Nachdem im Vorfeld so einiges gebohrt und gesetzt wurde, geht es nun im Anschluss darum, die verbaute neue Hardware ggf. noch ein bisschen zu justieren und den Vorgaben des Instruments anzupassen.
Was getunt werden kann oder was getunt werden muss, hängt von der Materialauswahl des Tuners ab. Im Visier steht dabei im heutigen Repair Talk der Steg, der ja – da gerade erst montiert – noch jungfräulich auf seinen Einsatz wartet. Oftmals unterschätzt wird die große Wirkung der kleinen Kerbe an der Oberkante eines Saitenreiters, welche die Saite positioniert und darüber hinaus auch noch für ein sauberes Abstoppen der Saite verantwortlich ist.
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UNGEKERBT IST VARIABEL
Viele Stegtypen kommen mit vorgekerbten Reitern (Abb. 1/rechts). Das spart zwar Arbeit, da die Saitenpositionen vorgegeben sind – also nicht ermittelt werden müssen – hat aber auch den Nachteil, dass man den Vorgaben des Bauteils folgen muss. Individueller auf die jeweilige Einbausituation einstellbar sind ungekerbte Reiter (Abb. 1/links).
Ein Steg mit vorgekerbten Reitern ist in Punkto Saitenverlauf festgelegt und man verlässt sich darauf, dass die Mittelachse und die Flucht des Instruments/Griffbretts mit der Stegposition harmonieren. Führen Fertigungstoleranzen dazu, dass die Stegposition nicht ganz in der Flucht steht, laufen die beiden äußeren Saiten nicht gleichmäßig zur Griffbrettkante, da die meist mittig vorgekerbten Reiter dies so erzwingen. Das muss nicht, kann aber störend sein (abrutschen an der Griffbrettkante), sodass ungekerbte Reiter ein Problemlöser sein können, um das noch fehlende Quäntchen Mehr an guter Bespielbarkeit aus dem Instrument herauszukitzeln.
Die Abb. 2 zeigt wie die Kerbe im Reiter den Saitenverlauf bestimmt. Um aus den ungekerbten Einzelreitern das Optimum herauszuarbeiten, besaite ich den frischen Steg zunächst mit den beiden äußeren Saiten (Abb. 3).
Diese kann ich nun in aller Ruhe ausrichten, sodass der gewünschte Saitenverlauf an den Griffbrettkanten und/oder Pickups erreicht ist. Ähnlich wie bei Arbeiten am Sattel markiere ich die Position mit dem Bleistift oder einem Skalpell, sodass ich die Position der äußeren Saiten präzise aber nur leicht (also ohne tiefe Nut/Kerbe) angerissen habe (Abb. 4).
Nach diesen äußeren Markierungen richtet sich nun der gleichmäßige Abstand zu den und zwischen den übrigen Saiten.
ALLES KEIN HEXENWERK
Auch wenn das Anreißen der übrigen Saitenpositionen kein Hexenwerk ist, so ist jedoch Präzision gefordert, da eine „verrissene“ Markierung selten um das fehlende Zehntel versetzt werden kann. Häufig enden Korrekturversuche in einer Kompromisslösung, in der man fünf Zehntel schon mal gerade sein lässt. Da hat jeder Handwerker seinen eigenen Weg ans Ziel. Bei mir funktioniert ein vorheriges Anzeichnen auf Kreppband ganz gut. Dazu fahre ich zunächst alle Reiter in eine Reihe und klebe die Oberkanten mit einem durchgängigen Streifen Tape ab. Mit dem Fingernagel übertrage ich die Position der im vorangegangenen Arbeitsschritt ermittelten Positionen der äußeren Saiten auf das Tape und mache die geritzte Markierung mit einem spitzen Bleistift besser sichtbar (Abb. 5).
Nun kann ich die gewünschten Saitenabstände (in der Regel gleichmäßig) auf dem Tape markieren. Geht mal ein Strich daneben, ist das kein Problem: Tape erneuern – neuer Versuch. Sitzen alle Markierungen wunschgemäß, übertrage ich anschließend mit einem Skalpell die Positionen durch das Tape auf die Reiter (Abb. 6).
Die Klinge des Skalpells ist zwar nach diesem Arbeitsschritt ein Wegwerfartikel, dafür sind die Einzelreiter aber präzise angeritzt (Abb. 7 − schwer zu erkennen).
Nun gilt es, die angeritzten Markierungen in saitentaugliche Nuten zu verwandeln. Dazu verwende ich eine Dreikant- und eine Rundfeile (Abb. 8/links).
Ich beginne mit der Dreikantfeile. Die geritzte Markierung nimmt die Kante der Feile auf und führt sie, sodass ich sehr präzise eine V-förmige Nut platzieren kann. Hierbei ist der Winkel, in dem die Feile geführt wird, kritisch. Genau wie die Sattelnut hat die Nut im Reiter die Aufgabe, die Saite zu führen aber auch gut definiert abzustoppen. Dazu muss die Saite in der Nut mit genügend Druck fixiert werden. Eine Nut, deren Grund parallel zur ankommenden Saite verläuft, verhindert ein sauberes Abstoppen – die Saite neigt zum Vibrieren in der Nut (klingt dann wie eine Sitar). Analog zum Nutverlauf im Sattel feile ich die Nut leicht schräg abfallend in Richtung Saitenhalter. Die Abb. 8/rechts verdeutlicht dies. Die Saite würde von rechts kommen und nach links zum Saitenhalter laufen. Bitte die Orientierung des Stegs (vorne/hinten) beachten, sonst läuft der Winkel falsch!
AUSREISSER VERMEIDEN
Vom Prinzip her genau so, wie die Saite ihren Weg zum tiefer liegenden Saitenhaltern finden würde, vertiefe ich mit einigen Feilenstrichen die Nut mit schräg angesetzter Feile. Es reichen wenige Striche aus, um eine geeignete Nut auszuarbeiten. Anders als beim Sattel soll die Saite nicht im Reiter verschwinden. Bei den blanken Saiten belasse ich es bei der Dreikantfeile, bei den umsponnenen Saiten arbeite ich entsprechend der Saitenstärke mit einer geeigneten Rundfeile nach. Da die Anordnung der Einzelreiter in der Höhe auf einen gleichmäßigen Griffbrettradius abgestimmt ist, ist es ratsam, die Kerben/Nuten möglichst gleichmäßig tief zu feilen, da sonst die resultierende Saitenlage ungleichmäßig sein wird und ggf. nicht zum Griffbrettradius passt.
Es ist leichter in späteren Arbeitsschritten bei Bedarf einzelne Saiten tiefer zu legen als umgekehrt alle Nuten gleichmäßiger tiefer auszuarbeiten nur um einen „Ausreißer“ einzufangen. Der Pfeil auf Abb. 8 weist noch auf eine kleine Stolperfalle hin. Beim Feilen kann ein Grat entstehen, der entfernt werden muss. Bleibt er stehen, kann er – ähnlich wie eine nicht korrekte Sattelnut – zu unsauberen Tönen führen, da er die Saite beim Schwingen berührt.
Tipp: Stört mal ein nervender Sitar-Effekt den Spielspaß, kann auch eine verdreckte oder korrodierte Nut im Saitenreiter die Ursache sein. Ein Säubern und/oder feines Nachschleifen der Nut lässt häufig die ungewünschte Sitar verschwinden.
Zurück beim Projekt sind wir gerade auf die Zielgerade eingebogen. Steg aufsetzen, Instrument komplett besaiten und dann im Anschluss die Gitarre einstellen. Intonation, Saitenlage, etc. Das sind Arbeitsschritte die schon im Rahmen der in der Vergangenheit behandelten kompletten Neubundierung ausführlich erklärt wurden und in den Heften 12/18 bis 2/19 bei Bedarf nachgelesen werden können.
PRÄZISE REITER-FÜHRUNG
Die bis hierher beschriebene Montage von Steg und Saitenhalter bezog sich auf neue, unverbrauchte Hardware. Nicht jeder Tuner möchte aber den Weg des kompletten Austausches gehen, sondern denkt eher über eine Instandsetzung nach. Sind bei einem Tune-o-matic Steg nur die Einzelreiter zu tief gekerbt und dementsprechend verbraucht, könnte man ja auch nur die Reiter erneuern. Vom Gedanken her völlig geradlinig und zielführend, jedoch in der Umsetzung ggf. nicht ganz so simpel.
Die Abb. 9 zeigt einen typischen Einzelreiter eines Tune-o-matic Stegs. Grob gesehen ein T. Das Loch im unteren Bereich nimmt die Schraube zum Einstellen der Intonation auf. Mit den Schultern des Ts soll der Reiter auf einer Führung im Steg sitzen und laufen (Abb. 10).
Die Maße der Einzelreiter sind nicht genormt (dabei geht es um Zehntel) und so kann es vorkommen, dass der Abstand Schraube zu der Schulter des Saitenreiters nicht zum Maß Schraube/Führung am Steg passt. Im Resultat wird die Schraube schief geführt oder klemmt. Ebenso kontraproduktiv ist es, wenn der Reiter nicht richtig auf der Flanke aufsitzt, weil da ihn die Schraube zu hoch führt. Der Reiter sitzt dann nicht kraftschlüssig in der Führung, hat Spiel und neigt eventuell dazu bei einer schwingenden Saite mitzuschwingen, was sich durch ein leichtes aber störendes „Sizzeln“ bemerkbar macht. Ein Tropfen Sekundenkleber kann in dem Fall den Reiter fixieren und das Sizzeln/Mitschwingen unterbinden. Da die kleine Menge Sekundenkleber den Reiter aber nicht ewig fixiert, handelt es sich um einen „Erste Hilfe“-Ansatz und nicht um eine empfohlene Lösung. Spätestens bei einem ggf. notwendigen Nachstellen der Intonation und dem Bewegen des Reiters ist es mit der Ersten Hilfe vorbei – der Kleber gibt auf. In der Konsequenz ist es dann sinnvoller, nicht auf die Kleberoption zu setzen, sondern den kompletten Austausch des Stegs zu erwägen.
DURCHHÄNGER MIT FOLGEN
Hinzu kommt, dass nach meiner Erfahrung ein verbrauchter Steg nicht nur an den Reitern kränkelt. Saitendruck, Handschweiß und Rock’n’Roll gehen häufig nicht spurlos an dem ansonsten massiv wirkenden Bauteil vorbei. Versteckt für das ungeübte Auge, hat ein gebrauchter Steg häufig noch eine statische Tücke.
Die Abb. 11 zeigt, wie ein frischer Steg mit seinen Reitern in etwa dem Griffbrettradius folgt.
Die Abb. 12 zeigt einen Steg, der durch die oben genannten Anforderungen aufgegeben und sich nach unten durchgebogen hat. Das Bild ist nicht übertrieben, viele Paulas aus den 80er- und 90er-Jahren leiden unter dem gezeigten Durchhänger. Selbst mit neuen, frischen Reitern (die ggf. dann auch gut sitzen) ist der Tuner mit solch einem verbogenen Steg nicht in der Lage, eine brauchbare Saitenlage einzustellen. Für ein erfolgsversprechendes und vorhersehbares Tuning rate ich dazu, weitestgehend neue, frische Bauteile zu verwenden.
An dieser Stelle wollte ich so langsam mit dem Outro in Richtung Pause steuern, da erreicht mich (nachweisbar nicht künstlich konstruiert) die hilfesuchende Mail eines Stammkunden. Dieser hat sich eine gebrauchte Paula gegönnt, bei der nun nach dem ersten Saitenwechsel plötzlich die tiefe E-Saite scheppert. „Sinnbefreit“ nachbearbeitete Nuten im Steg werden als Ursache vermutet − Frischer Stoff für den nächsten Repair Talk!