unkorrektheit den großen Klangunterschied. Ich habe mir vor Jahren einen gebrauchten API-2500-Kompressor zugelegt, der mich anfangs nie so richtig abgeholt hat. Klang zwar super API-like, aber zu sauber, zu korrekt. Paul Wolff hat mir dann erklärt, weshalb die „neueren“ 2500er so klingen und die „älteren“ anders. Anhand seiner Anleitungen habe ich dann meinen 2500er modifiziert, der seitdem eine gewisse Rückkopplung zulässt und daher absolut gigantisch klingt.
MIKROFONE/PREAMPS: SOUNDING FAST AND SLOW
Ich bin bekennender Earthworks-Fan, seitdem ich 2008 das Kickpad und ihre Mikrofone entdeckt habe. Seither habe ich keine Aufnahme mehr ohne Kickpads gemacht. Die SR25- und SR30-Mikros sind unfassbar schnell für Overheads und mein absolutes Go-To-Setup.
Wenn es schnell sein soll, kombiniere ich es mit einem Crown Sass oder, wenn ich Färbung einmischen will, mit einem Neumann U87. Für Toms habe ich noch die 2010er Variante des DP30/C, sehr fragil im Handling, aber soundmäßig unübertroffen. Zusammen mit dem 1024 Micpre von Earthworks das absolut transientenschnellste Setup.
Überhaupt lässt sich mit der Kombination aus schnellen/langsamen Mikrofonen und langsamen/schnellen Micpres die beste Methode zum Soundkreieren erzielen. Wer viel Geld hat, sollte die Sanken-CU41-Mics ausprobieren. Große und kleine Membrane addieren sich in diesem Doppelmembran-Mic zum absoluten Nonplusultra der Overheadmikrofonie. Bei den Micpres habe ich natürlich auch „färbende“ Exemplare im Einsatz: Chandler TG2 auf den Toms sind ultrastark. Ein Pärchen API 312 von Brent Averill remodeled auf den Bass-Drums bewirken Wunder, aber auch AML 1073 oder 1081 klingen super. Bei mir laufen alle Micpres über Neumann Splitter V442.
WANDLER UND DIGITALE PERIPHERIE
Bei meinen Wandlern setze ich auf absolute Präzision: Merging Horus mit dementsprechenden Wandlerkarten (48 Kanäle Eingang/Ausgang), da können nur noch Prismwandler mithalten. Die Anbindung an den Rechner erfolgt entweder über Avid HD-MADI-Interfaces im Studio oder DAD AX-Center im Broadcastbetrieb.
Das AX-Center von DAD ist einfach das unschlagbarste Schalt- und Verwaltungsgerät überhaupt. Mit seinen 256 Bidirectional Channels bleiben keine Wünsche offen. Auch DirectOut schenke ich volles Vertrauen in Bezug auf Zuverlässigkeit. Da mein Broadcastequipment möglichst klein und leicht sein muss, um auch Rock in Rio 2019 oder Budokan 2023 mit Fluggepäck bedienen zu können, greife ich beispielsweise auf die EXBOX-Serie von DirectOut zurück. Klein aber fein.
DAW UND PLUG-INS
Ich bin Pro-Tools- und Waves-User der ersten Stunde, im Audio-Editing-Bereich gibt es für mich nichts anderes. Pro Tools ist nach wie vor das Herz, Waves-Plug-ins sowie -Hardware (LV-1 und Waves Server) sind meine Lieblingswaffen. Ich stehe eher auf die älteren Plug-ins und bleibe lieber bei Waves- und McDSP-Produkten.
Aber natürlich ist mein Arsenal auch mit modernen Plug-ins gespickt. AI-gestützte Produkte wie z.B. der SSG Optimus sind bei mir genauso im Einsatz wie STL ControlHub, Sonible oder Izotope. Generell bin ich ein großer Freund von etwas, das ich „Soundstacking“ nenne: Bei mir macht ein Plug-in fast nie allein die ganze Arbeit. Verschiedene EQs, Kompressoren, Reverbs, etc. hintereinander oder parallel geschaltet oder an verschiedenen Punkten meines Signalpfades gestaffelt ergeben immer einen einzigartigen, persönlichen Sound.