In der letzten Ausgabe habe ich einen Blick auf die Historie der Lautstärkeentwicklung von Gitarrenverstärkern gegeben. Wie ich dort schon beschrieben hatte, sind die Anforderungen an die Leistung unserer Verstärker stark rückläufig. Oder anders ausgedrückt: Man wünscht sich heute mehr Flexibilität seitens der Anwendungsräume für Gitarrenverstärker. Daher rührt das starke Interesse an neuen Konzepten wie etwa dem immer noch analog aufgebauten BluGuitar-Amp im Fußtreter-Format oder noch komplexeren Modeling-Lösungen wie dem Kemper-Profiler.
ÄPFEL & BIRNEN
Obwohl ich bekanntlich kleinere Röhren-Verstärker mit freie Verdrahtung bevorzuge, gibt es natürlich zahlreiche gute Gründe, warum diese neuen Produkte auf dem Vormarsch sind. In einer Welt, die von Smartphones, WLAN, Bluetooth und digitalen Aufnahmesystemen beherrscht wird, ist es nur logisch, dass auch für Gitarren-Amps neue Lösungen entwickelt werden. Die teils unsachlich geführten Diskussionen im Netz, wo sich Liebhaber beider Techniken in einer Art Grabenkampf gegenüberstehen, finde ich, ehrlich gesagt, überflüssig. Ein alter Röhrenverstärker ist ein völlig anderes Produkt als ein Kemper-Amp. Und ich kenne sehr viele Kollegen, die nach wie vor beiden Techniken etwas abgewinnen können. Und mir geht das genauso.
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Ich finde solche Konzepte absolut spannend. Schließlich verwende ich auch eine DAW und Plug-ins zuhause. Das ist im Grunde nichts anderes. Ich besitze auch noch einen alten Plattenspieler, höre aber gleichzeitig meist per Streaming. Warum sollte man darüber streiten? Jeder sollte für sich selbst ausmachen, warum er seine Gitarre über die eine oder andere Methode verstärkt. Gerade in Sachen Komplexität sind die modernen Systeme den alten Amps meist haushoch überlegen. Es spielt damit keine Rolle mehr, ob man zu Hause, im Proberaum oder auf einer großen Bühne spielt. Parameter wie Dynamik und Headroom lassen sich damit zweifellos besser beherrschen.
KULT VERPFLICHTET
Wer, wie ich selbst, weiter auf alte „Hasenkisten“ baut, wird dafür sicher ein paar gute und persönliche Gründe haben. Klar, wer sich für einen kleinen 15-Watt-Verstärker entscheidet, muss seitens seiner Ansprüche an die Sound-Möglichkeiten genügsamer sein. Das ist die klare Voraussetzung für solche Überlegungen. Ein Fender Tweed Deluxe, ein Marshall 1974 oder ein Vox AC15 haben ihre ganz spezifischen Sounds. Und die müssen nun mal zu dem passen, was man damit vorhat. Ein Jazz-Gitarrist wird mit einer 15-Watt-Endstufe im Kathoden-Bias-Betrieb weniger gut klarkommen als ein Rock’n’Roller, der Keith-Richards-Riffs spielen möchte.
Und immerhin gibt es ja noch eine große Menge der sogenannten Bewahrer, die einfach alte Musikstile pflegen. Beispielsweise möchte ein Rockabilly-Gitarrist mit Gretsch, Haartolle, Ray-Ban-Sonnenbrille und Shure-Elvis-Mikrofon keinen Modeling-Amp hinter sich stehen haben, sondern vielleicht eher einen kleinen Tweed-Combo mit vergilbtem Textilbezug. Musik wird hier zu einer Art Gesamtkunstwerk inkl. Bühnenbild, das bis ins Detail gehen muss. In der Karnevals-Saison wird sich ein Gitarrist hingegen vermutlich wahnsinnig über die Möglichkeiten digitaler Modeling-Lösungen freuen, weil er an den „Tollen Tagen“ täglich von Gig zu Gig zieht und meist nur drei Minuten zur Verfügung hat, um sein Setup aufzubauen. Hier zählt nur die „gelebte“ Professionalität.
Kurzum: Einen kleinen Röhrenverstärker zu spielen, ist heute mehr eine künstlerische Haltung, eine Liebhaberei oder wie bei mir eine Gewohnheit. Natürlich reichen die digitalen Systeme im direkten Vergleich noch nicht vollends an die klangliche Güte eines perfekt abgestimmten Röhren-Amps heran. Doch wir wissen ja auch: „When the drummer comes in…“ Hört man das im Publikum dann auch noch? Darüber ließe sich dann wirklich mal streiten.
GELEBTE NACHHALTIGKEIT
Das Thema erinnert mich ein wenig an die Diskussionen über Aging oder neu, Bandmaschine versus DAW, Plug-in vs. Vintage-Echoplex oder progammieren vs. live einspielen. Wir leben nun mal in einer Welt, in der all das nebeneinander existiert und auch nebeneinander ein und denselben Konsumenten gefällt.
Für mich selbst ist Gitarrespielen auch wie ein Rückzug auf die sprichwörtlich einsame Insel. Im Alltag plagen mich immer mehr Probleme mit Software-Updates, unzähligen Passwörtern, die ich mir merken muss, unzuverlässigen Providern, Leistungsproblemen mit Rechner-Chips und immer mehr Programmen, die vielleicht noch mehr können als das bisherige. Ein neuer und nicht gerade preisgünstiger iMac ist schon nach vier bis sechs Jahren nur noch eine „alte Kiste“, die mit den neuen Programmen kaum noch klarkommt. Man rennt ständig der vermeintlichen Aktualität von Soft- und Hardware hinterher. In den Schubladen häufen sich ausgediente und damit völlig unbrauchbare Smartphones. Da ist es doch ganz schön, wenn man in Sachen Amp und Gitarre auf Konzepte vertrauen kann, die sich im Grunde nie verändern, auch wenn sie im modernen Kontext nicht „up to date“ sind.
Warum ich das alles schreibe? Nun, ich dachte dieses Mal, dass das Folgende umso verständlicher erscheint, wenn ich das Pferd von hinten aufzäume. 15-Watt-Verstärker sind eine Technik, die man vom gewünschten Ergebnis aus betrachten sollte und nicht aus der statistischen Auswertung ihrer Möglichkeiten.
TUNING-MASSNAHMEN
Größe und Leistung solcher Amps sind nur in bestimmten Umfeldern ein Vorteil. Und wir leben dank PA-Systemen in einer Zeit, wo die Vorteile in puncto Transport, Lautstärke und Platzbedarf oft überwiegen. Für die klangliche Vielfalt ist der Spieler gefragt. Wie geht man damit um? Was kann man da rausholen? Auch diese Fragen lösen die meisten Anwender mit größeren Pedalboards oder dem Wechsel von bestimmten Gitarren-Typen.
Das scheint ja ohnehin üblich. Im Folgenden möchte ich mich Lösungen widmen, die auch die Nachteile und deren Aufhebung betrachten. Ein kleiner Röhren-Combo gerät trotz seiner verführerischen Klangangebote auch irgendwann an Grenzen. Und zwar immer dann, wenn Dynamik und Headroom gefragt sind. Und dazu möchte ich ein paar Lösungen vorstellen, die sich bei mir und auch bei vielen meiner Kunden bewährt haben.
Schauen wir zunächst auf die Gemeinsamkeiten dieser Geräteklasse. Viele der leistungsschwächeren Gitarren-Amps müssen aufgrund der geringen Größe mit einem 10-Zoll-Lautsprecher auskommen.
Darunter etwa zwei der beliebtesten Fender-Combos überhaupt: Der Princeton Reverb und der Pro Junior. In Sachen Lautstärke ist das gar nicht so schlimm. Nur die Abbildung ist bei einem Zehnzöller auch wesentlich „enger“ als bei einem Zwölfer. Außerdem ist die Auswahl an Ersatzlautsprechern deutlich kleiner, denn die meisten Hersteller bieten die größte Vielfalt im Zwölf-Zoll-Segment. Daher gibt es seit geraumer Zeit etwa für den Princeton Ersatz-Front-Baffles mit Zwölfer-Ausschnitt. Mit einer Modifikation in diese Richtung verwandelt man den Princeton schon zu einer Art Mini-Deluxe-Reverb, denn der Zwölfzöller allein macht den Sound tatsächlich um einiges größer. Voraussetzung ist allerdings, dass dieser Lautsprecher auch in das meist sehr kleine Gehäuse passt. Für den Pro Junior ist ein Upgrade auf einen Celestion-Zehn-Zoll-Alnico-Gold die bessere Lösung. Zudem beschert dieser Lautsprecher mit einem Wirkungsgrad um 100bB einen ordentlichen Zuwachs an Lautstärke und damit natürlich auch an Headroom und Dynamik.
Beides lässt sich auch durch den Austausch der Netzteil-Elkos erreichen. Erst neulich habe ich einen Pro Junior mit frischen F&T-Elkos überraschend gut stabilisieren können. Die grauen Taiwan- „Illinois“-Elkos, die von Fender in fast allen Kombos verwendet werden, verleihen den Amps ab Werk einen etwas bedeckten und „langsamen“ Ton. Dazu noch einen Satz frische JJ EL84 und der Amp tönt auf einem deutlich anspruchsvolleren Level. Ist das noch nicht genug, empfiehlt sich ein Upgrade des Ausgangsübertragers auf einen mit etwas mehr „Eisen“, wodurch er etwas später in die Sättigung fährt. Solche Tunings sind für diese Amps besonders interessant, weil sie reversibel sind und das Portemonnaie in der Summe nicht ganz so stark belasten. Ein Pro Junior ist in seiner Anschaffung immer noch erfreulich günstig.
Tunings für den Princeton habe ich an dieser Stelle schon mehrfach ausführlich beschrieben. Daher möchte ich mich hier auf eine kurze Aufzählung beschränken. Neben den Upgrades von Speakern, Elkos und Röhren kann man diesen Amp auf bis zu 40 Watt aufblasen. Hier erreicht man dann auch genügend Headroom für den Jazzgitarristen.
Es gibt für diesen Verstärker Trafos mit mehr Eisen und höherer „B+“-Spannung, größere Ausgangsübertrager, die auch den Betrieb mit 6L6-Röhren ermöglichen, und schließlich die mögliche Ergänzung einer Siebdrossel, welche den Klangcharakter nochmals etwas klarer und geschmeidiger macht. Für größere Gigs kann man zusätzlich einen Line-Out, etwa anstatt der externen Speaker-Buchse installieren, von wo aus man in einen zweiten lauteren Amp oder direkt in die PA gehen könnte. Eine weitere Abbildungs- und Headroom-Vergrößerung klingt ohnehin besser, wenn dafür nur die Main-Speaker-Buchse verwendet wird. Ein Princeton verwandelt sich etwa an einer 2×12- oder 4×12-Box schon mit ursprünglicher 12-Watt-Elektronik in ein kleines Ton-Monster. Die Bestückung mit 6L6 für den Princeton Reverb oder Tweed Deluxe verlangt meiner Meinung nach auch ein Upgrade des Ausgangsübertragers. Beim Princeton sollte außerdem der Netztrafo vergrößert werden, weil 6L6 beinahe doppelt so viel Strom ziehen wie die 6V6.
Außerdem verlangt ein Tweed Deluxe in diesem Fall einen stabileren Kathodenwiderstand in der Endstufe, der werksseitig 3 bis 5 Watt hat. Und das ist für 6L6 nicht genug. Er würde zu heiß und droht dann durchzubrennen. Ein 10-Watt-Typ garantiert den Betrieb gefahrlos. Doch Vorsicht! Oft bringen solche Leistungs-Upgrades zwar mehr Headroom und Lautstärke, verändern den Klang aber recht deutlich. Nicht selten berichten mir Kunden, dass es jetzt zwar lauter sei, man dafür aber den ursprünglichen Charme und Klangcharakter eingebüßt habe. Daher ist es besser, wenn man sich an solche Umbauten langsam herantastet und nicht alles auf einmal einbauen lässt. Die Fender-Amps sind in ihrer ursprünglichen Ausstattung schon verdammt stimmig. Man kann und sollte schrittweise ermitteln, wie weit man gehen möchte. Die besten und wirkungsvollsten Tunings erhält man nach wie vor über den Tausch der Röhren und des Lautsprechers. Hierbei spart Fender schon seit jeher.
Ein zusätzlicher Line-Out erweist sich bei allen kleinen Amps als wahre Wunderwaffe. Wer den recht einfachen Umbau direkt im Amp scheut, kann wie die meisten Bassisten dazu eine externe Line-Box verwenden, die es ermöglicht, das Gitarrensignal nach der Endstufe (also in voller Güte) in einen weiteren Amp oder in die PA zu schicken. Damit ist man auch für größere Auftritte gewappnet und spart sich sogar die Amp-Abnahme per Mikrofon. Jeff Beck nutzte in seiner Zeit bei Beck, Bogart & Appice einen 12-Watt-Princeton, den er per Line-Out mit größeren Amps verstärkte. Genauso verfahren Billy Gibbons, Mike Campbell (Gitarrist bei Tom Pettys Heartbreakers) und natürlich Neil Young, der auf diese Art und Weise seinen Tweed Deluxe zu 140dB Lautstärke aufbläst.
Wie im ersten Teil beschrieben, dem kann ich nur zustimmen. Mir geht es da genauso. Die Industrie vermittelt uns stets den Eindruck nicht mehr up to date zu sein und das die V2 Version nun das Ultimative sei.
Außer bei den Gitarren, meine alte Strat und die LP sind immer noch nicht topbar. Meine Umrüstung auf einen kleineren Amp hatte da eher etwas mit dem Gewicht zu tun. Vom alten Twin Reverb auf einen Victory Duchess hab ich nicht bereut und zu Hause ist momentan der Helix- Stomp (zum Schnapperpreis in der Farbe rot) und die Abelton 11 DAW angesagt.
Wie im ersten Teil beschrieben, dem kann ich nur zustimmen. Mir geht es da genauso. Die Industrie vermittelt uns stets den Eindruck nicht mehr up to date zu sein und das die V2 Version nun das Ultimative sei.
Außer bei den Gitarren, meine alte Strat und die LP sind immer noch nicht topbar. Meine Umrüstung auf einen kleineren Amp hatte da eher etwas mit dem Gewicht zu tun. Vom alten Twin Reverb auf einen Victory Duchess hab ich nicht bereut und zu Hause ist momentan der Helix- Stomp (zum Schnapperpreis in der Farbe rot) und die Abelton 11 DAW angesagt.
Ein alter Boogie ist praktisch auch ein Princeton-like mit 12″er Speaker und richtig Dampf.