In der letzten Folge haben wir uns mit der Form von ‚Blue Bossa‘ beschäftigt, authentisches Bossa-Comping gelernt und die Akkordfolge analysiert. Außer den vorgestellten Skalen zur Improvisation gibt es zahlreiche weitere, von denen wir einige hier kennenlernen werden.
Dazu bietet es sich an, den großen Solisten beim Improvisieren über die Schulter zu schauen. Und es ist eine sehr gute Idee, sich hier nicht nur auf Gitarristen zu beschränken. Ein großartiger Tenorsaxophonist von dem wir viel lernen können, ist Dexter Gordon. 1976 spielte er sein Album ‚Biting The Apple‘ ein.
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Beispiel 1 zeigt seinen ersten Chorus, der schon in den letzten beiden Takten des Themas beginnt. Die Takte 15/16 der Form sehen so aus:
I Cm7 I Dm7b5 G7b9 I
Über beide Takte spielt er C-Melodisch-Moll.
Über die Takte 1-6 spielt er komplett leitereigen. In Takt 7/8 wechselt er dann zu C-Dorisch. Über die II-V-I in Db-Dur (Takt 9-12) bleibt er bis auf zwei chromatische Durchgangstöne in Db-Dur. Die Takte 13-16 sind komplett in C-Äolisch gehalten. Die Line endet im ersten Takt der neuen Form dann in C Melodisch Moll. Mit Legato-Techniken kann man das Phrasing von Bläsern gut auf der Gitarre imitieren und kommt so auf ganz neue Ideen, die das eigenen Spiel enorm bereichern können.
Mit Beispiel 2 wenden wir uns dem Bebop-Großmeister und Ausnahmegitarristen George Benson zu, der den Song in einer wohl 1972 entstandenen Live-Version gespielt hat. Auch er spielt in den Takten 1-8 überwiegend in C-Äolisch. Mit dem B in Takt 2 deutet er aber C Melodisch Moll an. Das passt immer, genauso wie C Dorisch. Über Ebm7 in Takt 9 spielt er auftaktig beginnend mit D bis zum Gb nur eine absteigende chromatische Tonleiter, deren Spannung sich dann in wohlklingendem Db-Dur auflöst. Und über die Takte 13-16 hören wir ausschließlich C Harmonisch Moll.
In Beispiel 3 lassen wir uns wie Matteo Mancuso von dem Saxophonisten, Arrangeur und Bigband-Leader Bob Mintzer inspirieren. Hier interessiert uns der erste Chorus seines Solos über ‚Blue Bossa‘, zu finden auf seiner CD ‚Bop Boy‘ (2007). Im Einstieg über die Takte 15/16 des Themas spielt er zunächst C Dorisch über Cm7, dann bis Takt 4 die C-Moll-Pentatonik. Über Dm7b5 in Takt 5 hören wir einen Ausschnitt aus der C-Blues-Scale, in Takt 6 dann mit dem Tonmaterial von Bmaj9 eine coole Substitution über G7b9.
Über die II-V-I-Verbindung in Db-Dur spielt Bob Mintzer zunächst eine Phrase mit dem Sound von Gbmaj9, dann über die zweite Hälfte von Takt 10 ein C7-Arpeggio, das überzeugend überleitet zu Dbmaj7. Ab Takt 13 bleibt er dann in C Äolisch.
Für die Audio-Files zu diesem Beitrag habe ich das Solo mit einem traditionellen Jazz-Sound eingespielt. Mit einem angezerrten Sound klingen die Linien sehr nach Robben Ford.