Seit der Einführung des V-Class-Bracing vor einigen Jahren überarbeitet Taylor nach und nach alle Serien und versucht jeder ein individuelles Gesicht zu geben. Statt wie bisher Zeder und Mahagoni verwendet Master-Designer Andy Powers bei der 500er-Serie jetzt das neu entdeckte Tonholz Urban Ironbark für Zargen und Boden sowie wärmebehandelte Sitka-Fichte für die Decke.
Zwei Modelle sind erhältlich: die 512ce Grand Concert, mit einer Mensur von 633 mm, und die größere Schwester 514ce Grand Auditorium (Mensur: 648 mm). Auch rein äußerlich kann man die beiden V-Class-Modelle sofort von den alten unterscheiden. Decke und Hals haben eine Shaded-Edgeburst-Lackierung, Boden und Zargen sind rotbraun gefärbt. Der Mahagonihals ist seidenmatt, der Korpus hochglänzend.
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NEUES TONHOLZ RED IRONBARK
Anfang 2020 hat Taylor erstmalig kalifornische Hölzer verwendet, die aus aus dem Holzbestand des Baumpflegebetriebes West Coast Arborists (WCA) stammen. Diese Firma pflanzt, pflegt und entfernt alte Bäume in Wohngebieten und entlang von Straßen und Autobahnen. Anstatt sie als Brennholz oder Holzmulch zu verarbeiten, werden sie der Industrie zur Weiterverarbeitung angeboten. Das erste Holz war Shamel Ash, von Taylor in Urban Ash umbenannt.
Da viele dieser Holzarten entweder nicht kommerziell genutzt werden oder keine etablierten Hölzer für Musikinstrumente sind, machte Andy einen „Geschmackstest mit einer Kettensäge“ und schnitt Proben von bestimmten Arten. Andy schränkte die Liste der Arten auch anhand praktischer Erwägungen ein. „Aus Versorgungssicht wollten wir wissen, welche Baumarten am häufigsten vorkommen“, sagt er. „Dann suchte ich nach solchen mit der richtigen Art von Struktur, Höhe, Durchmesser, um passende Bretter zu liefern, und Arbeitseigenschaften.“ Eine überraschende Entdeckung war dabei das Holz, das mitunter als Red Ironbark bekannt ist.
URBAN RED IRONBARK – EUCALYPTUS SIDEROXYLON
RED-IRONBARK-EUKALYPTUS (Eucalyptus sideroxylon) ist eine von weltweit mehr als 700 Eukalyptusarten. Die Geschichte des Eukalyptus in Kalifornien reicht bis in die 1850er-Jahre zurück, als mehrere Arten (einschließlich Red Ironbark) aus Australien importiert und als potenzielle Quelle für Holz und Fasern angepflanzt wurden. Die produktivste Art in Kalifornien (und auf der ganzen Welt) ist der schnell wachsende Blaugummi-Eukalyptus (Eucalyptus globulus), erkennbar an seinen abblätternden Rindenschichten und duftenden, öligen, blaugrünen Blättern. Ironischerweise stellte sich sein Holz als kein ideales Bauholz heraus. Red Ironbark hingegen weist andere Eigenschaften auf. Seine Rinde ist dick, zäh und stark gefurcht, während das rote Holz darunter stark, hart und dicht ist. Als Bauholz wurde das langlebige Holz für Balken, Eisenbahnschwellen und andere Bauprojekte verwendet. Der Baum ist auch dürre- und frosttolerant, was ihm das Überleben in nicht heimischen Lebensräumen ermöglicht hat.
„Es ist ungewöhnlich“, sagt Andy, „technisch gesehen stammt es aus der Familie der Eukalyptusbäume, aber es verhält sich nicht wie die meisten dieser Gattung, von denen viele dazu neigen, sich auf unvorhersehbare Weise zu vertwisten. Noch überraschender ist, dass dieses Holz ultrahart und dicht ist, als wäre es eine Art tropisches Palisander. Tatsächlich ist es eines der wenigen Hölzer, die tatsächlich im Wasser versinken. Es ist wie Ebenholz. Normalerweise sind dichtere Hölzer schwer zu trocknen, sie müssen sorgfältig kontrolliert werden. Bei Red Ironbark waren wir überrascht, dass wir es konstant gut trocknen konnten, so wie ostindisches Palisander. Dieses Red Ironbark hat diesbezüglich ähnliche Eigenschaften. Es ist sehr stabil.“
Ein weiteres Stereotyp von so hartem Holz – und es gibt nur wenige solcher Hölzer – ist, dass sie einen öligen Inhalt haben, der das Verleimen erschwert. Einmal mehr erwies sich Red Ironbark als Ausnahme. „Es hat eine der glattesten und gleichmäßigsten Texturen aller dichten Hölzer, die ich je gesehen habe“. Aufgrund seiner Härte, Dichte und Geschmeidigkeit hatte Andy es zunächst für Griffbretter und Stege in Betracht gezogen, sich aber wegen der rosigen und goldbraunen Farbtöne vorerst dagegen entschieden. Allerdings vermutete er, dass es als Boden- und Zargenholz sehr gut funktionieren würde. Er hatte recht.
TORREFIED
Zum neu entdeckten Tonholz für Zargen und Boden brauchte man nun noch ein geeignetes Deckenmaterial. Schließlich entschied sich Andy Powers für wärmebehandelte Sitka-Fichte, die seiner Meinung nach klanglich am besten zu Ironbark passt. „Torrefied“ oder „Roasted“ sind die englischen Bezeichnungen für Verfahren, bei denen das Holz unter großer Hitze einer künstlichen Alterung unterzogen wird.
TORREFIZIERUNG, auch Torrefikation (von lateinisch „torreo“ = trocknen, rösten, dörren) bezeichnet die thermische Behandlung von Biomasse ohne Luftzutritt.
GRAND AUDITORIUM
Die Features der 514ce sind wie gewohnt: lange Mensur, großer Body mit Cutaway und ein angenehm schlanker, griffiger Hals. Sie ist geschmackvoll dekoriert mit neuen „Italian Acryl“-Griffbretteinlagen, Tortoise-Imitat als Korpuseinfassung und einer Rosette aus Perlmutt und Holz. Der Hals mit verstellbarem Stahlstab und der Korpus sind mit der von Taylor patentierten Halsverbindung ausgestattet, die es einem Fachmann jederzeit ermöglicht, eine Anpassung des Halswinkels vorzunehmen. Es werden leichte, verkapselte und vernickelte Taylor-Mechaniken verwendet.
Der Sattel aus schwarzem Graphit und die kompensierte Stegeinlage aus Micarta sind Standard, der Steg ist wie das Griffbrett aus Ebenholz. Die 514ce ist mit dem Taylor Expression System 2 ausgestattet und wird mit dem Taylor-Deluxe-Hardshell-Brown-Koffer geliefert. Die Anschlussbuchse und das Batteriefach mit 9-Volt-Block sind in einer ovalen Einheit am Korpusende untergebracht, ein zweiter Gurthalteknopf ist am Hals montiert. Die Gitarren kommen mit einem Light-Saitensatz (.012-.053), in der beschichteten Version von D’Addario (Coated Phosphor Bronze).
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Bild: Dieter Stork
Bild: Dieter Stork
IT’S ALL ABOUT SOUND
Kurz und schmerzlos: Ein toller Sound. Die Verbindung aus der behandelten Sitka-Fichte und dem neuen Holz Urban Ironbark, kombiniert mit dem V-Class-Bracing, ist einfach perfekt. Der Korpus verhält sich ähnlich wie Palisander, wirkt tonal aber runder, mit pianoähnlichen, sehr gut austarierten Bässen und ausgezeichneten Höhen, die sich durchsetzen können. Dazu kommt eine unglaubliche Dynamik und Bandbreite. Leises kommt zart und fein rüber, schlägt man härter an, spürt man eine deutliche Lautstärkeanhebung, egal ob mit Fingern oder Plektrum gespielt. Bei vollem Anschlag ist es eine der lautesten Gitarren dieser Größe, die ich je gehört habe. Und auch das Taylor-Tonabnehmersystem kann diesen Sound in gewohnter Manier transportieren.
RESÜMEE
Es gibt also doch nachhaltige und heimische Holzarten, die Tropenhölzer ersetzen können. Und Andy Powers schafft es immer wieder, noch mehr Klangvielfalt aus den Hölzern hervorzuzaubern. Schön auch, dass mit dem Shaded-Edgeburst-Finish eine Unverwechselbarkeit zu den anderen Taylor-Modellen besteht.