Bob Taylor holte den Gitarrenbauer Andy Powers 2011 in seine Company und hat ihn als seinen Nachfolger deklariert. Andy hat in den letzten 7 Jahren so einiges verändert, überarbeitet, verbessert und umgestaltet. Aber jetzt ist ihm der große Wurf gelungen: Zur NAMM 2018 wurde das neue patentierte V-Class-Bracing TM vorgestellt, eine revolutionäre neue Deckenverstrebung, die das Klangspektrum einer Gitarre enorm erweitert, und nicht für möglich gehaltene Verbesserungen bei der Intonation des Instruments liefert.
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Die neue Deckenverstrebung wird zunächst bei 4 Modellen mit der Grand-Auditorium-Korpusform verwendet. Außerdem hat Andy zur Einführung des neuen V-Class-Bracings ein Top-of-the-Line-Instrument entwickelt, die Builder’s Edition K14ce, die zusätzlich noch einige optische und praktische Details spendiert bekommen hat. Andy: „Es gibt zwei Möglichkeiten, wie man ein Instrument verbessern kann: Man kann den Sound verfeinern, und man kann es sich besser anfühlen lassen.“
Für den Sound ist das V-Class-Bracing zuständig, für ein besseres Feeling hat Andy mit vielen kleinen Details gesorgt wie z. B. dem Armrest, abgerundeten Korpusrändern, dem smootheren Cutaway und vielen weiteren Details. Intern wird dieses Highclass-Modell in Anlehnung an die Filmindustrie daher auch „Director’s Cut“ genannt.
vom surfboard zum soundboard
Andy Powers lebt direkt am Pazifik und ist ein leidenschaftlicher Surfer. Als er eines Morgens nach einem Sturm nicht surfen konnte, beobachtete er die aufgewühlten Wellen, die völlig durcheinander liefen. Am nächsten Tag waren die Wellen wieder ganz ruhig und gleichmäßig, und er konnte erkennen, dass sie an einem Pier sauber geteilt wurden und sich völlig gleichmäßig weiter ausbreiteten. Da wurde ihm klar, dass es bei akustischen Wellen genauso sein müsste. Wenn er die Klangwellen einer Gitarrendecke nicht durch das X-Bracing verwirbelt, sondern mit V-förmig angeordneten Verstrebungen gleichmäßiger verteilt, muss der Klang sauberer, weicher und ausgeglichener sein.
v-bracing und intonation
Andy startete Versuche mit einem neuen Bracing-Pattern, das die Klangwellen nicht verwirbelte sondern nur teilte. Er war überrascht, wie anders, kompletter und ausgeglichener die ersten Prototypen plötzlich klangen. Aber auch etwas anderes entdeckte er: Die Gitarre mit VClass Bracing intoniert besser und reiner, und auch Intervalle, die sonst – wie er sagt – „sauer“ klingen, waren auf einmal süß und rund. Die Erklärung dazu ist simpel: Wir verwenden seit vielen Jahrzehnten für viele Instrumente und auch Gitarren eine temperierte Stimmung, die Oktave wird in zwölf gleichmäßige Intervalle geteilt; ein Kompromiss, an den wir uns gewöhnt haben. Trotz Kompensation am Sattel und am Steg immer noch keine definitive Lösung. Nun entdeckte er, dass seine Gitarren mit V-Class-Bracing sauberer klangen. Er fand die Erklärung: Bei der Decke mit X-Bracing entstehen, wie im Wasser, Verwirbelungen, die sich zu unsauberen Tönen aufschwingen und sich dann mit den temperierten Tönen der Gitarre unsauber vermischen. Bei seinem neuen Bracing schwingt die Decke symmetrisch, die Decke reagiert genau wie die schwingenden Saiten und für unser Ohr sind die Töne sauberer, angenehmer. Immer noch temperiert aber doch weniger gestört.
Wer kennt das nicht: Man stimmt seine Gitarre mit Tuner, E-Dur klingt unsauber. Also korrigiert man die G-Saite etwas nach unten; E-Dur ist sauber, aber A und D sind nun unsauber. Und selbst mit Stimmgerät bekommt man einen „faulen“ Kompromiss.
Vor allem im Studio, mit unseren modernen Hörgewohnheiten, ist dies manchmal so störend, dass viele Studiogitarristen die Gitarren für manche Akkorde umstimmen müssen; die falsch klingenden werden dann aufwendig bei den Aufnahmen ausgetauscht. Eine unsagbar mühsame und nervige Angelegenheit, trotz Computereinsatz.
praxis
Und wie ist das in der Praxis? Beim Vorstellungstermin konnte ich alle 4 Modelle hören, zum Test erhielten wir das TopModell, die Builder’s Edition K14-ce. Eine traumhaft schöne Gitarre, die neben dem neuen V-Bracing eine Menge toller Details aufweist. Die Decke ist aus massiver wärmebehandelter (torrefied) SitkaFichte, Zargen und Boden sind aus massivem Koa, der Mahagonihals mit Ebenholzgriffbrett ist mit der patentierten Taylor-Halsverbindung mit dem Korpus verschraubt, die auch ein nachträgliches
Justieren des Halsneigungswinkels ermöglicht.
Das Builder’s Modell hat einen Taylor-Armrest, alle Korpuskanten sind abgerundet und auch der Cutaway hat eine zusätzliche Rundung, die das Spielen in den oberen Lagen extrem erleichtert. Holzbindings, Abalone Inlays, und eine „Spring Vine“ genannte Griffbretteinlage. All das kombiniert mit einer seidenmatten Lackierung und einem wunderbaren Kona Burst für Boden und Zargen ergeben ein traumhaftes Paket. Der Zusatz „ce“ sagt aus, dass einerseits ein Cutaway, und zum anderen auch das Pickupsystem Taylor Expression System 2 eingebaut ist.
und wie klingt’s?
Mit ein paar Worten ausgedrückt: Anders. Lauter. Sauberer. Länger. Runder. Das Klangbild der Gitarre mit V-Class ist tatsächlich anders. Die Decke schwingt gleichmäßiger, es gibt keine Deadnotes mehr, die Töne haben alle ein weitaus gleichmäßigeres Sustain, das Instrument verteilt die Schallwellen gleichmäßiger im Raum. Das äußert sich z. B. darin, dass die Gitarre aus einigen Metern Entfernung genauso laut erscheint wie in unmittelbarer Nähe. Bei Mikro-Abnahme kann man die Gitarre bewegen, ohne dass der Klang zusammenbricht. Der sogenannte Sweetspot ist viel größer (Im Studio ein Segen).
Ich habe das Instrument bei vielen verschiedenen Möglichkeiten gespielt. Das verblüffendste Erlebnis war zu Hause in gewohnter Umgebung. Meine Frau hört zu und sagt: „Du spielst ja lauter als sonst.“ Ich: „Nein, wieso?“ … und variiere den Anschlag, mal mit Fingern, mal mit Plektrum, um dies zu zeigen. Aber erst als ich mehrere andere Gitarren zum Vergleich heranziehe, fällt auf, dass diese tatsächlich leiser wirken. Zitat meiner Frau: „Komisch, bei denen fehlt jeweils irgendwas.“ Also noch mehr Gitarren herangeholt. Und es stimmt. Die Builder’s Edition bildet einfach ein komplettes Frequenzbild ab, während die anderen wie mit einem EQ bearbeitet klingen, und Frequenzen herausgefiltert sind. Meine letzte Waffe: Eine alte Taylor Dreadnought 910, das Instrument, das auch im Studio bisher unschlagbar war. Die hat zwar tatsächlich im Bassbereich mehr Fülle, kommt aber auch nicht an das komplexe Klangbild der K14ce heran. Wow.
Dazu kommt das tatsächlich sauberere Klangbild, auf einmal kann man Dur-Akkorde in hohen Lagen mit Leersaiten verbinden, all das, was man sonst vermeidet, wenn man saubere Intonation braucht. Klasse. Interessant, dass viele Gitarristen, die das Instrument gecheckt haben, ähnliche Eindrücke hatten, einige wenige vermissten einen eigenen Charakter. Klar, dass Klangbild ist einfach rund und voll. Aber gerade das führt dazu, dass man mit dem Instrument anders spielt. Das ausgeglichene Sustain lässt einen dynamischer Spielen, die Töne auf den hohen Saiten haben mehr Mitten als gewohnt, und dadurch soliert man mehr, da sie satter klingen.
Und auch das Expression System ES-2 wirkt am Verstärker ausgewogener, ausgeglichener. Erstaunlicherweise mischt sich der Sound besser mit anderen Instrumenten, kommt klarer durch, ohne dabei schrill zu sein, was sonst oft bei Piezos passiert, wenn man Höhen nachregelt, um sie hörbar zu machen.
neues label, neuer sattel
Bob Taylor ist so glücklich mit den neuen Modellen und den Entwicklungen von Andy, dass er vorschlug, ab sofort ein neues Label für diese Gitarren zu verwenden. Das unter dem Schallloch aufgeklebte trägt jetzt die Signatur von Andy Powers, Bobs Unterschrift rückt in den Hintergrund als grafisches Element. Dazu das Lob von Bob: „Als Gitarren-Designer ist Andy nicht einfach nur ein Ersatz für mich sondern eine Verbesserung.“ Und fügt hinzu: „Ich klinge zwar jetzt wie ein stolzer Vater, aber ich glaube tatsächlich, dass Andy in den nächsten 40 Jahren mehr als jeder andere Einfluss auf das Akustik-Gitarren-Design haben wird“.
Alle Gitarren, die mit dem V-Class Bracing ausgestattet sind, haben ab sofort einen schwarzen Sattel, der mehr Graphit-Anteil enthält als die bisherigen weißen Tusq-Versionen. Damit ist auch auf den ersten Blick zu erkennen, dass es sich hier um die „Neuen“ handelt. Kleiner Tipp: Das Bracing des Bodens ist bei den neuen Gitarren schräg angeordnet, sodass man auch durch einen Blick ins Schallloch einen Hinweis bekommt, ob es sich um ein neues Modell handelt.
drei standard modelle
Zum Start der V-Class gibt es neben der Builder‘s Edition noch drei weitere Modelle mit dem neuen Bracing. Es sind auch Grand Auditoriums, deren Features ansonsten unverändert sind: PS14ce (Ebenholzkorpus mit Redwood Decke), K24 ce (Hawaiian Koa Decke, Zargen und Boden) und 914ce (Indian Rosewood Korpus mit Sitka-Fichtendecke). Die Modelle behalten trotz des V-Class-Bracings ihre grundlegenden klanglichen Charaktereigenschaften, die durch die Holzauswahl festgelegt werden.
Für die Zukunft ist geplant, das V-Class-Bracing auch bei weiteren Grand-Auditorium-Modellen zu verwenden.
resümee
Glückwunsch. Inspiriert durch seine Beobachtungen der Wellen beim Surfen, wollte Andy Powers den Sound der Taylor Gitarren verbessern. Nicht nur das ist ihm gelungen, sondern als Nebeneffekt hat er auch die Intonation der Gitarren optimiert und in eine neue Dimension geführt. Dies wird die Verwendung der akustischen Gitarre auf der Bühne und im Studio erheblich verändern, aber auch die Spielweisen der Gitarristen beeinflussen. Die Builder’s Edition mit all ihren Details ist ein Paradebeispiel dafür, was bei Taylor heute alles möglich ist. Und da verzeiht man dann auch den Blick aufs Preisschild.
Vor Ort
Ende Oktober 2017 hatte Taylor ein Dutzend Journalisten von Gitarren-Magazinen aus aller Welt nach San Diego eingeladen, um vorab über die Neuigkeiten zu informieren, die weltweit am 24.1.2018 auf der NAMM der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Am ersten Tag gab es eine Firmenführung in El Cajon, am zweiten Tag dann die Neuheiten-Präsentation, in Andy Powers privater Werkstatt in seinem Haus in Carlsbad. Dorthin zieht Andy sich zurück, wenn er an neuen Projekten arbeitet. Im Anschluss daran, gab es eine Listening-Session im Studio der mit Taylor befreundeten Band Switchfood aus San Diego, bei der Andy, der Studiomusiker Wayne Johnson und der Toningenieur Tanner Sparks die neuen Gitarren eindrucksvoll demonstrierten.
Lautstärke vs Sustain?
Eine der wichtigsten Eigenschaften einer Gitarre ist die Balance zwischen Lautstärke und Sustain, oder anderes ausgedrückt: Flexibilität gegen Steifheit. Ein Banjo mit einem weichen Trommelfell als Resonator ist extrem laut, hat aber kein Sustain, da das Fell die Schwingungen auffrisst. Eine Les Paul mit massivem Korpus und mit kräftigem Hals hat ein tolles Sustain, da die Schwingungen nicht absorbiert werden, aber keine akustische Lautstärke und braucht daher Pickups und Verstärker.
Akustische Gitarren müssen mit einem Kompromiss leben, der auch dadurch zustande kommt, dass versucht wird, eine gut schwingende Decke zu verwenden, die aber natürlich auch stabil und haltbar sein muss. Die Firma Martin hatte schon im 18. Jahrhundert darauf eine Antwort gefunden und mit dem sogenannten X-Bracing – auf Deutsch: Kreuzverbalkung – einen bis heute gültigen Standard gesetzt, der weltweit von Gitarrenfirmen für Akustik-Modelle verwendet wird. Zwei kräftige Balken, in X-Form angeordnet, verstärken die Decke im Bereich zwischen Steg und Schallloch. Im Laufe der Jahrzehnte haben Gitarrenbauer damit experimentiert: mit der Dicke der Balken, der Form, dem Material, haben sie gescalloped und haben noch vieles mehr zur Optimierung versucht.